Wir und unsere Hörer- Teil 235
Hörerpostsendung am 20.10. 2019 Bismillaher rahmaner rahim. Heute möchten wir wieder zwei Hörerfragen beantworten. Sie stammen von Christoph Paustian und Michael Lindner.
Herr Christoph Paustian schrieb uns im Juli dieses Jahres:
„Welche Haustiere sind im Iran am beliebtesten? In Deutschland liegt der Hund vor der Katze.“
Wir würden sagen, weder Katze noch Hund machen hier das Rennen.
Die Haltung von Haustieren, insbesondere in Appartementwohnungen, ist in Iran nämlich nicht sonderlich verbreitet. Am beliebtesten sind vielleicht noch Fische oder Vögel, wie Wellensittiche, Papageien und Tauben. Selbst in Teheran halten sich manche auf dem Flachdach noch Tauben. So bietet hier und da in der Großstadt am Mittag oder Abend ein Taubenschwarm einen schönen Anblick, wenn er seine Runden fliegt. Sollte der Taubenschlag auf dem gemeinsamen Dach eines Appartementhauses stehen, müssen die Nachbarn damit einverstanden sein. Die Haltung von Tieren in Gemeinschaftseigentum wie z.B. auf dem Dach, im Treppenhaus, in Keller-oder Parkgeschossen von Mehrfamilienhäusern ist in Iran eigentlich strafbar.
Genauere Zahlen über die Haustierhaltung liegen uns leider nicht vor, es gibt jedoch einen zunehmenden Trend. Gemessen an den Tollwutimpfungen hat sich die Zahl von Hunden in den letzten 20 Jahren verdoppelt, wobei es sich natürlich nicht nur um Haushunde handelt. Dass die Haltung von Haushunden im Vergleich zu früher zugenommen hat, ist dennoch offensichtlich. Denn Hunde müssen Auslauf haben.
Vornehmlich sind es Schoßhunde, die da von meist jungen Leuten in den nächsten Park geführt werden, zur Freude von Kindern, die die drolligen Wesen bewundern und vielleicht am nächsten Tag auch gerne so ein munteres Wesen besitzen wollen.
Andererseits dürften diese Hündchen für die vielen Katzen, die in den Teheraner Parks leben, unangenehme Störenfriede sein. Nach einer Statistik aus dem Jahre 2016 gibt es in den Parks und auf den Straßen der Metropole mehr als 320 Tausend Katzen. Aus hygienischen Gründen halten Eltern ihre Kinder aber meist davon ab, ihnen zu nahe zu kommen.
An der steigenden Zahl von Tierhandlungen und Tierarztkliniken in der iranischen Hauptstadt zeichnet sich ebenso der zunehmende Trend zur Haltung eines Haustieres ab.
Der iranische Soziologe Dr. Moqadam führt es auf ausländische Einflüsse, wie ausländischer Filme, die über Satelliten ausgestrahlt werden, zurück. Speziell im Fall der Hundehaltung ist er der Meinung, dass die jungen Leute, die sich einen Hund anschaffen, als modern gelten wollen. Es kann auch als eine Art Trotzgebärde betrachtet werden. Die Jugendlichen wollen nun mal gerne mit herrschenden Tabus brechen, obwohl sie als Erwachsene vielleicht zu der Einsicht gelangen, dass Tabus ganz logisch begründet sein können.
Psychologisch gesehen kann die zunehmende Haltung von Haustieren auch eine Abkühlung der Gefühle in den zwischenmenschlichen Beziehungen bedeuten.
Warum aber will die Mehrheit der Stadtbewohner in Iran kein Haustier?
In den Städten leben die meisten Menschen in Appartements. Da ist die Haltung eines Haustieres nur in der eigenen Wohnung erlaubt, und dass auch nur dann, wenn die Nachbarn sich nicht über Lärm oder Gesundheitsgefahren beschweren.
Gerade wegen der Gefahren der Tierhaltung für die Gesundheit gibt es Bedenken, zumal heute die Mehrheit besser als zuvor diesbezüglich informiert ist. In den hiesigen Medien wird verstärkt vor den Krankheiten die vom Tier auf den Menschen übertragbar sind, gemahnt. Man bedenke nur die Übertragung von Infektionskrankheiten durch Zecken, die ins Fell eines Hundes geraten, und auch Katzen übertragen Krankheitserreger durch Speichel, Kratzen, Haut, Fell und Kot und sie können durch die Übertragung von Toxoplasmose die Leibesfrucht werdender Mütter gefährden.
Erwachsene spüren also nicht zu Unrecht bei der Tierhaltung auf engem Raum eine Gefahr für die Gesundheit, insbesondere ihrer Kinder und der älteren Familienmitglieder.
Wer trotzdem ein Haustier haben möchte, muss den regelmäßigen Tierarztbesuch und die Vorsorgeimpfungen finanziell und zeitlich mit einplanen. Ein Haustier zu halten, ist also auch eine Kostenfrage und da wägen doch viele ab, ob sie das Geld nicht nützlicher anlegen können, zum Beispiel für Reisen, für Gästebewirtung oder für wohltätige Zwecke, so wie es die Religion empfiehlt.
Die Regeln des Islam sind aber auch noch auf andere Weise für die Mehrheit ein wichtiger und traditioneller Grund, auf die Haltung bestimmter Haustiere zu verzichten, insbesondere auf die Haltung eines Hundes. Diese Einstellung gibt es nicht erst seit der Gründung der Islamischen Republik, sondern es gab sie auch schon vorher zur Zeit des Schahs.
Wie bei zahlreichen anderen islamischen Geboten finden wir auch bei der islamischen Regel, dass Hunde als rituell unrein gelten, eine Entsprechung im Judentum.
Die Unreinheit des Hundes bedeutet nicht, dass dieses Geschöpf Gottes verachtet oder misshandelt werden darf. Der Islam verurteilt den lieblosen Umgang mit Tieren. Während der Hadschzeit darf in Mekka noch nicht einmal eine lästige Fliege getötet werden.
Der weltberühmte iranische Dichter Saadi erinnert daran, dass Tiere wie Menschen Schmerz empfinden. In seinem Werk Golestan dichtet er:
„Immer denk ich an das Wort, das einst ein Elefantenführer zu mir sagte,
fernhin an dem mächtigen Nilesflusse,
„Weißt du, wie es der Ameise unter deinem Fuße zumute?
Wie es dir ist unter eines Elefanten Fuße.“
Aus den islamischen Überlieferungen geht hervor, dass der geehrte Prophet Mohammad (Friede sei mit ihm) mit Tieren sehr barmherzig umgegangen ist. Er hat sogar die Haltung von bestimmten Tieren empfohlen, nämlich die Haltung eines Hahns, einer Katze und die Haltung von Tauben.
Es sei auch erwähnt, dass Tierquälerei in der Islamischen Republik Iran mit Haft- und Geldstrafen geahndet wird. Keiner hat also das Recht einem Hund oder anderen Tieren etwas anzutun.
Vergegenwärtigt man sich jedoch die Krankheiten, die gerade durch einen Hund leicht übertragen werden können, wird schnell einsichtig, dass die Betrachtung dieses Tieres als rituell unrein und die Regeln zur Beseitigung dieser Unreinheit einen Sinn ergeben. Die strengen Regeln der Religion für den Kontakt mit einem Hund mögen jemand der in der westlichen Welt aufgewachsen ist, zwar befremdlich vorkommen, aber sie sind in der iranischen Kultur mit islamischen Wurzeln ein wichtiger Grund dafür, keine Hunde im Haus zu halten.
Bereits wenn ein Hund draußen als Wachhund gehalten wird, bereiten diese Regeln mehr Umstände als bei anderen Tieren. Sein Fressnapf muss auf besondere Weise gereinigt werden und wenn er aus einem kleineren Wasserbehälter trinkt wird das restliche Wasser in diesem unrein. Diese Unreinheit kann sich leicht auf Haut und Kleidung des Menschen übertragen.
Die Umstände der Hundehaltung würden sich für den Gläubigen erheblich häufen, wenn er das Tier in die Wohnung lassen würde.
Denn dies bedeutete, dass jede Stelle in der Wohnung, wo der Hund gelegen oder gesessen hat, bzw. über die er gelaufen ist, praktisch sofort rituell unrein wird, insbesondere durch seine Körpernässe und durch seinen Speichel, oder auch durch Feuchtigkeit der Stelle, wo er sich aufgehalten hat. Daher müsste ein praktizierender Muslim ständig diese rituelle Unreinheit durch entsprechende Maßnahmen beseitigen. Denn Körper und Kleidung sowie der Platz, an dem der Muslim sich einige Male am Tag vor Gott niederwirft, müssen frei von ritueller Unreinheit sein. Jemand der Wert auf das tägliche Gebet legt, wird sich nicht unnötig solche Umstände machen wollen bzw. ist das praktisch auch nicht möglich.
Es ist auch nicht gerade ein Zeichen für den rechten Glauben eines Muslims, wenn er einen Hund in der Wohnung hält und ihn durch den Park spazieren führt.
Im Freien werden Hunde jedoch seit jeher als Nutztiere gehalten, als Wachhunde für Einzelhäuser und Gehöfte und Tierherden. Seit ein paar Jahren werden sie auch für die Suche nach Erdbebenopfern trainiert und besonders in der Vergangenheit haben sie als Jagdhunde gedient.
Nun möchten wir die zweite Frage behandeln. Sie stammt von unserem treuen Hörer Michael Lindner. Er verfolgt neben unseren Programmen auch gerne Sendungen über Iran in der deutschen Medienwelt. So entnahm er einer Sendung, dass in Iran „eine Oberärztin im Krankenhaus umgerechnet monatlich 200 Euro verdiene.“ Er wollte wissen, ob das wirklich der Fall ist und schrieb: „Für mich ist erst einmal undenkbar, wie will man davon leben? Was verdient denn da eine Reinemachfrau, die im Krankenhaus putzt? Wenn das tatsächlich so ist, dann müssten doch die Lebenshaltungskosten im Iran sehr niedrig sein.“
In diesem Zusammenhang wurde Herr Lindner an die DDR-Zeiten erinnert und berichtete:
„Da verdiente ich 545 Ostmark, die tatsächlich zum Leben gereicht haben. Die Mieten waren fast geschenkt, Strom und Wasserpreise nicht der Rede wert. Richtig teuer waren nur die Dinge, die die DDR-Führung zu Luxusartikeln erklärte, wie Autos, Fernseher, Südfrüchte oder Importe aus dem Westen.“
Wir möchten gleich – nach etwas Musik – zu dem Brief von Herrn Lindner Stellung nehmen.
Es schockt natürlich jeden im ersten Moment, wenn der Verdienst eines Oberarztes in Iran umgerechnet mit 200 Euro angegeben wird. Auch ein Arbeiter würde nach den neuesten Lohntarifen umgerechnet nur 150 Euro verdienen.
Dies sind Zahlen die sich in diesem Jahr - 2019 – bei dem vor wenigen Monaten noch geltenden Wechselkurs von 14 bis 15 Tausend ergeben. Als voriges Jahr der Euro sogar bis zu 18 Tausend kostete wäre der EU-Wert dieser Gehälter noch geringer ausgefallen.
Vor der Abwertung des Rials in Folge der US-Sanktionen war der Gegenwert in Euro aber noch das Dreifache von 200 bzw. 150 Euro gewesen und nur wenige Jahre vorher noch das 5-fache. Inzwischen hat der EU-Gegenwert der Gehälter auch aufgrund der erzielten Senkung des Wechselkurses auf unter 13 Tausend Toman pro Euro wieder ein wenig zugelegt.
Dennoch fragt sich jemand, der in der Eurozone lebt, wie man von so wenig Euros im Monat leben kann.
Hierzu ist zu sagen, dass eine solche Umrechnung des Verdienstes in eine Fremdwährung eigentlich keine Aussage über die reale Lebenssituation in einem Land liefert. Herr Lindner sieht da in Bezug auf die ehemalige DDR ganz richtig, dass man bei der Kaufkraft der Inlandswährung im Inland ansetzen muss.
Wie viel ein Verdienst in Iran in einer anderen Währung wert ist, interessiert hier eigentlich nur bestimmte Leute, wie zum Beispiel diejenigen, die in Hoffnung auf einen Profit überflüssiges Geld in fremde Währung investieren, oder jedes Jahr eine Auslandsreise planen oder im Ausland studierende Kinder finanziell unterstützen und ähnliches.
Für die große Mehrheit der Bevölkerung ist es jedoch entscheidend, was sie im Inland mit ihrem Gehalt in Toman anfangen kann. Gerechterweise sollte jeder ausländische Bericht den Fokus auf die inländische Kaufkraft setzen, um keinen falschen Eindruck zu erwecken.
Wir sollten also zunächst den Nennwert der Löhne und Gehälter in der Inlandswährung betrachten und dann die Kaufkraft.
Als erstes haben wir uns ein wenig über das Einkommen von iranischen Ärzten im Internet informiert:
Allgemein herrscht in Iran die Ansicht, Ärzte seien Großverdiener. Laut dem Vorsitzenden der iranischen Ärztekammer verdienen circa 10 Prozent der Ärzte tatsächlich ausgesprochen gut, nämlich monatlich 50 bis 80 und sogar bis zu 100 Millionen Toman (ein Toman sind 10 Rial). Bei diesen Spitzenverdienern unter den Ärzten handelt es sich vor allem um Chirurgen, die Herz- und Hirnoperationen und Transplantationen durchführen.
Diesen Superverdienern, die allerdings auch ein viel höheres Berufsrisiko haben, folgen 20 bis 30 Prozent der Ärzte mit einem angemessenen Einkommen. Die Mehrheit von 50 bis 60 Prozent der Ärzte hat nach Meinung des Leiters der Ärztekammer aber keinen angemessenen Verdienst. Ihr Einkommen schwankt zwischen 2 bis 3 Millionen im Monat und erreicht höchstens 10 Millionen.
Im Internet wird der Fall eines praktizierenden Kinderarztes genannt, der auch an der Universität unterrichtet, aber nur 3 bis 4 Millionen Toman pro Monat verdient. Das ist in der Tat nicht viel für einen Facharzt.
Um ein Urteil über das Einkommen der Ärzte zu fällen, müsste man von Fall zu Fall mehr Details wissen. Einige Ärzte arbeiten ja in mehreren Krankenhäusern oder Kliniken und haben zusätzlich eine Praxis. Außerdem müsste man wissen, ob sie in einem staatlichen oder privaten Krankenhaus tätig sind. In einer staatlichen medizinischen Einrichtung, wo die staatliche Krankenversicherung einen Großteil der Kosten übernimmt, fällt das Gehalt der Ärzte geringer aus als in Privatkrankenhäusern. Einige Ärzte sind auch Teilhaber von Privatkrankenhäusern.
Der Leiter der Ärztekammer sagt nicht, wie hoch der Anteil der Ärzte mit einem Einkommen von nur 2 bis 3 Millionen Toman an den 50 bis 60 Prozent der Ärzte ist, die von knapp 3 Millionen bis zu 10 Millionen verdienen. Es ist also nicht klar, wie viel von diesen Ärzten ein eigentlich gut bemessenes Monatsgehalt von um die 10 Millionen erhalten.
Allerdings ist ein Einkommen von nur 3 Millionen monatlich in Anbetracht der langen Studienzeit und Qualifikation in der Tat nicht angemessen, insbesondere wenn man es hier mit einem Arbeitergehalt vergleicht.
Um einen Eindruck von dem Nennwert eines Arbeitereinkommens zu gewinnen, haben wir uns über den Mindestlohn für Arbeiter im diesjährigen Sonnenjahr 1398 (vom 21.3. 2019 bis 20.3.2020) erkundigt und erfahren, dass ein Arbeiter ohne Kinder mit Zuschüssen wie Wohnungsgeld monatlich circa 1,8 Millionen Toman verdient. Mit zwei Kindern käme er auf circa 2 Millionen Toman.
Nun wäre noch die Frage, wie man mit 2 Millionen Toman in Iran leben kann. Reicht das? Das Statistische Amt ist der Ansicht es reicht und die Ausgaben würden im Durchschnitt niedriger sein als die Einnahmen.
In der Tat sind aber auch noch 2 Millionen knapp, wenn eine Familie sonst kein zusätzliches Einkommen hat und erst recht reicht es nicht, wenn sie als Mieter in einer Stadt wie Teheran lebt und mehrere Kinder hat.
Die Mieten sind besonders in größeren Städten sehr hoch. Hier will das Ministerium für Wohnungsbau für den Bau von weiteren preiswerten Eigentumswohnungen sorgen, wie beim Projekt Maskane-Mehr, das bereits finanziell schwächeren Bevölkerungsteilen zu Eigentumswohnungen verholfen hat. Man bedenke auch, dass der Staat jedem einkommensschwachen Haushalt pro Kopf eine Beihilfe bezahlt.
Außerdem werden die Vergütungen für Spareinlagen bei gestiegener Inflationsrate erhöht und es finden jährlich Gehalts- und Lohnerhöhungen statt, beides als Ausgleich für die Inflation.
Die Lebenshaltungskosten sind nach den US-Sanktionen erneut spürbar gestiegen.
Deshalb gab es ja auch dieses Jahr – 2019 - deutliche Erhöhungen des Mindestlohnes für Arbeiter und des Gehaltes für im staatlichen Bereich Angestellte. Andererseits wurden einige Preise wie der Benzinpreis nicht vom Staat erhöht und blieben Preiserhöhungen bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln relativ gering, ebenso wie bei Kleidung aus der Inlandsproduktion.
Ausländische Waren sind natürlich teurer geworden. Das kann aber für die Inlandsproduktion gut sein und das Konsumverhalten der Bevölkerung zugunsten der Inlandsprodukte ändern. Die Sanktionen haben Verteuerungen gebracht aber sie begünstigen die Inlandsproduktion und den Ausbau von Wirtschaftsbeziehungen zu Staaten, die Iran als gleichberechtigten Partner betrachten.
Wir hoffen, dass wir Herr Lindner und Herrn Paustian eine zufriedenstellende Antwort gegeben haben und verabschieden uns bis zur nächsten Hörerpostsendung mit unserem Abschlusslied, das heute von Mohammad Nuri gesungen wird. Es trägt den Titel „Schalizar“ (das Reisfeld) und es geht darum um die Hoffnung.“
Abschließend noch ein herzliches Khoda hafez – Gott schütze Sie!