In Iran gerühmt, in der Welt berühmt (51 – Rumi)
Es geht auch heute um den weltberühmten iranischen Dichter Maulawi (Rumi). In seinem Leben trat durch die Begegnung mit einem Mystiker aus Täbriz eine große Wende ein.
Sie wissen, liebe Hörerfreunde: Maulawi (Rumi) hat im 13. Jahrhundert nach Christus gelebt, das war ihm 7. Jahrhundert nach der Hidschra und dem islamischen Mondkalender. Er war in Balch, welches damals zu Iran gehörte, auf die Welt gekommen, und sein Vater nahm ihn auf der Flucht vor den Mongolen mit auf eine lange Reise, die schließlich in Anatolien endete. Der Vater von Maulawi war ein angesehener Religionsgelehrte und nach seinem Tod trat auch Maulawi in seine Fußstapfen und lehrte an den theologischen Zentren im anatolischen Konya. Doch dann schloss er eines Tages mit Schams Tabrizi Bekanntschaft.
Dr. SchafiiKandani, Lyriker, Literaturforscher und Universitätsdozent ist wie zahlreiche Maulawi-Forscher der Überzeugung, dass Maulawi eine Wiedergeburt erlebte, als er Schams Tabrizi kennenlernte.
Schams ad din ibn Malik Tabrizi war eine gelehrige Persönlichkeit aus der Region des iranischen Aserbaidschans. Man weiß nichts Genaueres über sein Leben. Er wurde 1164 oder 1185 als Sohn eines Gelehrten in Täbriz geboren wurde und 1248 verstarb er. Über ihn hat Maulawi gesagt: „Schams Tabrizi, dich kennt nicht der Verstand sondern die Liebe.“
Ende des Jahres 642 nach der Hidschra – das war Ende Oktober 1244 - hatte sich Schams ad dinTabrizi (die Sonne von Täbriz) nach Konya begeben. Das Gespräch zwischen ihm und Maulana soll mit einigen interessanten Fragen und Antworten begonnen haben. 16 Monate lang trafen sich die beiden danach unentwegt bis der Dichter aus Täbriz 643 nach der Hidschra (1245) von Konya fortging.
Es liegen verschiedene Erzählungen über die erste Begegnung zwischen Maulawi und Schams vor, einige davon muten wie Märchen an. Wir können sie hier nicht anführen. Fest steht, dass die Bekanntschaft Maulawis mit Schams einen großen Wandel im Leben des Gelehrten aus dem iranischen Chorasan hervorrief. Maulawi war ein Gelehrter und mit der traditionellen Gnostik vertraut. Aber Schams gewann ihn für eine andere Art von Gnostik. Nach Ansicht von Dr. Sirus Schamisa, einem zeitgenössischen Literaturforscher und Universitätsdozenten Irans, empfand Maulawi diesen Wandel als Erreichen seiner Reife. Dabei beruft sich Schamisa auf folgendes Gedicht von Maulawi
حاصل عمرم سه سخن بیش نیست
خام بدم، پخته شدم، سوختم
Die Frucht meines Lebens waren der Dinge nur drei
Unreif war ich, wurde reif und geriet in Brand.
In seinem Buch „Stufe für Stufe zur Begegnung mit Gott“ vergleicht der Literaturkenner Zarinkub dieses Treffen mit Schams mit einem magischen Blick, der auf Maulawi fiel und das Leben dieses großen iranischen Rechtsgelehrten und Theologen in Konya auf wundersame Weise veränderte. Zarinkubsagt : „Für Maulana begann ein neues Leben; ein anderes Leben, welches einen Asketen und Prediger in einen Mystiker und Dichter und einen begeisternden Gottliebenden verwandelte.“
زاهد کشوری بُدم صاحب منبری بُدم
کرد قضا دل مرا عاشق و کف زنان تو
Der fromme Mann eines Landes war ich, Inhaber einer Kanzel war ich
Da schickte das Schicksal in mein Herz Begeisterung und Beifall für dich
Es heißt, dass Maulawi damals wie ein Schulanfänger Schams zuhörte und Stufe für Stufe die Leiter zur spirituellen Vervollkommnung emporstieg.
Was Schams den jungen Maulana lehrte, bewegte sich jenseits von alledem, was dieser bis dahin wahrgenommen und getan hatte. Er führte Maulawi erneut in die spirituelle Welt hinein, welche Maulawi als Kind in seinem Elternhaus kennengelernt hatte. Schams erinnerte ihn an die absolute Gottergebenheit und die Unabhängigkeit von allen weltlichen Abhängigkeiten. Schams war fest davon überzeugt, dass jede irdische Liebe und Vorliebe den Menschen daran hindert, in Gottes Nähe zu gelangen und den Weg zu ihm blockiert. Er sah in diesen Abhängigkeiten einen Schleier und sagte, solange dieser Schleier nicht beiseite weiche, sei eine Entwerdung in Gott – die höchste Nähe zu Gott – nicht möglich.
Dr. Zarinkub sagt:
„Maulawi hat sein Leben lang nach Allah und dem Reich der Verborgenheit gesucht und die Faszination, Gott zu erreichen hat ihn niemals losgelassen.“ Nach Ansicht von Dr. Zarinkub hat Maulawi in dem Wesen von Schams immer mehr den idealen Menschen erkannt und in ihm die eigenen Ideale verwirklicht gesehen.
Maulawi fühlte sich durch die Tätigkeit als Prediger und Theologielehrer in seiner spirituellen Suche behindert und so gab er diese Stelle auf. Stattdessen besuchte er intensiv die Versammlungen bei Schams. Bei einem Vergleich zwischen den Texten, die von Schams erhalten geblieben sind, und Werken von Maulawi wird deutlich, dass Maulawi (Rumi) einige Erzählungen, die Schams in seinen Vorträgen anführte, in seinem Mathnawi wiedergegeben hat. Außerdem haben Gedanken von Schams im Mathnawi oder in den Ghaselen Maulawis Widerhall gefunden.
Einige Schüler von Maulawi bedauerten es, dass Maulawi nicht mehr lehrte und keine Vorträge mehr hielt. Sie hegten Neid auf Schams und begannen ihm zuzusetzen. Sie gingen dabei so weit, dass Schams Konya verließ und mehr als ein Jahr fortblieb. Es wird berichtet, dass die Abwesenheit für Maulawi sehr tragisch war. Aus Kummer über das Fehlen Schams, soll er in dieser Zeit noch nicht einmal gedichtet haben. Er lehrte auch nicht und hielt keine Predigten. Die Anhänger und Schüler von Maulawi, die gehofft hatten, dass er wieder seine theologische Tätigkeit aufnimmt, klopften bei ihm zuhause an, mussten aber enttäuscht kehrt machen.
Maulawi schickte seine Helfer auf die Suche nach Schams. Sie fanden jedoch kein Zeichen von ihm. Endlich erhielt Maulawi einen Brief von Schams Tabrizi aus Damaskus. Da beauftragte Maulawi seinen Sohn, Sultan Walad, ihn dort ausfindig zu machen.
Schams kehrte nach Konya zurück, doch er war erneut Drangsalen ausgesetzt, so dass er 640 nach der Hidschra für immer verschwand. Danach hat man nichts mehr von ihm gehört. Es ging das Gerücht um, dass er erstochen worden sei und danach hieß es, man habe ihn in einen Brunnen geworfen. Doch Maulana glaubte nicht daran, dass er tot sei. Er suchte zwei Jahre lang nach ihm und reiste persönlich nach Damaskus um ihn dort zu suchen. Dr. Sirus Schamisa sagt:
„Als Maulawi die Hoffnung aufgab Schams in der materiellen Welt zu finden, begann er zwangsläufig in seinem Innern nach ihm zu suchen und es war dieses Gefühl, was ihn beruhigte.“
Die deutsche Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel hat in einem ihrer Werke über das Leben Maulawis nach Schams geschrieben:
„Maulana verbrachte seine Zeit mit dem Gebet, Gott-Dienen, Nachdenken und Debattieren und manchmal ging er auch zu den Sama`- Sitzungen – den spirituellen Tänzen - ... drei Phasen der Inspiration wiederholten sich im Innern Maulawis – Nachdem er die brennende und aufregende Erfahrung der Begeisterung von Schams du din erfahren hatte, fand er in dem, was Salah ad dinZarkub sagte, Frieden und Ruhe und dann führte ihn der Einfluss von Hisam ad dinTschalabi zu den höchsten Gipfeln des Denkens. So kehrte er, nachdem er den Pfad der Liebe von Schams Tabrizi emporgestiegen war und nach der Ruhe, die ihm aus der Freundschaft mit Zarkub zuteilwurde, in Gestalt eines Lehrers und Meisters ins Diesseits zurück ...“
Nach dem vielen Auf und Ab neigte sich das Leben Maulawis seinem Ende zu. Es war im Herbst 672 nach der Hidschra, 1273 nach Christus, dass er schwer erkrankte. Die Ärzte wussten nicht woran er litt und konnten ihn nicht heilen. Schließlich verstarb er am Sonntag, dem 5. DschumudiUchra 672, 17. Dezember 1273, im Alter von 68 Jahren.
Als sie am nächsten Morgen seine Leiche aus der theologischen Lehrstätte hinaustrugen, nahmen alle Persönlichkeiten und Bürger an den Trauerzeremonien teil. Eine Gruppe seiner Anhänger rezitierte aus dem Koran und eine andere Gruppe begleitete seinen Sarg mit dem melodischen Vortrag seiner Ghaselen. Es hatten sich so viele Menschen zu seinem letzten Geleit versammelt, dass es bis zum Abend dauerte, bis die Träger des Sarges die Grabstelle erreichten.
Allen in Konya fiel der Abschied von diesem eingewanderten Iraner schwer, der jahrelang unter ihnen gelebt und Kummer und Leid mit ihnen geteilt hatte. Die Hauptstadt der Rum-Seldschuken versank in wochenlanges trauriges Schweigen. Nicht nur die Muslime sondern auch die Christen und Juden in Konya betrauerten Maulawi, den bescheidenen und ehrlichen Dichter und Gelehrten aus Chorasan.
Sie werden auch im nächsten Teil über ihn erfahren.