So wird gesagt- Teil 23
In einer Höhle in den Bergen hauste eine Räuberbande.
Diese Halunken plünderten die Karawanen aus und teilten sich die Beute untereinander. Die Menschen in der Stadt wagten sich kaum noch auf den Weg zu einem anderen Ort. Schließlich beriet der Weisenrat über einen Ausweg . Er beschloss, dass sobald die Räuber ins Tal kommen um die nächste Karawane anzugreifen, einige kräftige Burschen sich im Gebirge verstecken sollten, im geeigneten Moment einen Überfall starten und die Banditen gefangen nehmen.
Die Räuber hatten sich wieder über eine Karawane hergemacht, sie ausgeplündert und die Beute in die Höhle geschleppt. In der Nacht stürmten die starken Männer aus der Stadt ihren Unterschlupf , fesselten die Räuber und schleppten sie in die Stadt vor den Gouverneur. Dieser gab Anweisung, sie alle zu töten.
Unter den Räubern aber war ein blutjunger Kerl. Es war der Sohn des Räuberhauptmanns.
Einer der Minister hatte Mitleid mit dem Jungen und bat den Gouverneur, ihm zu verzeihen. Er sagte: „Wenn wir ihn gut erziehen und behandeln, wird er sicherlich auf den rechten Weg gelangen.“
Der Gouverneur zweifelte daran und lehnte ab. Er sagte: „Dieser Bursche hat immer vom Stehlen gelebt . Er ist wie das Kind einer Schlange und wird uns alle beißen, wenn er groß geworden ist.“
Da versicherte der Wezir: „Er wird sich ändern, wenn wir ihn richtig erziehen. Es ist ja noch ein Kind und lässt sich zurechtbiegen.“
Die anderen stimmten zu und schließlich willigte auch der Gouverneur ein und sagte: „Gut ich verzeihe ihm. Aber in meinen Augen ist das ein Fehler.“
Der Wezir nahm den Jungen mit nach Hause und gab sich viel Mühe ihn zu einem guten Menschen zu erziehen. Es war ein begabtes Bürschchen, das zügig Wissen und gute Manieren erlernte. Der Wezir berichtete ständig dem Gouverneur von seinen Tugenden, doch dieser lächelte nur und sagte: „Ein Wolfskind wird Wolf, auch wenn es bei einem Menschen aufwächst.“
Es vergingen einige Jahren. Da knüpften einige Räuber mit dem jungen Mann eine Freundschaft an, sie redeten viel auf ihn ein und sprachen sehr verlockend .. Der Wezir ahnte jedoch von nichts. Er mochte diesen Knaben immer mehr und liebte ihn wie seinen eigenen Sohn. Aber da beging der junge Busche Verrat an ihm. Er tötete den Wezir und seine beiden Söhnen, riss all sein Habe an sich und ging in die Berge zu den Räubern.
Die Geschichte die Sie hörten, stammt aus dem Golestan von Saadi. Nun aber kommt unser Sprichwort an die Reihe. Auf Farsi hört es sich wie folgt an: Asch nachorde wa dahan Suchteh.
In der Geschichte, die nun folgt, geht es um dieses Sprichwort, dass wir zum Schluss übersetzen.
Ein Kaufmann hatte eine Frau, die eine ausgesprochen gute Köchin war. Der Eintopf, den sie mit Kräutern , Hülsenfrüchten und getrocknetem Joghurt usw. zubereitete, schmeckte einmalig. Die Familie und Freunde des Kaufmanns sehnten sich nach einer Einladung, um wenigstens einmal im Leben diese herrliche dicke Suppe seiner Frau zu kosten. Langsam erfuhr die ganze Stadt von dem leckeren Eintopf und allen war das Wasser im Mund zusammen gelaufen. So versuchten sie, sich mit dem Kaufmann anzufreunden oder mit ihm einen Handel abzuschließen. Aber auch die Verwandtschaft war nicht faul, behandelte ihn ausgesprochen freundlich und hoffte zu einer Schüssel mit jener legendären Suppe zu ihm nach Hause eingeladen zu werden.
Der Kaufmann hatte einen Lehrling. Der besaß nicht viel von dieser Welt, aber er schmeichelte sich auch bei niemandem ein, schon gar nicht wegen einer Portion Suppe. Sein Arbeitgeber hatte ihn schon mehrmals wegen einer Arbeit zu sich nach Hause eingeladen, aber der Lehrling war immer unter irgendeinem Vorwand nicht hingegangen.
Eines Morgens wachte er mit Zahnschmerzen auf. Trotz heftigen Zahnwehs machte er sich auf den Weg zum Kaufmannsladen, fegte und putzte wie immer den Gehsteig vor dem Laden, setzte Tee auf und wartete auf den Kaufmann. Aber der kam nicht. Es war beinahe Mittag, als ein Nachbar des Händlers herbeieilte und dem Lehrling berichtete, dass es dem Händler nicht gut geht. Er solle den Laden schließen und einen Arzt zu seinem Meister hinbringen.
Der Lehrling schloss schnell das Geschäft , suchte eilig den Arzt auf und ging mit ihm zum Haus des Kaufmanns. Er machte sich Sorgen um den Händler und vergaß, dass es schon Mittags ist und man um die Mittagszeit keine Besuche macht. Beim Eintreten sah er den Kaufmann stöhnend auf dem Bett ausgestreckt. Der Arzt untersuchte ihn, verschrieb etwas und händigte dem Lehrling das Rezept aus. Der rannte zum nächsten Kräuterhändler und beschaffte die Arznei. Als er wieder zurück war, war der Arzt schon gegangen und die Frau des Kaufmanns hatte bereits das Essenstuch zu Mittag ausgebreitet. Der Lehrling sah: wenn ihm nun Essen angeboten wird, kommt er nicht darum herum, die Einladung anzunehmen, was er aber nicht wollte. Er brachte diese und jene Ausrede aber die Frau des Kaufmanns sagte nur: „Das geht nicht, ich lass dich nicht wieder gehen, bevor du nicht etwas zu Mittag gegessen hast!“
Der Lehrling setzte sich also ans Essentuch. Da kam die Frau das Kaufmanns auch schon mit einer großen Schüssel angefüllt mit einer duftenden Suppe herbei. Der Händler lugte unter der Steppdecke hervor und munterte seinen Lehrling auf: „Iss von dieser Suppe. Sie ist einmalig!“
Dann zog er sich die Decke wieder über den Kopf. Aber der Lehrling wollte nichts von der Suppe essen. Plötzlich fiel ihm ein, dass er doch morgens Zahnschmerzen gehabt hatte, und das Zahnweh ein gutes Alibi zum Weggehen sein könnte. Er presste also die Hand auf den Mund, verzog das Gesicht und wartete nur darauf, dass sein Arbeitsherr wieder unter der Decke hervorschaut.
Die Frau des Kaufmanns kam mit Löffeln und Suppentellern zurück. Sie rief ihren Mann, er solle aufstehen und essen kommen. Der Kaufmann schaute wieder unter der Decke hervor und gleich fiel sein Blick auf das scheinbar schmerzverzerrte Gesicht seines Lehrlings und er rief: „Hast du dir den Mund verbrannt?! Du hättest doch warten können, bis die Suppe etwas abkühlt !“
Seine Frau war verärgert und sagte: „Was sagst du da ? Er hat doch noch gar keine Suppe gegessen, wie kann er sich da den Mund verbrennen.? Ich habe doch jetzt erst Löffel und Teller gebracht. Er hat noch gar nichts gegessen, dass er sich den Mund hätte verbrennen können!“
Nun war der Lehrling wirklich beleidigt. Er stand auf entschuldigte sich und sagte: „Ich habe Zahnschmerzen. Wenn ich nächstes Mal ihr Gast bin, warte ich bis die Suppe kalt ist.“ Mit diesen Worten ging er.
Da begriff der Kaufmann, dass er seinem Lehrling Unrecht getan hatte. Seitdem sagt jemand, der von anderen einer Sache bezichtigt wird, obwohl er unschuldig ist, über sich selber: Asch nachordeh wa dahan suchteh: Ohne Suppe zu essen, den Mund verbrannt.