Islam richtig kennenlernen (177 - Regierung während der Verborgenheit notwendig)
Es geht auch heute um die Beschreibung einer Regierung in der Ära der Verborgenheit
Ein Grund für die Notwendigkeit der Existenz einer Islamischen Regierung während der Zeit der Verborgenheit besteht darin, dass der Islam und seine Gesetze keiner örtlichen und zeitlichen Begrenzung unterliegen. Der Islam ist eine universale Religion für alle Epochen und Generationen. Wir sagten, dass die Gesetze nicht verfallen und genauso wie zu Lebzeiten des Propheten auch zur Zeit der Verborgenheit, die Bildung einer islamischen Regierung notwendig ist, da sich sonst nicht alle islamischen Gesetze durchführen lassen.
Die Art der Islamischen Gesetzgebung macht in sich schon die Bildung einer Regierung erforderlich. Die Islamische Gesetzgebung umfasst viele verschiedene Regeln und Bestimmungen, die sich zu einer ausgewogenen, auf dem Koran und der Vorgehensweise des Propheten beruhenden Rechtsordnung zusammenschließen. Die Menschheit bedarf für ihr vollendetes Wohl der Grundlagen und Konzepte, die diese Rechtsordnung enthält. Die Rechts- und Gesellschaftsordnung des Islams schenkt allen Angelegenheiten im Leben Beachtung – von den Privat- und Familienangelegenheiten bis zu den Regeln für Krieg und Frieden und den freundlichen Beziehungen zu anderen Völkern, ebenso wie von den Strafregelungen bis zum Handelsrecht oder Bestimmungen für Produktion und Landwirtschaft. Bei näherer Betrachtung wird schnell ersichtlich, dass die Durchführung vieler dieser Regelungen die Bildung einer Regierung unabdingbar werden lässt.
Zu den Dingen, die die Bildung der Islamischen Regierung außerdem erforderlich macht, gehört, dass die Muslime auf feindliche Angriffe vorbereitet sein müssen. Die Konfrontation mit einem Aggressor und der Schutz der Grenzen sind nur bei Bildung einer Regierung möglich. In dem Vers 60 der Sure 8 (Anfal) wird eindeutig die Kampfbereitschaft der Muslime gegenüber Feinden eingefordert. Und zwar heißt es dort
„Und haltet für sie bereit, was ihr an Kraft und an kampfbereiten Pferden (haben) könnt, um damit den Feinden Gottes und euren Feinden Angst zu machen, sowie anderen (Feinden) außer ihnen, die ihr nicht kennt; Gott aber kennt sie! Und was immer ihr auf Gottes Weg ausgebt, wird euch in vollem Maß zukommen, und es wird euch kein Unrecht zugefügt.“
Es leuchtet in keiner Weise ein, dass die Muslime gegenüber Angriffen von expansionistischen Mächten auf ihre Länder keine Initiative ergreifen und sich nicht entsprechend auf solche Angriffe und zu ihrer Verteidigung vorbereiten sollten. Wenn die Muslime ausreichend auf eine Offensive vorbereitet sind, werden die Feinde es nicht wagen sie anzugreifen. Aber anderenfalls können sie keinen Widerstand leisten. An der eben genannten Stelle im Koran werden die Muslime angewiesen sich in jeder Hinsicht gegenüber den Feinden zu wappnen.
Der Prophet und die Imame aus seinem Hause haben optimal nach diesem Grundsatz gehandelt. Im oben genannten Vers erklärt Gott auch weshalb die Muslime immer optimal auf die Verteidigung vorbereitet sein müssen, nämlich zur Präventive – um den Feind einzuschüchtern. Es heißt ja: „um damit den Feinden Gottes und euren Feinden Angst zu machen.“ Mit der militärischen Bereitschaft wird auf keinen Fall das Ziel verfolgt andere Völker auszuplündern, ihnen menschliche Verluste zuzufügen und ihre Städte zu verwüsten.
In Wahrheit geht es also darum den Feind von Angriffen auf die Muslime und ihre Länder abzuhalten. Der islamische Staat muss demnach nach besten Kräften sein Land auf die Verteidigung gegenüber Feinden vorbereiten. Er muss Kräfte rekrutieren und ordnen, militärische Bereitschaft erzielen, für die beste militärische Ausrüstung sorgen und laufend Militärübungen durchführen lassen. Eine solche Verteidigungsbereitschaft zur Vorbeugung von feindlichen Angriffen erfordert erneut die Bildung einer starken Regierung und geregelte Exekutivorgane.
Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass die Verteidigung der Entrechteten ebenso ein Grund für die Bildung einer Regierung ist. Der Islam bekräftigt die Abwehr des Übels der Unterdrücker und die Unterstützung der Unterdrückten und Entbehrenden.
Imam Ali (F) hat gesagt, dass er nicht das Amt des Kalifen akzeptiert hätte wenn nicht Gott von den Wissenden das Versprechen abgenommen hätte, nicht gegenüber dem Elend Hungernden und Unterdrückten zu schweigen.
Für die Freunde Gottes ist das Regieren selbst nicht das Ziel. Sie wollen nicht regieren um die Menschen auszubeuten, Macht zu demonstrieren und Willkür walten zu lassen. Sie wollen nur deshalb Macht ausüben können, damit sie den Entbehrenden und Unterdrückten zur Hilfe eilen und verhindern, dass einige sich an dem Volkseigentum vergreifen oder die Rechte der Menschen verletzen. Anderenfalls ist für sie das Regieren wertlos.
Es gibt einen weiteren Grund weshalb die Bildung einer Islamischen Regierung notwendig wird, nämlich die Finanzregelungen im Islam. Die Steuern, die der Islam fordert sind nicht nur dazu bestimmt, die Bedürfnisse der Armen damit zu decken, sondern ein großer Teil davon dient darüber hinaus der Verwaltung des Landes und der Deckung der Ausgaben des Staates. Ein Beispiel ist Khums. Khums ist ein Fünftel von dem jährlichen Gewinnrest. Gemäß schiitischer Rechtsschule wird für den Gewinn aus Produktion und Handeln und den Ressourcen unter der Erde und an der Oberfläche und allgemein für alle Erträge Khums erhoben. Das große Einkommen aus Khums dient nicht zur Deckung der Bedürfnisse einer besonderen Bevölkerungsgruppe sondern wird auch für die Beseitigung der Probleme des Islamischen Staates und Behebung von Mängeln verwendet.
Das gleiche ist bei der Charadsch-Steuer für Grundstücke der Fall. Die islamischen Rechtsgelehrten erklären die Zahlung dieser Steuern für einige Grundstücke, insbesondere solche die bei Eroberungen oder bei Schlichtung mit Nicht-Muslimen in den Besitz der Muslime geraten sind, als notwendig. Für den Einzug der islamischen Steuern sind also staatliche Einrichtungen erforderlich. Die Beamten der Islamischen Regierung sind damit beauftragt diese Steuern in Empfang zu nehmen und für das Allgemeinwohl zu verwenden.
Einige Finanzregeln des Islams sind also nur durch Organe einer islamischen Regierung verwirklichbar.
Insgesamt gesehen wird deutlich, dass die Gründung einer Islamischen Regierung während der Zeit der Verborgenheit des Imams der Zeit (F) wichtig und notwendig ist. In wessen Hand soll jedoch diese Regierung in dieser Zeit liegen?
Wer sich ein bisschen in der Überlieferung auskennt weiß , dass in der Zeit der Verborgenheit die Lenkung und Führung der Islamischen Regierung Aufgabe eines Faqih – eines Rechtsgelehrten - ist, der sich im Islam auskennt und zeitbewusst ist -. Eine solche Person wird Wali Faqih genannt und der Begriff Wilayat Faqih bedeutet, dass die Islamische Gesellschaft durch einen gerechten und gelehrigen Faqih verwaltet wird.
An dieser Stelle sollten wir nun noch kurz auf einige Eigenschaften eines Wali Faqih hinweisen.
Zweifelsohne ist die Verwaltung der Islamischen Gesellschaft und die Durchführung der Gesetze der Religion eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Ein Islamischer Regent muss sich also sehr gut in der islamischen Jurisprudenz auskennen. Er muss diese Gebote umsetzen und den Koran auslegen können. Also muss er gelehrig genug sein. Er muss in der Lage sein entsprechend der Erfordernisse seiner Zeit auf wissenschaftlichem Wege die islamkonformen Regelungen aus den Quellen, insbesondere aus dem Koran, der Vorgehensweise des Propheten und aus dem Konsens der Rechtsgelehrten ebenso wie auf der Grundlage der Vernunft abzuleiten.
Mit anderen Worten muss ein Wali Faqih ein derartiger Experte in religiösen Fragen sein, dass er den Standpunkt des Islams zu jedem neuen Problem und zu jeder neuen Erscheinung ableiten und wenn notwendig umsetzen kann.
Imam Ali (F) sagt: „Ihr Menschen! Derjenige von den Menschen ist am besten für das Kalifat geeignet, der der fähigste unter ihnen ist und das meiste Wissen in Bezug auf die Gebote Gottes in Angelegenheiten, die das Regieren betreffen, besitzt.“
Der Wali Faqih übernimmt die Aufgabe der Führung der Gesellschaft. Er muss sich nicht nur in den Lehren der Religion auskennen und die notwendige Weitsicht und Erkenntnis besitzen, sondern er muss auch auf privater und gesellschaftlicher Ebene nach seinem Wissen handeln. Es ist eine Voraussetzung eines gerechten Rechtsgelehrten, dass er seinen religiösen Pflichten treubleibt und sich nicht von seinen egoistischen Wünschen leiten lässt. Er darf nicht sündigen und nicht Unwürdiges tun und keine der Religionspflichten aufgeben, denn jemand der seinen egoistischen Wünschen folgt, der hat diese in Wahrheit zu seinem Gott gemacht. Eine solche Person besitzt nicht die Kompetenz zur Führung und Rechtleitung der Gesellschaft. Ein Wali Faqih muss rein sein von hässlichen Eigenschaften wie Geiz, Neid, Gier, Trägheit, Aggressivität und List. Denn alle diese Eigenschaften sind sowohl für ihn selber schädlich als auch für die Gesellschaft.
Der Wali Faqih muss also im Gegenteil lauter Vorzüge besitzen, er muss eine wissenschaftliche Kapazität und gerecht sein, muss Gottesfürchtigkeit und die Fähigkeit zur Lenkung aufweisen, er muss mutig sein, die Erfordernisse seiner Zeit kennen und einen festen politischen und sozialen Standpunkt vertreten und stark genug für die Führung sein. So Gott will werden wir das Thema beim nächsten Mal fortsetzen.