In Iran gerühmt, in der Welt berühmt (7- Dominanz des Farsi )
Es geht weiter um die Entstehungsgeschichte des iranischen Kulturraumes.
Liebe Hörerfreunde! Sie haben beim letzten Mal über die Ausdehnung des iranischen Kulturraumes nach dem Bekenntnis seiner Bevölkerung zum Islam und über den Beginn der Herrschaft der türkischstämmigen Ghaznawiden und danach der Seldschuken erfahren. Die Ghaznawiden und Seldschuken sind völlig unabhängig von ihrer ethnischen Abstammung wie iranische Herrscher vorgegangen. Einige von ihnen haben sogar ihren Stammbaum gefälscht, um sich künstlich eine iranische Herkunft zuzulegen. Die seldschukischen Türken, die frisch zum Islam übergetreten waren, haben schließlich die Ghaznawiden gestürzt und begannen über die iranische Hochebene zu herrschen. Sie änderten jedoch nicht viel an der vorherigen Verwaltungsstruktur und viele Iraner, die vorher den Posten eines Wezirs, Sekretärs oder eines Verwalters innehatten, blieben in ihrem Amt. Die Seldschuken zogen das monarchistische iranische System einer Stammesregierung vor und wehrten die Angriffe und Raubzüge von ihnen ethnisch verwandten Stämmen, die oftmals keinen festen Wohnsitz hatten, auf die Siedlungsgebiete ab. Um Sicherheit gegenüber diesen Angriffen und Plünderungen herzustellen, aber auch um weitere Gebiete zu erobern, fassten sie den Entschluss, unter dem Vorwand der Bekämpfung von Nicht-Muslimen in Richtung Kleinasien und die Gebiete zu marschieren, die in der Hand des christlichen Oströmischen Reiches lagen.
Die Eroberungszüge der Islamischen Welt und der Dschihad verlagerten sich von den Grenzen Transoxaniens nach Kleinasien und Indien. Die meisten türkischsprachigen Völker in Transoxanien und in Asien standen inzwischen an der Spitze der Muslime. Die seldschukischen Oghus- Türken gewannen zunehmend mehr Gebiete, die unter Kontrolle des Römischen Reiches gestanden hatten, so dass die Römer nur noch über Konstantinopel und Umgebung herrschten. Nachdem die Seldschuken und ihre Nachfolger, die Anuschtegiden (Choresm-Schahan) gestürzt waren, gründeten besagte türkischsprachige Stämme in Kleinasien einen unabhängigen Staat namens Sultanat der Rum-Seldschuken. Dieser blieb quasi solange bestehen, bis die osmanischen Sultane an die Macht gelangten.
Die Rum-Seldschuken waren wie die Seldschuken Irans vom Einfluss der iranischen Kultur geprägt. Am Hofe wurde Farsi (das Neupersische) gesprochen. Farsi war die Amtssprache. Die Sultane der Rum-Seldschuken legten sich sogar persische Namen zu, wie Ala ad Din Kai Kobad.
Ab dem 5. Jahrhundert nach der Hidschra und dem Mondkalender, dem 11. Jahrhundert nach Christus gingen alle Regenten, die iranischstämmig waren zugrunde und es waren Türkischstämmige die im Lande herrschten. Das blieb so, bis die Pahlavie-Dynastie im 20. Jahrhundert begann.
Seit den Seldschuken herrschten vom Osten bis Westen der zivilisierten Welt, d.h. von Indien bis Kleinasien türkischstämmige Befehlshaber. Aber in dieser Zeit der Herrschaft der Türkischstämmigen, die fast ein Jahrtausend andauerte, waren es stets die Iranischstämmigen, die die Angelegenheiten der Verwaltung, und Finanzen der Religion, Wissenschaft und Literatur in der Hand hatten. Zwar gab es nach den Seldschuken kein großes Imperium mehr in der islamisch-iranischen Welt, dafür aber kleine Reiche wie die Mamluk-Sultanate, das Reich der Ilchane, das Mogulreich auf dem indischen Subkontinent und das Reich der Rum-Seldschuken. Es waren Türkischstämmige die in diesen Reichen die Macht besaßen, aber sie hatten die persische Sprache und die Kultur der Iraner übernommen. Die Rum-Seldschuken gingen bei der Förderung der iranischen Kultur und der Farsi-Sprache sogar so weit, dass sie die Wahrzeichen aus dem antiken Iran, nämlich Löwe und Sonne als offizielles Herrschaftsemblem wählten.
Zum ersten Mal in der Geschichte Irans und der iranischen Kultur wurde die Farsi-Sprache in allen von den türkischstämmigen beherrschten Gebiete – von Indien bis nach Kleinasien - als offizielle Sprache und als Sprache am Herrscherhof und für den Kontakt zu anderen Ländern benutzt. In Folge dessen hat sich die iranische Kultur zum ersten Mal mittels einer iranischen Sprache überall auf der zivilisierten Welt derartig verbreitet wie es in der langen Geschichte Irans vorher nie vorgekommen war. Selbst zur Zeit der Achämeniden, der Arsakiden und der Sassaniden, in der arische und iranische Dynastien über die Hälfte der damaligen Welt herrschten, hatte die Sprache Altpersisch und das Pahlavie keine solche Verbreitung gefunden. Dieses Phänomen war erst unter der Herrschaft der türkischstämmigen Sultane eingetreten.
Die Geschichte Iran beweist, dass jemand seine Kultur vorherrschen lassen und kulturelle Übereinstimmungen erzielen kann, ohne militärisch vorzugehen. Der iranischen Kultur wurde durch die Kriegszüge der iranisierten Türken, der Weg nach Ost und West geöffnet. Die Persönlichkeiten, welche iranische Kultur schufen, sind nach den Eroberungszügen der Türken in die verschiedenen Teile der muslimischen Welt gezogen und mit Ausnahme von den inneren Teilen Chinas sowie Afrika und Europa, welche entfernt von dem Kulturaustausch auf der Welt blieben, waren sie allerorts auf der Welt, wo die Beziehungen nach außen gepflegt wurden und ein Kunst-, Wissens- und Handelsaustausch stattfand, als Träger der iranischen Kultur aktiv präsent.
Ibn Batutta, der bekannte Historiker und Weltreisende des 14. Jahrhunderts nach Christus (8. Jahrhundert nach der Hidschra) ist mehr als Marco Polo herumgereist. In den meisten Städten, die er auf seiner Reise besuchte, begegnete er Iranern und stellte fest, dass fast alle wichtigen Ämter in ihrer Hand lagen und die meisten Persönlichkeiten im Bereich der Kultur Iraner waren. Ein Blick auf den Reisebericht von Ibn Battuta macht offensichtlich, dass es kaum einen Fleck in der damaligen Welt gab, wo nicht ein iranischer Geschäftsmann, Rechtsgelehrter, Seefahrer, Sekretär, Politiker, Mystiker oder Sufi effektiv aktiv war. Diese Iraner trugen arabische Namen aber diesen wurden die Namen ihres Geburtsortes angehängt und dadurch wurde ihre Herkunft offensichtlich. Es besteht kein Zweifel daran, dass zu jener Zeit die Iraner – ob sie aus Isfahan stammten oder in Samarkhand oder Choresm oder Tabarestan (heutiges Mazanderan und Golestan am Kaspischen Meer) geboren waren – an den meisten Orten in der Islamischen Welt des 14. Jahrhunderts zugegen waren und wichtige Positionen besaßen.
Vom 10. bis zum 17. Jahrhundert nach Christus waren die Iraner in einigen afrikanischen Ländern aktiv präsent – unter anderem in Kenia, Abessinien, Zentralafrika und Sansibar und haben dort die iranische Kultur verbreitet. Zum Beispiel zeugen in Sansibar eine Moschee und Badehäuser im persischen Baustil davon.
Die Mongolen begannen im 13. Jahrhundert ihre Angriffe auf Iran. Anfangs ging es ihnen nur um Raubzüge und Zerstörung der Kultur. Sie richteten Blutbäder an und brachten die erbeuteten Güter in die Mongolei. Vor den Mongolen hatten alle fremden Angreifer vorgehabt, im Iran zu bleiben und sie haben bald nach der Eroberung Irans, die iranische Kultur übernommen. Aber die erste Phase des Mongolenreiches brachte der iranischen Kultur und den Iranern keine fruchtbaren Folgen, vielmehr erlitten die materiellen und kulturellen Ressourcen einen verheerenden Schlag. Die zweite Herrscherphase der Mongolen im Iran setzte ein, als Hülegü Chan, ein Enkel des Dschingis Khan, erneut mit seinen Truppen einmarschierte, um dieses Mal den Iran vollständig zu erobern. Dieses Mal blieben die Mongolen im Iran. Und dieses Mal haben iranische Positionsträger von Anfang an mit ihnen zusammengearbeitet, konnten hohe Ämter übernehmen und sogar bis zu einem Minister der mongolischen Ilchane aufsteigen. Ein Beispiel liefern Mitglieder der Dschuwani-Familie. In dieser Epoche gelangten die Iraner und die iranische Kultur durch die Mongolen auf chinesischen Boden. Die Familie der Dschuwani und Chadscheh Raschid ad din Fadlullah genossen eine hohe Stellung am Hofe der Ilchane im Iran und sie iranisierten die Mongolen mit der Zeit, sogar unter Einsatz ihres Lebens. Die iranischen Wezire und Sekretäre an der Seite der chinesischen Staatsdiener haben in den vom Mongolenführer Kublai Khan eroberten Gebieten in China die iranische Kultur verbreitet.
Laut historischer Belege, waren es die Iraner, die den Islam als Erste nach China brachten und die das Neupersische in China verbreiteten. Der Franzose Professor Schäfer ist der Überzeugung, dass die meisten Muslime in China von Iranern abstammen, die vor dem Mongolenreich auf eigenen Wunsch und während des Mongolenreiches zwangsweise dort ansiedelten.
Marco Polo verweist auch in seinem Reisebericht darauf, dass eine große Zahl von iranischen Gelehrten, Sekretären und Offizieren in China lebten und verschiedene Gegenden in diesem Land persische Bezeichnungen trugen.
Zur Ausdehnung des iranischen Kulturraumes haben, abgesehen von den militärischen Eroberungen der jeweiligen Herrscher, auch die iranische Gnostik und der iranische Sufismus beigetragen. Die spirituelle Wanderung der Gnostiker war immer mit langen Reisen zu ihren Zentren und ihren Lehrmeistern überall in der Islamischen Welt verbunden. Durch diese spirituelle und körperliche Mobilität der iranischen Sufis wurde ihre Erkenntnis und iranische Kultur übertragen.
Viele große Mystiker und Gnostiker aus dem Iran waren in einem Winkel des damaligen Irans geboren und an einem anderen Ort verstorben. Die Verbreitung des Islams auf dem indischen Subkontinent war nicht nur auf die militärischen Macht von Sultanen wie Mahmud und Emir Timur sprich Timur Leng zurückzuführen, vielmehr waren es vor allen Dingen die muslimischen Sufis und Sufi-Lehrmeister aus Iran. Ihnen gelang es mit ihrem spirituellen Einfluss und ihrer beeindruckenden Rede die Inder für den Islam zu gewinnen. Darauf werden wir noch zurückkommen.
Ebensowenig sind viele der iranischen Gelehrten und Religionsgelehrten in ihrem Heimatort verblieben sondern an Orte umgesiedelt wo die Bedingungen günstig für ihre Tätigkeit waren und die als Zentrum für Wissenschaft und Literatur galten. Beispiele liefern Tabari und Farabi (Alpharabius) oder auch Ibn Sina (Avicena) , die verschiedene damals bedeutende Städte aufsuchten und weit entfernt von ihrem Geburtsort verstarben und beigesetzt wurden.