Aug 31, 2019 11:32 CET
  • Islam richtig kennenlernen (188 )

Wir behandeln weiter die Jenseitsfrage. Der Jenseitsglaube ist ein wichtiger Bestandteil des Islams.  Für seine Rechtfertigung legen wir heute ein weiteres Argument vor.

 

Zu den göttlichen Attributen gehört die Gerechtigkeit. Sie ist überall im Dasein zu spüren. Das Dasein wurde auf ihr aufgebaut. Ali (Friede sei mit ihm) sagt: „Aufgrund der Gerechtigkeit wurden Himmel und Erde errichtet.“

Bei genauerem Hinsehen stellen wir fest, dass jede Erscheinung in der Schöpfungsordnung einer Serie von Gesetzen gehorcht.  Diese gerechte Ordnung ist im menschlichen Körper dermaßen fein konstruiert, dass schon die kleinste Änderung und das kleinste Ungleichgewicht zu einer Krankheit oder sogar zum Tod führen können.

 

Im Auge des Menschen, seinem Herzen und Gehirn und in allen anderen  Organen des menschlichen Körpers zum Beispiel nimmt jeder Bestandteil entsprechend seiner Notwendigkeit den ihm gebührenden Platz ein.  Eine solche gerechte Verteilung und Ordnung treffen wir auch sonst in der Schöpfung überall an.

             

 

Ist nun Gott, der solche wohl kalkulierten und gerechten Gesetze in der Daseinsordnung hergestellt hat, gegenüber dem  Handeln des Menschen gleichgültig? Kann das sein?

Der Mensch verfügt über einen Willen und Entscheidungsfreiheit. Diese sollen  seine Weiterentwicklung gewährleisten und ihm ermöglichen, selber seinen Weg zu wählen.    Einige sind gläubig und um rechtschaffenes Handeln bemüht in der Absicht, spirituell weiterzukommen, während andere den Weg des Unrechts und des Verstoßes gegen die Gebote Gottes wählen. Wäre es mit der Gerechtigkeit Gottes, die über alle Welt herrscht, vereinbar, wenn der Mensch durch den Tod vernichtet würde, ohne dass er je dem Resultat  seiner Taten begegnet?  Die allgemein herrschende Gerechtigkeit Gottes schließt mit ein, dass der Mensch einmal über seine Taten Rechenschaft ablegen muss, damit mit ihm gerecht verfahren wird.  Dieses Tribunal wird  das Jüngste Gericht sein.  

Im Koran heißt es in der Sure 68 (Qalam), in den Versen 35 und 36:

Sollen Wir etwa die Gottergebenen den Übeltätern gleichstellen?

Was ist mit euch? Wie urteilt ihr?“

Jeder von uns hat schon einmal beobachtet, dass ein  tyrannischer Herrscher ein prachtvolles Leben führt, ohne  sich jemals vor dem Gesetz für sein Unrecht verantworten zu müssen.  Andererseits haben wir auch von Menschen erfahren, die sich nach besten Kräften gegen Unrecht und Ungerechtigkeit eingesetzt haben, aber in dieser Welt nicht den angemessenen Lohn dafür erhielten. Würde die Akte der Taten von guten und schlechten Menschen schon beim Verlassen dieser Welt  für immer geschlossen, dann würde sich zu Recht die Frage stellen, was denn aus der Gerechtigkeit, Weisheit und Gnade Gottes zu Seinen Dienern geworden ist.

Man bedenke auch, dass ein Teil der schlechten Taten dermaßen schwere Folgen hat, dass man es gar nicht in diesem Leben angemessen bestrafen könnte.  Wie kann man zum Beispiel jemand gerecht bestrafen, der die Rechte von zahllosen Menschen verletzt hat oder an einer Generationsausrottung schuld ist? In dieser Welt gibt es keine Mittel um jemanden, an dessen Hände das Blut von tausenden Menschen klebt, gebührend zu bestrafen. Würde er hingerichtet, so wäre damit nur das  Blut eines einzigen von den  vielen Menschen, die er getötet hat, vergolten worden. Womit würde dann die Ermordung von den zahllosen anderen unschuldigen Menschen bestraft worden sein?

 

Genauso wie die wahre angemessene Bestrafung erst im Jenseits erfolgt, erfolgt auch die eigentliche und vollständige Belohnung erst dort. Genausowenig wie die Welt die Möglichkeit bietet, das Unrecht von Tyrannen voll zu bestrafen,  hat sie auch nicht das Potential diejenigen angemessen zu belohnen, die im Leben die höchsten Gipfel der Menschlichkeit und Würde erreicht haben.  Wie kann das Diesseits einen Arzt, der vielen Kranken das Leben gerettet hat oder jemanden, der vielen Bedürftigen Wohltaten erwies, gerecht belohnen?

Es hat doch auch  schon so viele wohltätige und rechtschaffene Gläubige  gegeben, die den Leidenden geholfen und die  Ungerechten bekämpft haben aber nicht mehr auf der Welt sind, um sich an dem Resultat ihrer Opfer zu freuen. Wann und wie können sie ihren gerechten Lohn für ihre guten Werke erhalten?

 

 

Die diesseitige materielle Welt ist durch Schranken hinsichtlich  Belohnung bzw. Bestrafung gekennzeichnet. Da nicht alle Menschen im Leben belohnt oder  bestraft werden können, muss aufgrund der Gerechtigkeit Gottes in einer anderen  Welt das Jüngste Gericht Gottes stattfinden und müssen die Menschen vor diesem Gericht ohne Abstriche ihre guten und schlechten Taten zu sehen bekommen. Diese andere Welt kann nur das Jenseits sein. Im Lichte der Gerechtigkeit Gottes, wird dort jeder das Resultat seiner Taten empfangen und die Guten werden von den Schlechten getrennt werden.

Der Koran erklärt es nicht für rechtens, dass die Schlechten und die Guten auf gleiche Stufe gestellt werden.  Es gehört zu den Zielen der Erschaffung von Himmel und Erde, dass jeder entsprechend seiner Taten belohnt bzw. bestraft wird, so dass keinem ein Unrecht geschieht. Zum Beispiel heißt es in den Versen 21 und 22 der Sure 45 ( Dschathiyah):

 

„Oder meinen diejenigen, die böse Taten verüben, dass Wir sie denjenigen, die glauben und rechtschaffene Werke tun, gleichstellen sowohl in ihrem Leben als in ihrem Tod? Schlimm ist es, wie sie  urteilen!

 

 Und Allah hat die Himmel und die Erde in Wahrheit erschaffen, und damit jeder Seele das vergolten wird, was sie erworben hat, und es wird ihnen kein Unrecht zugefügt.“

 

Diese Stelle im Koran bezieht sich auch auf das Jenseits.

Weil Gott gerecht ist können die Schlechten und Unrechttuenden nicht mit den Rechtschaffenen auf eine Stufe gestellt werden. Zweifelsohne wirken sich sowohl die guten als auch die schlechten Taten auf die Lebensqualität eines Menschen und auf die Art wie er stirbt aus.  Das  Leben der Schlechten und der Guten verläuft unterschiedlich.

  Der Koran weist in obiger Stelle außerdem darauf hin, dass die Welt aufgrund von Wahrheit und mit einem Ziel erschaffen wurde. Denn Gott ist weise. Überall auf der Welt begegnen wir der Wahrheit, dass Gott Gerechtigkeit herrschen lässt. In einer Ordnung, die auf Recht und Wahrheit aufbaut, können natürlich das Gute und das Schlechte nicht gleichwertig sein.  Wie ist es da möglich dass Gott die Gläubigen, welche rechtschaffen handeln mit Ungläubigen, die Schlechtes tun auf eine Stufe stellt? Das würde doch gegen seine allgemeine Gerechtigkeit verstoßen. 

Die göttliche Gerechtigkeit schließt mit ein, dass es eine andere Welt geben muss, in der die Möglichkeit vorhanden ist, alle Taten des Menschen zu vergelten und dass jeder den vollen Lohn für seine schlechten bzw. guten Taten erhält.

 

Gemäß dem Koran würde es weder der göttlichen Gerechtigkeit noch der Weisheit Gottes entsprechen, wenn es kein ewiges Leben und keine jenseitige Belohnung und Bestrafung gäbe. Gott begeht, da er gerecht ist,  weder Unrecht an Seinen Geschöpfen, noch begeht er etwas Sinnloses, denn Er ist weise.

Also lässt sich  sowohl mit der Gerechtigkeit als auch mit der Weisheit Gottes für die Existenz des Jenseits argumentieren und auf diese beiden Beweisgründe spielt obige Stelle in der Sure 45 an.

Es ist nur natürlich, dass diejenigen die im Einklang mit  der Wahrheit und der Gerechtigkeit der Schöpfung  handeln in den Genuss der Gnaden Gottes und des Segens des Diesseits gelangen, während diejenigen, die in Disharmonie zu der Wahrheit und Gerechtigkeit  vorgehen, Gottes Strafe auf sich ziehen.

 Auch wenn die Menschen erst in einer anderen Welt ihre volle Belohnung bzw. Strafe erhalten, so steht dadurch einer Belohnung und einer Strafe im Diesseits nichts entgegen.  Deshalb werden einige bereits in dem diesseitigen System für ihre schlechten Taten sühnen müssen.  Wir sind alle selber mehr oder weniger Zeuge von dem Schicksal einiger großen Übeltäter  und Unterdrücker geworden. Im Vers 26 der Sure 39    (Zumar) bezieht sich Gott auf die weltliche Bestrafung von Übeltätern wenn er im ersten Teil dieses Verses spricht:

So ließ Allah sie im diesseitigen Leben die Schande kosten;

 

Im zweiten Teil wird darüberhinaus diesen Übeltätern wie folgt verheißen:

aber die Strafe des Jenseits ist wahrlich größer, wenn sie nur wüssten!“

 

Die Bestrafung der Übeltäter im Diesseits fällt also geringer aus als ihre eigentliche Bestrafung im Jenseits. Dennoch versuchen diese Leute, wie auch immer,  schon der diesseitigen Bestrafung zu entgehen.

Das Prinzip der Gerechtigkeit gebietet, dass sie sich für alle Taten verantworten müssen, und dies ist nur vor einem gerechten Gericht wie dem göttlichen Jüngsten Gericht möglich.

Wenn wir fest an Gott und seine unendliche Gerechtigkeit glauben, so müssen wir auch akzeptieren, dass  es die Auferstehung von den Toten und das Jüngste Gericht und Jenseits gibt. Im Vers 47 der Sure 21 (Anbiya)  verheißt Gott:

„Und Wir stellen die gerechten Waagen für den Tag der Auferstehung auf. So wird keiner Seele um irgendetwas Unrecht zugefügt; und wäre es auch (eine schlechte oder gute Tat so groß wie)  das Gewicht eines Senfkorns, Wir bringen es bei. Und Wir genügen als Berechner."