Sep 20, 2019 05:05 CET
  • Islam richtig kennenlernen (190 - die letzte Phase)

Wir möchten auch heute die Frage des Jenseits behandeln und uns speziell mit dem Endpunkt des diesseitigen Lebens auseinandersetzen.

 

Wir sprachen beim letzten Mal davon, dass der Mensch aus Körper und Seele besteht. Während der Körper aufgrund seiner Stofflichkeit zum Verschleiß verurteilt ist, bleibt die Seele von den Faktoren, welche die Materie beeinflussen, verschont. Daher bleibt sie erhalten, wenn der stoffliche Körper stirbt. 

 

            

Der Mensch ist wie ein Reisender. Bei der Geburt trifft er in dieser Welt ein, um eine bestimmte Zeit darin zu verbringen. Eines Tages verlässt er sie dann wieder. Diese Reise ist nicht zu umgehen und das Diesseits ist eine vorläufige und keine ewige Bleibe.

Der Tod ist der Beginn eines langen mit Gefahren verbundenen Weges und wer diese Reise, von der es keine Rückkehr gibt,  antritt, muss sich vorher einen Reiseproviant anlegen. Imam Ali (Friede sei mit ihm) hat gesagt: „Nutzt die  Möglichkeiten des Lebens für das Jenseits und legt euch die Mittel zu, die ihr  für die Jenseitsreise braucht.“

Zweifelsohne ist das diesseitige Leben zeitlich nicht unbegrenzt und zweifelsohne bleibt der Körper nicht immer gesund und frisch und ist das Leben nicht immer bequem und die Jugend begrenzt. Imam Ali (F)hat daher gesagt:

„Eilt in Richtung der guten Handlungen, bevor euer Leben zu Ende geht, oder Krankheit euch behindert oder der Pfeil des Todes auf euch zielt und euch aus der Gemeinschaft wegnimmt.“

Der Tod, der in Wahrheit die Trennung der Seele vom Körper ist, kommt manchmal ganz unerwartet, während der Mensch vielleicht große Zukunftspläne geschmiedet und Vorbereitungen für ihre Verwirklichung getroffen hat.  Alle diese Wünsche und Pläne fegt der Tod wie bei einem Sturm auf einen Schlag weg.

Der letzte Abschnitt im diesseitigen Leben des Menschen und vor seinem Übergang in das jenseitige Reich ist die Phase kurz vor seinem Tod. Diese letzten Augenblicke gehen mit besonderen Erlebnissen einher.  Dem Menschen wird in dieser Phase mehr als zu jedem anderen Zeitpunkt bewusst werden, wie er sein Leben verbracht hat.  Sein Bewusstsein erweitert sich und er blickt zurück auf seine Versäumnisse im Leben und wird gewahr, dass er keine Gelegenheit mehr finden wird, etwas nachzuholen und wieder gut zu machen.

In Sekundenschnelle zieht das Leben vor seinem geistigen Auge vorbei mit allen seinem Auf und Ab.  Seine guten Taten leuchten auf und stimmen ihn froh und seine düsteren Taten erschrecken und bekümmern ihn.

 

Das Zeitgefühl ist in der Zwischenwelt anders als im Diesseits und daher wird es möglich, dass der Mensch alle Jahre seines Lebens in wenigen Augenblicken vor sich sieht.

Der Abschied vom Leben und dem, was der Mensch besitzt,  ist einer der schwersten Augenblicke. In diesem Moment können weder der Arzt noch die Familie noch Besitz und Eigentum den Menschen retten.

Der Koran beschreibt den Zustand in der  wichtigen Phase des Ablebens als Sakarat-ul Maut - die Benommenheit während des Todes. In der Sure 50    (Qaf) steht im Vers 19:

„Und es wird (schließlich) die Benommenheit des Todes(kampfes) mit der Wahrheit kommen: (und dem Menschen wird gesagt werden: )  „Das ist das, wovor du auszuweichen pflegtest.“

                     

Die im Koran genannte Benommenheit des Todes überkommt den Menschen erst wenn die Bedingungen für das Ableben eingetreten sind.   In diesem Moment erfasst den Menschen eine große Unruhe. Das Ableben ist  die wichtige Übergangsphase in der der Mensch  alle Verbindungen zu der Welt, in der er es seit Jahren gewohnt war zu leben, abbrechen muss und den  Fuß in eine Welt setzt, die völlig neu für ihn ist.  In den Todesaugenblicken ändert sich das Bewusstsein des Menschen. Ihm wird die Vergänglichkeit des Diesseits klar  und er sieht mehr oder weniger die Ereignisse nach dem  Tod vor sich.  Es ergreift ihn eine gewaltige Furcht. Den Schrecken beim Verlassen des Diesseits spüren in gewissem Umfange selbst so großartige Menschen wie  die Propheten und großen Gottesfreunde, obwohl sie doch mit ruhigem Herzen dem Tod entgegenblicken.

Gemäß dem obigen Vers 19 der Sure 50 wird dem Sterbenden gesagt: „Das ist das, wovor du auszuweichen pflegtest.“

In der Tat fürchten die meisten Menschen den  Tod, weil sie ihn für ihre Vernichtung halten und darin nicht die Pforte zu der ewigen Welt sehen. Oder aber sie hängen sehr an den weltlichen Freuden, die mit dem Tod zu Ende gehen. Es kann auch sein, dass sie sich wegen  ihrer schwarzen Akte der Taten vor dem Tod fürchten. Wie auch immer: Der Tod erwartet alle und keiner kann ihm entkommen.

Imam Ali (Friede sei mit ihm) beschreibt in einer Ansprache die Situation der Sterbenden. Es kann in der Predigt 109 im Nahdschul Balagha nachgelesen werden, was er über ihre Erlebnisse in diesen Augenblicken sagt. Hier ein gekürzter Ausschnitt: 

„...Unbeschreiblich ist, was über sie hereinbrach: Todespein und Bedauern über das Vergehen (ihres Lebens) haben sich um sie herum versammelt,... und ihre Glieder wurden matt, und die Farbe (ihrer Gesichter) hat sich verändert, dann verstärkte der Tod seinen Eintritt bei ihnen. Bei dem einen versagt seine Sprache, während er doch inmitten seiner Familie ist und mit seinen Augen sieht und mit seinem Ohr hört, er ist voll bei seinen Sinnen und bei anhaltendem Verstand (aber er kann nicht mehr sprechen). Er denkt darüber nach, wie er ein Leben hat vergehen lassen und womit er seine Zeit verbrachte. Er denkt an die Besitztümer, die er angehäuft hat, bei deren Streben danach er nicht darauf geachtet hatte, ob es verboten [haram] oder erlaubt [halal] war und nahm sie aus ehrlichen und zweifelhaften (Quellen). Die Folgen seines Strebens, ihrer habhaft zu werden, hafteten ihm nun an, und er sah, wie sie sich von ihm trennten. Diese (Besitztümer) blieben für seine Hinterbliebenen, damit sie diese genießen und sich daran erfreuen. Es wird ein angenehmer (Erwerb) für die anderen sein, doch eine Bürde auf seinem Rücken (für die er Rechenschaft ablegen muss) ...“

                                

 

Beim Übergang des Menschen von dieser Welt in die jenseitige wird er den Verlust des Lebens und alles Versäumte und alle Fehler schwer bedauern. Insbesondere die Sünder und Gottesleugner werden in diesem Moment ihr Verhalten zutiefst bedauern und wünschen, sie könnten ins Leben zurückkehren und rechtschaffen handeln.

                                              

Der Koran verweist an mehreren Stellen auf diesen Zustand der Gottesleugner und Gottesverleumder. Zum Beispiel in den Versen 99 und 100 der Sure  23  (muminun): 

„(Sie setzten ihren falschen Weg fort und)Wenn dann der Tod zu einem von ihnen kommt, sagt er: „Mein Herr, bringt mich zurück,“

auf dass ich rechtschaffen handele in dem, was ich hinterlassen habe.“ (Ihm wird gesagt:)` Keineswegs! Es ist nur ein Wort, das er (so) sagt; hinter ihnen wird ein trennendes Hindernis sein bis zu dem Tag, da sie auferweckt werden.“

 

Die Sünder bereuen also  beim Ableben ihre Taten. Aber vorher haben sie nichts bereut und mit den Worten des Korans haben sie  ihr hässliches Tun bis zum Augenblick des Todes fortgesetzt. Wenn dann der Tod für einen von ihnen herannaht wird ihm bewusst, dass er sich vom Diesseits trennen muss und eine andere Welt betreten wird. Dann weichen die durch seinen Hochmut und seine Achtlosigkeit  entstandenen Schleier vor seinem geistigen Auge. Es scheint als ob er in dem Augenblick sein  schlimmes Schicksal vor sich sieht.  Er sieht, dass er sein Leben und seinen Besitz sinnlos verschwendet hat und große Versäumnisse und schwere Sünden beging. Nun hat er die Konsequenzen vor sich und daher empfindet er große Reue und schreit: O mein Herr! Lass mich auf die Welt zurückkehren, damit ich meine Vergangenheit wieder gut mache und gute Werke tue.

Aber das Gesetz der Schöpfung erlaubt in diesem Moment keinem mehr die Rückkehr ins Diesseits. Selbst einem guten Menschen wird die Daseinsordnung diesen Wunsch nicht erfüllen.

Die Behauptung der Sünder, sie würden ihre Sünden wieder gut machen, wenn sie auf die Erde zurückkehren dürften, ist nicht wahr. Ein Widersacher Gottes wird schon im Leben schnell, wenn er in Not gerät, solche Versprechen abgeben, aber sie sofort wieder vergessen und auf den vorherigen falschen Weg zurückkehren, wenn er aus der Not gerettet wurde.

Der Vers 100 der Sure 23 enthält übrigens einen kurzen bedeutungsvollen Hinweis auf „barzach“ - die geheimnisvolle Zwischenwelt, denn es heißt dort:

„hinter ihnen (den gestorbenen Sündern)  wird ein trennendes Hindernis sein bis zu dem Tag, da sie auferweckt werden.“