Aug 23, 2021 05:02 Europe/Berlin

Die Menschen in Afghanistan wissen, was Krieg und Gewalt bedeuten. Aber sie sind nicht die einzigen, die von der Gewalt bedroht sind, sondern auch Kultur und Kunst in diesem Land sind in Gefahr.                   

 

                 

Die beiden Buddha-Statuen im zentral gelegenen Bamyan-Tal waren einmal die höchsten stehenden Buddha-Statuen auf der Welt, die eine mit einer Höhe von 56 und die andere mit einer Höhe von 35 Metern.  Aber vor 20 Jahren wurden sie im März 2001 von den Taliban zerstört.    


links: Buddha-Statue im Jahre 1963/rechts: ihr leerer Platz  2008 

 

Die Buddha-Statuen gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO und waren lange Zeit einer der wichtigsten Anziehungspunkte für Touristen in Afghanistan. Die kleinere Statue wurde 507 und die größere 554 nach Christus in den Felsen eingearbeitet. Ihre Anfertigung spiegelt den alten Stil buddhistischer -griechischer Kunst wieder,  welche damals in Mittelasien, so auch in Afghanistan, verbreitet war.

Bevor diese Statuen von den Taliban zerstört wurden, galt die große Buddha-Statue mit ihren 56 Metern als das größte steinerne Denkmal auf der Welt. Die beiden Statuen erinnerten einmal an die alte Geschichte dieses Landes und heute erinnern ihre Trümmer an die Herrschaft von Fanatismus.

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Heute, 20 Jahre nach diesem Kulturterror hat ein  Video des bekannten afghanischen Komödianten Chaschah Dschawan Kandahari die Erinnerung an diesen Gewaltakt und die Anfeindung von Kultur und Kunst neu aufgefrischt.  Dieses Video erschien als Erstes in den sozialen Medien. Es zeigt den gefangenen genommenen Chaschah Dschawan inmitten von bewaffneten Personen, von denen eine ihm eine Ohrfeige erteilt.

Zuvor hatten die Sicherheitsbehörden des Verwaltungsbezirkes Kandahar bekanntgegeben dass Chaschah Dschawan, der mit seinem bürgerlichen Namen Nazar Mohammad hieß , am 22. Juli, in seinem Haus in einer kleinen Ortschaft von Kandahar  von bewaffneten Männern festgenommen und am Freitag erschossen wurde. Gemäß lokaler Nachrichtenquellen  wurde später seine Leiche mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen gefunden.   Aber die Taliban haben, nachdem die Nachricht von seiner Erschießung veröffentlicht wurde,  behauptet, dass er bei einer Partisanenoperation getötet worden sei.

Nazar Mohammad war wegen seiner Satire unter der afghanischen Bevölkerung beliebt. Er war über 60 Jahre alt und hatte 40 Jahre lang mit seinen Scherzen die Menschen trotz der bitteren Lebensumstände  zum Lachen bringen können.  

Tausende von Menschen haben in den sozialen Netzen gegen die Erschießung von Nazar Mohammad reagiert und es als eine feige, menschenunwürdige Tat bezeichnet.

 

 

In Wahrheit hat Afghanistan in den letzten Jahren rasch einen langen Weg zurückgelegt. Als vorher die Taliban in Afghanistan herrschten, hatte  es weder Kunst, noch Medienfreiheit noch Meinungsfreiheit gegeben. Sogar das Fernsehen oder das Hören von Musik waren untersagt und wurden bestraft.  Wer in den Augen der Taliban ein Übeltäter war, dem wurde das Gesicht geschwärzt und er wurde in der Öffentlichkeit hingerichtet.

Nachdem das Taliban-Regime zu Ende war, veränderte sich die Situation schnell. Es entstanden viele Fernseh- und Radiosender, zahlreiche  Zeitschriften und Zeitungen erschienen und die Zahl der Nachrichtenagenturen nahm zu, womit wir nur einige Beispiele für die neue Kulturlandschaft  in Afghanistan genannt haben. In der Mehrzahl waren es junge Menschen, die in der afghanischen Medienwelt tätig wurden.

 Die neue Generation wuchs mit der Medienfreiheit auf. Sie  legt  Wert auf Meinungsfreiheit und auf die  Rolle der Medien für die Stärkung von Kunst und Kultur in diesem Land. Reporter und Medien genießen unter der Bevölkerung mehr Ansehen als andere, denn sie berichten auch unter den schwierigsten Bedingungen und aus abgelegenen Teilen Afghanistans.

Aber unter den aktuellen Bedingungen sind Reporter und Medien in diesem Land ernsthaft in Gefahr. Ihnen droht Gefahr seitens Terrorgruppen,  bewaffneter Unbekannter,  Drogenschmuggler und Verbrecherbanden.  Wegen dieser direkten Risiken haben zahlreiche Journalisten und Reporter ihren Beruf inzwischen aufgegeben.  Vielen Medien in diesem Land droht ohnehin der Bankrott und sie konnten schon seit Monaten nicht mehr ihre Angestellten bezahlen.

Das unbekannte Schicksal, das auf sie zukommt hat viele Reporter und afghanische Dolmetscher zur Flucht aus diesem Land und Asyl in anderen Staaten gezwungen.

Nazar Mohammad, bekannt als Chaschah Dschawan Kandahari, war ein populärer afghanischer Komödiant

 

Es ist beklagenswert, dass in Afghanistan die begabten und mutigen Mitarbeiter der  vielen  dynamischen und freien Medien die nach dem ersten Taliban-Regime geschaffen wurden,  seit längerem keine Sicherheit genießen, sondern bedroht oder sogar ermordet werden.

Am 3. Juni 2021 ist Mina Khairi , die Nachrichtenmoderatorin des Fernsehsenders Ariana News, in Kabul ums Leben gekommen. Sie war  in Begleitung ihrer Mutter und zwei Reisenden, als ihr Wagen bei der Explosion einer Bombe, die auf ihrem Weg deponiert worden war, zerstört wurde.  Schon zuvor, am 2. März 2021 waren drei weibliche Reporter  auf dem Heimweg  nach Dschalalabad in der Provinz Nangarhar von bewaffneten Unbekannten  erschossen worden. Schahnaz Raafi, Sudiya Saadat und  Morsal Wahidi arbeiteten für einen Privatsender.

Wie die AFJC – die afghanische Journalistenzentrale – meldete, sind im laufenden Jahr mindesten fünf in einem Medienberuf aktiv Tätige  umgebracht worden und im vergangenen Jahren waren es acht gewesen. Gemäß dieser Zentrale kamen seit 2013 insgesamt 89 afghanische Medienmitarbeiter auf gewaltsame Weise ums Leben.

Berichte aus diesem Land zeigen, dass sich die Bedingungen für die Medienmitarbeiter deutlich verschlechtert haben. Die Journalisten in vielen Teilen Afghanistans  fühlen sich angesichts der Ermordung von Mitarbeitern nicht mehr sicher. Ein Reporter, der für den  lokalen Radiosender der Provinz Helmand arbeitet, sagte: „Wir sind ständig der Gefahr ausgesetzt ins Visier genommen zu werden. In unserer Stadt, unserem Büro und sogar zu Hause fühlen wir uns nicht mehr sicher.“

Mina Khairi, Moderatorin des Nachrichtenkanals Ariani 

 

Reporter in Afghanistan laufen tatsächlich ernsthaft Gefahr, Ziel eines Terroranschlages zu werden und dies kann die großen Errungenschaften, die  nach der ersten Herrschaft der Taliban erzielt wurden, wieder vernichten. Was die Berichterstatter am meisten beunruhigt, ist,  dass diese Anschläge oftmals von Unbekannten verübt werden, und diese nicht bestraft werden.  Dies ist an sich schon ein Zeichen für die brüchige Sicherheitslage in diesem Land.

 Wie die statistischen Angaben zeigen, gab es in den letzten 12 Monaten zusätzlich zu den Medienmitarbeitern, die getötet oder verletzt wurden, noch 45 Fälle der Drohung, und 11 Fälle physischer Gewalt, 6 Festnahmen und 6 Entführungen von Reportern und Medienmitarbeitern sowie 4 Fälle eines bewaffneten Angriffs auf sie.  Den Mitgliedern der IS-Terrorbande wird die Ermordung von 2 Moderatoren, einem Techniker und einem weiteren Angestellten im Dienstleistungsbereich, den Taliban die Ermordung eines Berichterstatters sowie eines Kameramannes und den bewaffneten Unbekannten  der Mord an zwei Moderatoren vorgeworfen oder sie stehen zumindest deswegen unter Verdacht.

 

Der Leiter für Nachrichten und Kultur des Verwaltungsbezirkes Balch sagt, dass von den 7  Druckmedien, die in diesem Teil von  Afghanistan tätig waren, nur noch eines aktiv ist und die anderen wegen finanziellen Problemen und der fehlenden Sicherheit ihre Arbeit eingestellt haben.  Nadschib Scharifi, der Leiter des Sicherheitskomitees der afghanischen Journalistenzentrale hat erklärt, dass die Errungenschaften der letzten 20 Jahre  ohne  grundlegende und sinnvolle Maßnahmen  zur Bekämpfung der Probleme, wieder verloren gehen werden.  Daher hat diese Zentrale – die AFJC – im März 2021 zusammen mit anderen 40 Organisationen aus aller Welt in einem Brief an den UN-Sicherheitsrat  auf die Mordwelle an Journalisten in Afghanistan hingewiesen und Solidarität mit den Zeitungsreportern Afghanistans gefordert.  Anfang Juli haben außerdem die afghanischen Reporter selber ein Schreiben an den zu dem Zeitpunkt noch amtierenden Regierungspräsidenten Aschraf Ghani gerichtet und gefordert, dass die Regierung sich für  die Sicherheit der Journalisten einsetzt.

Dawa Khan Menapal

 

Leider gab es am 6. August 2021 einen weiteren tragischen Vorfall. An diesem Freitag  erfolgte  in den letzten Abendstunden die Meldung,  dass der Leiter des Nachrichten- und Medienzentrums  der afghanischen Regierung, Dawa Khan Menapal in Kabul einem Terroranschlag der Taliban zum Opfer fiel.  Menapal war als stellvertretender Sprecher des afghanischen Präsidialamtes Afghanistans tätig und hatte vor einigen Monaten die Leitung des staatlichen Nachrichten- und Medienzentrums übernommen.

 

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