In Iran gerühmt, in der Welt berühmt (31-Abu Said Abu`l Cheir -3)
Wir geben weiter einen Einblick in das Leben von Abu Said Abu`l Cheir, dem großen iranischen Mystiker, der im 10. und 11. Jahrhundert nach Christus gelebt hat und als erster iranischer Vertreter der Mystik-Dichtung gilt.
Ungefähr 100 Jahre nach dem Tod von Abu Said Abu`l-Cheir im Jahre 440 nach der Hidschra, 1048 nach christlicher Zeitrechnung, verfasste Dschamaluddin Abu Ruh ibn Abi Saad eine kurze Abhandlung über das Leben und die Art des Scheichs. Dieses erhalten gebliebene Werk ist in Neupersisch und trägt den Titel: Halat wa Sochanan Scheich Abu Said (Haltung und Aussprüche des Scheich Abu Said). Es ist in seiner Art das älteste Werk, denn aus der Zeit vor 541 liegt uns kein Buch auf Persisch vor, welches über die Scheichs der Sufismus geschrieben worden wäre. An diesem Buch ist zu sehen, dass Abu Ruh sowohl das Persische als auch das Arabische beherrschte. Dr. Schafii Kadkani hat dieses Buch überarbeitet und ist der Überzeugung, an einem vollständigen Exemplar dieses Buches ließe sich sein meisterhaftes literarisches Talent für Farsi und Arabisch und die Kultur seiner Epoche noch besser ablesen. Das Buch „Halat wa Sochanan Scheich Abu Said“ ist sowohl sprachlich, stilistisch als auch geschichtlich wertvoll und gibt einen zum Teil einmaligen Einblick in den iranisch-islamischen Sufismus und das Leben einiger Scheichs.
Auf der Grundlage des Buches von Abi Ruh, das wir eben erwähnte, schrieb Muhammad ibn Monawwar einer der Nachkommen von Abu Said Abu`l Cheir später eine noch ausführlichere Biografie über ihn, deren Titel wir bereits erwähnten, nämlich Asrar al Tauhid (Geheimnisse der Einheit). Das war vermutlich 574 nach der Hidschra oder 1178 nach Christus und in einer Zeit, in der Chorasan wegen dem Krieg und der unsicheren Lage, welche der Korruption der Ost-Seldschuken zugeschrieben wird, Zeuge von Not und Leid war und die Nachkommen von Scheich Abu Said Abu-l Cheir , dem iranischen Mystiker, in Mayhana ermordet wurden. Wo sie begraben liegen, ist nicht bekannt. Nur die Ruhestätte von Scheich Abu Said blieb bestehen. Das Buch Asrar al Tauhid ist in Wahrheit eine Biografie von Scheich Abu Said Abu`l Cheir und verdient von daher noch mehr Beachtung, dass diese Biografie in ihrer Art etwas Besonderes in der Farsi-Literatur darstellt.
Asrar al-Tauhid ist das erste Werk unter den wenigen Prosa-Werken der alten Farsi-Literatur, welches über einen Gnostiker geschrieben wurde. Dieses Buch handelt von den erstaunlichen Fähigkeiten des Abu Said, seinem Lebenswandel und dem Lebensstil seiner Schüler. Es enthält zugleich wertvolle Informationen über die Geschichte des fünften Jahrhunderts nach der Hidschra – dem 11. Jahrhundert nach Christus und das Religionsleben der Bevölkerung von Chorasan in dieser Zeit. Der Autor des Buches – Muhammad ibn Monawwar, ist ein Nachkomme des Abu Said und ihn trennen fünf Generationen von ihm, dennoch kann man ruhig davon ausgehen, dass die Zitate in diesem Buch mit denen von Scheich Said sämtlich zu mindestens inhaltlich identisch sind. Damals war im Islam die mündliche Überlieferung üblich und Zitate von Persönlichkeiten wurden unverändert von einer Generation an die nächste weitergegeben. Es gibt meistens keinen anderen Quellen um festzustellen, ob diese Zitate genauso waren. Der Schweizer Islamwissenschaftler Fritz Meier bringt in seinem Buch „Abu Said Abu -l Cheir – Wirklichkeit und Legende“ eine überzeugende Darstellung vom Scheich und seinen Schüler. Aber es scheint besser zu sein das Vorgehen des Scheichs und die Reaktion in seinem Umfeld aus psychologischer Sicht und der Gefahren für die Religion zu analysieren.
Im Asrar al Tauhid werden die Worte des Scheich Abu Said wiedergegeben und sein Leben beschrieben. Dieses Buch ist eines der besten historischen Dokumente über die damalige Gesellschaft Irans und die historische Entwicklung der Gnosis in unserem Lande, sowie der iranischen Sufi-Meister und Mystiker.
Asrar al Tauhid (fi Maqamat al Scheich Abu Said) ist zweifelsohne der bedeutendste mystische Prosatext. Abgesehen von seinem wertvollen Inhalt in Bezug auf Denkweise und Wandel der Sufis, ihre Sitten und ihre Beziehungen untereinander und nach außen, ist dieses Werk auch literarisch von Bedeutung. Die Erzählweise und Wortwahl und die Pflege alter originaler Worte und Reime unbekannter iranischer Dichter und vieles mehr macht Asrar al Tauhid zu einer wichtigen Quelle für die Farsi-Literatur.
Als sein Autor Muhammad ibn Monawwar 574 nach der Hidschra (1178 n. Christus ) damit begann, das Buch über seinen Vorfahren zusammenzustellen, waren 134 Jahre nach dem Tod von Abu Said ins Land gegangen. Aber auch in allen diesen Jahren waren die Aussprüche des Abu Said nicht in Groß-Chorasan Vergessenheit geraten. Denn er war ein anspruchsloser und aufrichtiger Mensch gewesen, der außergewöhnliche Fähigkeiten besaß. Die Sufis und Freunde und besonders die Verwandten des Scheichs hatten seine Zitate von Generation zu Generation weitergegeben.
Das Studium von Asrar al Tauhid zeigt, dass die Aussprüche und die Art des Scheichs dermaßen unter der mystischen Meistern und ihren Befolgern in jener Zeitepoche üblich waren, dass es sich erübrigt hätte sie aufzuschreiben. Daher ist davon auszugehen, dass das meiste, was Muhammad Ibn Monawwar über Scheich Abu Said berichtet oder von ihm zitiert, stimmt. Wenn es Unklarheiten gibt, so beziehen sie sich mehr auf die außergewöhnlichen Taten des Scheichs und nicht auf seine mystischen und weisen Botschaften.
Es ist durchaus natürlich, dass die Verehrer von herausragenden Persönlichkeiten, insbesondere wenn sie diese selber nur vom Hörensagen kennen, aufgrund der Vorstellung, die sie sich von ihr zurechtgelegt haben, Legendäres über diese Persönlichkeit berichten, um sein Ansehen noch mehr zu erhöhen.
Es lässt sich aber sagen, dass die Zitate des Scheich Abu Said, welche im Rahmen der Anekdoten angeführt werden hinsichtlich Wortwahl und Grammatik und Aufbau mit dem übereinstimmen, was der Scheich tatsachlich gesagt hat. Man beachte dass die Aussprüche des Sufi-Meisters zu seinen Lebzeiten und nach seinem Tode von seinen Anhängern mit Hadith gleichgestellt wurden, das heißt mit Worten, die vom Propheten und den Imamen überliefert sind. Auch bedenke man, dass seine Aussprüche von Generation zu Generation weitergegeben wurden, weil sie eine große Anziehungskraft und einen tiefen Inhalt besaßen. Außerdem lassen sich auch aus den Erzählungen im Asrar Al Tauhid Beweise für die Richtigkeit dieser Ansicht entnehmen.
Asrar al Tauhid zählt zu den schönsten und wertvollsten Prosatexten der Farsi-Sprache. Muhammad Ibn Monawwar hatte einen einfachen und klaren Schreibstil. Er vermied unnötige Ausschmückungen, dennoch waren seine Beschreibungen und Verbildlichen abwechslungsreich. Er berücksichtigte alle Stilelemente für eine gute Ausdrucksweise. Seine klare und einfache Sprache erinnert oft an ein vertrauliches Gespräch. Er benutzt nur Verben mit klarer Bedeutung.
Die Satzmelodie des Asrar al Tauhid ist zudem sehr angenehm.
Das Besondere an dem Werk Asrar al Tauhid besteht auch darin, dass die Erzählungen und Anekdoten aus dem Leben des Scheichs mit Gedichten von ihm geschmückt worden sind. Die Forscher, die sich mit Werken von Abu Said beschäftigt haben sind der gemeinsamen Ansicht, dass dieses Buch das beste Dokument für die Übertragung der Dichtung in Neupersisch aus der ersten Epoche und für den Beginn der Dichtung auf Dari-Persisch ist. Bei vielen Gedichten, die Abu Said zitiert hat, ist nicht klar, wer sie verfasst hat und sie stehen nur im Asrar al Tauhid. Ihr Stil ist so alt, dass es nicht den Anschein hat, dass eines von ihnen aus der Zeit nach dem 4. Jahrhundert nach der Hidschra stammt.
Hier ein Beispiel:
از واقعه ای ترا خبر خواهم کرد
وآن را به دو حرف مختصر خواهم کرد
با عشق تو در خاک نهان خواهم شد
با مهر تو سر زخاک بر خواهم کرد.
Ich will dir die Nachricht von einem Ereignis geben
Und sie in zwei Worte gebündelt dir geben
Mit der Liebe zu dir werde ich in der Erde verborgen worden sein
Und mit der Liebe zu dir werde ich mich aus der Erde erheben.
Es gibt noch ein drittes Werk über Abu Said Abu-l Cheir und enthält neu entdeckte alte Anekdoten über ihn und seine spirituellen Stufen. Dr. Schafii Kadkani hat dieses Buch überarbeitet und es mit Tschaschidan-e T`am Waqt („den Geschmack der Zeit kosten“) betitelt. Er erläutert in diesem Buch in der Einleitung was in der Mystik unter dem Begriff „Waqt“ – Zeit - speziell verstanden wird und welchen großen Wert Abu Said darauf legte, die Zeit zu kosten. Er erklärt auch weitere Begriffen wie Scharia (Gebote), Tariqat (Weg)und Haqiqat (Wahrheit), welche die Ausgangsbasis der Denkweise Abu Said sind. Wir werden darauf noch näher im nächsten und letzten Teil auf den Weg dieses iranischen Mystikers eingehen.