Mrz 23, 2016 18:14 CET

Der letzte Abschnitt des diesseitigen Lebens und zugleich erste Abschnitt des jenseitigen Lebens ist Ihtidhar. Mit Ihtidhar wird der Augenblick des Todes und Übergang von dieser in die nächste Welt bezeichnet.


 Jemand der im Begriff ist zu sterben, wird Muhtadhar genannt. Im Augenblick des Todes ist der Mensch sich sicher dass er sterben wird und seine Hoffnung auf das diesseitige Leben bricht ab. Er erblickt im Augenblick des Ihtidhar nichtstoffliche Dinge, wie den Todesengel. Allerdings sieht er diesen nicht mit dem körperlichen Auge und daher können die anderen, die bei ihm am Sterbebett sitzen, dieses Wesen nicht erblicken. Dieses Sehen ähnelt dem Träumen, bei dem sich der Mensch in einem besonderen Zustand befindet.

Im Augenblick des Todes quält den Menschen einerseits die Trennung von seinen Lieben und alles ihm Vertrauten, und er empfindet mit seinem ganzen Sein die Vergänglichkeit der Welt. Und zugleich zieht der Tod ihn langsam herüber und seine große Aufmerksamkeit für das Diesseits und die Menschen in ihm lässt nach. Der Mensch sieht sich in diesem Augenblick dem Jenseitigen und dann wieder dem Diesseitigen gegenüber. Dieser Zustand ist sakrat-ul Maut – die Benommenheit beim Sterben und für jeden schwer zu ertragen. Imam Ali sagt über ihn:

„Denn wahrlich, der Tod bringt Zustände der Benommenheit mit sich, die zu grauenhaft sind, um von einer Beschreibung erfasst oder mit dem Verstand der Bewohner des Diesseits angemessen wahrgenommen zu werden.“

(Nahdsch-ul Balagha, Ansprache 221)

Im Koran werden die Menschen gemahnt, dass alle ein solcher Augenblick erwartet. Im Vers 19 der Sure Qaf(50) heißt es:

"- und es kommt die Benommenheit des Todeskampfes mit der Wahrheit (und dem Menschen wird gesagt: `Das ist es, dem du zu entrinnen suchtest.`"

Beim Herantreten des Todes weichen immer mehr die Schleier vor den Augen des Menschen und in diesen Momenten wird die Aufmerksamkeit des Menschen mehr als zu jedem anderen Zeitpunkt auf die Realität seiner Taten und seiner Wünsche gelenkt. Sein Blickfeld weitet sich und seine Taten und das Leben, das hinter ihm liegt, ziehen an ihm vorbei. Wehmut und Reue ergreifen ihn, aber leider sind alle Chancen zu Ende und der Tod erfasst ihn immer mehr.

Ein Sterbender sieht nicht nur das Diesseits sondern auch etwas vom Jenseits, zum Beispiel seinen Platz im Paradies der Zwischenwelt (Barzach) bzw. in deren Hölle. Von Imam Sadiq (gegrüßet sei er) wissen wir, dass der Gläubige, wenn ihm sein Platz im Paradies der Zwischenwelt gezeigt wird, die Engel fragt, ob er dies seiner Familie sagen darf. Aber sie antworten, dass keine Gelegenheit mehr dafür übrigbleibt.

Der im Sterben Begriffene sieht den Malik ul Maut – den Todesengel, oder die Engel, die ihm untertan sind. Laut Überlieferungen wird der rechtschaffene Gläubige von den Engelsboten der göttlichen Gnaden begrüßt und ihm wird frohe Botschaft verheißen. Ist der Sterbende jedoch einer von jenen, die sich mit ihren Taten die Strafe Gottes eingehandelt haben, wird gleich von diesem Augenblick an mit ihm grob verfahren und seine Bestrafung beginnt.

                 

Für den Sterbenden läuft das Leben mit allen Höhen und Tiefen wie ein Film vor ihm ab. Die strahlenden Höhepunkte in seinem Leben, die er rechtschaffenen Taten zu verdanken hat, werden ihm einen unvorstellbaren Genuss bescheren. Und demgegenüber bereiten ihm die düsteren Abschnitte in seinem Leben, die durch Sünden entstanden, großen Kummer und Schwermut.

Der Mensch wird in diesem Augenblick übrigens alle Details seiner Taten und seines Verhaltens und sogar seine Absichten sehen. An dieser Stelle könnte jemand fragen,wie es möglich ist, dass er die 70 oder 80 Jahre, die er gelebt hat in einem Augenblick vor Augen hat? Sind nicht für einen Film von 70 Jahren mindestens 70 Jahre nötig, um ihn sich anzuschauen?

Die Antwort lautet, dass die Zeit im Reich des Barzachs anders und viel schneller abläuft, als in der diesseitigen Welt. Der Heilige Koran berichtet über einige Bewohner des Barzachs, der Zwischenwelt . Wenn sie am Jüngsten Tag gefragt werden, wie lange sie in dieser Barzach waren, werden sie laut Koran (Sure Muminin (23) Verse 112 und 113) sagen: „Einen Tag oder den Teil eines Tages“. Ähnlich ist auch das Gespür für Zeit anders, wenn der Mensch schläft.

Wie gesagt, sieht der Mensch in dem besonderen Zustand des Sterbens das gesamte Leben vor sich und empfindet große Freude bzw. große Pein.

Ein anderer Aspekt des Sterbens ist der Anblick der Satane. Da der Sterbende sich in der letzten Phase des Diesseits befindet und Satan in der Zwischenwelt nach dem Tod nicht mehr an ihn herankann, versucht er im letzten Moment durch seine Zuflüsterungen, den Glauben im Menschen zu vernichten, nachdem er zu Lebzeiten des Gläubigen vergeblich danach bestrebt war, ihn vom Glauben abzubringen. Wenn ein Mensch als Gläubiger die Welt verlässt, dann sind alle Bemühungen Satans, ihn zu verführen umsonst gewesen. Satan setzt deshalb noch einmal im letzten Augenblick alle seine Mittel ein, um den Glauben eines Sterbenden doch noch zu zerstören. Dabei scheitert er, wenn der Mensch den Glauben verinnerlicht hat. Ist allerdings die Überzeugung des Sterbenden nicht fest und hat er im Leben jedes Mal schnell seinen Glauben aufgegeben, wenn er in einen Engpass geraten war, dann wird Satan in dieser letzten Phase des Lebens triumphieren. Imam Sadiq (gegrüßet sei er) sagt: „Es gibt niemanden, für den Iblis, kurz vor seinem Tod, nicht einen seiner Satane bestimmt, damit er ihn zum Unglauben verleitet und Skepsis in seinem Glauben hervorruft. Aber jemand, der wirklich gläubig ist, wird nicht von ihm beeinflusst werden können.“ (Furu`Kafi)

Satan nutzt den schwachen Glauben von Menschen aus, um sie auf Abwege zu leiten. Jede Abweichung vom Glauben und jeder Aberglaube öffnet Satan ein Türchen zur Seele des Menschen und für seine Einflüsterungen. Wir müssen also um einen festen Glauben bemüht sein, an den Satan nicht herankann.

Der Prophet Gottes (Segen sei ihm und der Friede sei seinem Hause) hat laut einer Überlieferung gesagt: „Seit zugegen bei euren Verstorbenen und flößt ihnen La ilaha illallah - Es gibt keinen Gott außer Allah - ein. Verheißt ihnen das Paradies, denn selbst die geduldigen Männer und Frauen werden auf dieser Szene verwirrt und Satan ist dem Menschen beim Tod mehr als zu jeder anderen Zeit nahe.“( aus Kitab Kanz ul Amal)

Satan bahnt sich auch über die verwerflichen Taten und Eigenschaften einen Weg. Jede schlechte Eigenschaft, wie Geiz, Neid, Misstrauen, Stolz usw. ist wie ein Fleck, wo Satan seinen Fuß hinsetzen kann. Es ist wie ein Türchen, durch das er in das Wesen des Menschen vordringt. Die Sünde ist ebenso ein schwacher Punkt, der Satan die Herrschaft über den Menschen erlaubt, insbesondere wenn jemand an einer Sünde festhält und sich daran gewöhnt hat zu sündigen.

Aber auch große Liebe zum irdischen Leben öffnet Satan eine Luke zur Irreleitung des Menschen. Satan setzt bei dieser Liebe zum Diesseits an, um die Zügel in die Hand zu nehmen. Wenn jemand zum Beispiel seine Kinder über alles und mehr als Gott liebt, dann droht Satan ihm im Augenblick des Sterbens: „Entweder wirst du ungläubig oder ich töte dein Kind!“

Von Imam Sadiq (e) wird berichtet, dass er gesagt hat: Wenn ihr zugegen seid, wenn jemand stirbt, dann flößt ihm das zweifache Glaubensbekenntnis ein (Bekenntnis zur Einheit Gottes und zur Prophetschaft Mohammads). Es heißt auch ausdrücklich, dass man zur Erleichterung des Sterbenden für ihn die Suren Ya-Sin(36), Saffat (37 )und Ahzab (33) oder die die Thronverse (2:255-257 ) oder überhaupt soviel wie möglich aus dem Koran verlesen soll, zum Beispiel die Sure 36.

Im Leben eines Gläubigen sollen seine Furcht und Hoffnung sich die Waage halten. Er soll sich wegen seiner Taten und vor der Strafe Gottes fürchten und zugleich auf Gottes Barmherzigkeit hoffen. Aber gemäß einer Anzahl von Überlieferungen soll er beim Tod nur noch hoffen, denn Gottes Gnade ist grenzenlos und unseren Sünden sind begrenzt. Es heißt in den Überlieferungen: „Flößt dem Sterbenden den Gedanken an Gottes Barmherzigkeit ein und den Gedanken daran, dass er zu dem Sterbenden gnädiger ist als seine Eltern.“ Laut Überlieferungen erscheinen dem sterbenden Gläubigen die Edlen Imame aus dem Hause des Propheten – Segen sei auf ihm und seinem Hause“ und helfen ihm in den schweren Augenblicken des Sterbens. Außerdem verheißen ihm die Engel Gottes die frohe Kunde vom Paradies und dem göttlichen Segen und bereiten ihm Freude.“