Oct 06, 2019 03:53 CET

Wir wenden uns einem weiteren wichtigen Abschnitt im Leben des Imam Ridha, dem achten Imam aus dem Hause des Propheten, zu. 

 

Imam Ridha (Friede sei mit ihm)  war entgegen seinem Willen von dem Abbasidenkalifen Mamun gezwungen worden, von Medina auf der Arabischen Halbinsel nach Merw im damaligen Nordostiran umzusiedeln. Unterwegs klärte er die Bevölkerung auf. Sehr bekannt ist das Heilige Hadith, welches von fast 4000 -  nach einigen 20 Tausend Personen überliefert wurde, die es in Neyschabur, nahe bei Merw hörten. Wir haben es beim letzten Mal genannt und zwar folgendes Wort Gottes:

„Das Wort `La ila illallah-`Es gibt keinen Gott außer Allah` ist Meine Festung, und wer diese Worte spricht, der hat Meine Festung betreten und wer Meine Festung betreten hat, der ist vor Meiner Strafe sicher.“  Diesem Hadith hat der 8. Imam noch hinzugefügt:

„Aber das Betreten der unbesiegbaren Festung von Tauhid setzt Bedingungen voraus und eine davon bin ich.“

Damit wollte er sagen, dass die muslimische Gesellschaft einen  rechtmäßigen Imam an der  Spitze der Regierung braucht und dass das Kalifat des herrschenden Abbasiden Mamun nicht rechtmäßig ist.

 

                 

 

 

Die Karawane Imam Ridhas (F) traf am 10. des Monats Schawwal im Jahre 201 nach der Hidschra - ungefähr 817 nach Christus  - am Regierungssitz des Mamun in Merw ein. Mamun und seine Minister und viele der Nachkommen des Prophetenonkels Abbas aber auch Anhänger Imam Alis kamen dem Imam schon einige Kilometer vor Merw zum Empfang entgegen.  Mamun begann einige Tage nach Eintreffen Imam Ridhas in Merw seine Gespräche mit ihm. Um die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen, machte er dem Imam den Vorschlag, dass er das Kalifat übernehme.  Aber der achte Imam erkannte seine heuchlerischen Absichten und sagte zu ihm: „Wenn das Kalifat dir zusteht, kannst du dieses göttliche Gewand nicht abstreifen und einem anderen anlegen, und wenn es dir nicht gebührt und nicht gehört,  wie willst du dann mir etwas, das dir nicht gebührt und nicht gehört, schenken?“ (aus Tarich-i al Schia, S. 2-51)

 

Da drohte Mamun dem Imam, er habe keine andere Wahl und müsse seinen Vorschlag akzeptieren. Aber Imam Ridha (F) lehnte ihn erneut ab.

 

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An dieser Stelle könnten einige die Frage aufwerfen, warum der Imam diese Gelegenheit nicht genutzt und die Übernahme des Kalifats von Mamun nicht akzeptiert hat. Die Antwort lautet:

Erstens durchschaute  Imam Ridha (F) Mamun und sah voraus, dass dieser eine Übernahme des Kalifats durch den Imam zu seinen eigenen Gunsten und zum Schaden des Imams ausnutzen würde. Zu den Zielen des Mamun, die er mit dieser Machtübergabe verfolgte, gehörte, dass er die Aufstände der Anhänger Imam Alis gegen Unterdrückung und Heuchelei der Abbasiden beilegt. Er wollte überhaupt die Allgemeinheit beschwichtigen, welche die Benachteiligungen, Unterdrückungen und Verbrechen der abbasidischen Herrscher leid war, und die Gefahren für seine politische Position und Interessen beseitigen.    Außerdem verfolgte er das Ziel, dem unrechtmäßigen Kalifat der Abbasiden Legalität zu verleihen. Zudem hatte er vor, dem Volke zu suggerieren, dass der Imam nach Macht strebe, um auf diese Weise der Popularität Imam Ridhas (F) zu schaden.

 

Ganz abgesehen von diesen Dingen, die die Macht von Mamun stabilisiert hätten, hatte Imam Ridha nicht die bitteren Erinnerungen aus der Zeit des Harun vergessen.  Damals nämlich, als Harun listig seinen Vater,  Imam Musa Kadhim (F), aufforderte, die Grenzen von Fadak zu nennen, damit er dieses Gebiet an Imam Kadhim zurückgibt. Imam Kadhim hatte Harun, nachdem dieser ihn drängte zu antworten,  klargemacht, dass das Gebiet Fadak das gesamte Islamische Reich umfasst, woraufhin Harun sich entschloss Imam Kadhim zu ermorden.  

 

Imam Ridha wusste außerdem, dass jeder, der auch nur das kleinste Interesse an dem Kalifat Mamuns zeigt, das gleiche Schicksal erfahren würde wie Amin, der Bruder Mamuns. Nach dem Sieg über Amin und seiner Tötung, hatte Mamun befohlen,  dessen Kopf durch Chorasan tragen, damit es allen eine Lehre sei.  (Tarich al Chulafa, S. 298)

Dennoch wunderte sich eine Gruppe von Leuten darüber, dass der achte Imam nicht das Kalifat von Mamun übernahm, selbst nicht als dieser ihm drohte und sie erkannte leider erst später den wahren Charakter Mamuns und seine Absichten.

Als Mamun dem Imam vorschlug, er solle das Gemeinschaftsgebet zum Fitr-Fest leiten sah er, dass sich eine riesige Menschenmenge dem Imam anschloss, um sich auf den Gebetsplatz zu begeben. Da spürte er Gefahr und ließ den Imam unterwegs anhalten und zurückschicken. In dem Moment begann er für den Mord am Imam zu planen.

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Hätte  Imam Ridha (F) dem Vorschlag von Mamun angenommen und  das Kalifat akzeptiert, hätte er nur zwei Alternativen in Aussicht gehabt. Entweder hätte er bei Übernahme des Amtes im Rahmen eines revolutionären Schrittes alle Strukturen der Regierung ändern und sofort alle, die sich bis dahin unlauter aus der Gemeinwohlkasse der Muslime  bedient hatten, darin hindern  und alle inkompetenten Leute aus ihrem Amt entlassen müssen. Das aber  hätte zahlreiche  Verschwörungen und Anfeindungen vonseiten dieser Leute zur Folge gehabt.  Schon seinem Vorfahren Imam Ali (F) waren damals drei Kriege aufgezwungen worden, welche ihn daran gehindert hatten, seine revolutionären Maßnahmen durchzuführen.

Die zweite Alternative bei Übernahme des Kalifats war, dass der achte Imam aus dem Hause des Propheten schweigt und den Status Quo praktisch akzeptiert, ohne etwas zu unternehmen.  Aber das   widersprach seinem Rang als der Vorsteher der muslimischen Gemeinde und seiner Haltung und Überzeugung von der befreienden Lehre des Tauhids – des Glaubens an den Einen Gott -  diesem Glauben, der den Menschen Würde und Charakter verleiht, gegen alle Formen des Unrechts und der Unterdrückung kämpft  und die Gottgläubigen mahnt,  sich nicht der Herrschaft von unterdrückerischen Mächten zu unterwerfen.   

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Imam Ridha (F) hat also durch Ablehnung des Kalifats die Legitimität des Kalifen Mamun ins fragliche Licht gestellt und verhindert, dass dieser ein Kalifat des Imams ausnutzt. Auf diese Weise hat er die Muslime gelehrt, dass sie nicht auf die heuchlerische Politik von Regimen reinfallen dürfen, die nur den islamischen Anschein wahren, aber in Wahrheit polytheistisch und menschenfeindlich eingestellt sind.

Mamun hatte eine Niederlage gegenüber der Weitsicht des achten Imams (F) hinnehmen müssen. Er suchte nach einer neuen List. Also sagte er zu Imam Ridha (F): „Nun, da du meinen Vorschlag zurückweist und nicht in das Kalifat einwilligst, sollst du aber meine Nachfolgerschaft akzeptieren. Falls du das nicht tust, werde ich dich köpfen lassen!“

 

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Mamun verfolgt mit seinen hartnäckigen Vorschlägen das Ziel, sein Image aufzubessern. Die Allgemeinheit war nämlich außerordentlich unzufrieden mit der Herrschaft der Abbasiden und niemanden liebte das Volk  so sehr wie den Nachkommen des Propheten, Imam Ridha (F). Durch Einbindung  des Imams in seinen Regierungsapparat, und sei es als Anwärter auf das Kalifat , wollte Mamun seine Regierung legitimieren und revolutionäre Kräfte zügeln. Die vorrangigste Absicht des Mamun war jedoch vermutlich, dass er die Verbindung des Imams zu den Volksmassen abbricht und seine gesellschaftliche und politische Stellung zerstört.

Indem er den Imam für den Anwärter auf seine Nachfolge erklärt, konnte er diesen und seine Kontakte und kulturellen und politischen Aktivitäten direkt der eigenen Kontrolle unterwerfen. Natürlich versuchte Mamun seine heimlichen Absichten zu verdecken und der breiten Masse und dem  Hofstaat vorzuheucheln, dass er lediglich den Imam durch die Anwartschaft für das Kalifat ehren wolle. Er heuchelte auch Achtung vor Imam Ridha vor, wenn er Gelehrte an seinen Hof einlud, damit sie  schwierige Fragen und Zweifelfragen erörtern,  und schließlich der Imam die richtige Antwort vorlegt.

Imam Ridha (F) durchschaute Mamun und war über seine heimtückischen Pläne und Ziele im Bilde. Als er sich gezwungen sah, den Vorschlag der Nachfolgerschaft zu akzeptieren, bat er sich bestimmte Bedingungen dafür   aus, um Mamun eines besseren zu belehren.  Es waren Bedingungen, die deutlich machten, dass ihm die Anwartschaft auf die Nachfolge von Mamun aufgezwungen worden war und der Imam kein Interesse daran hat.

Imam Ridha (F) sprach: „Wenn ich  gezwungen bin diesen Vorschlag anzunehmen, so unter der Bedingung, dass ich an keiner Angelegenheit der Regierung und Jurisprudenz, der Fitwas und Absetzung und Ernennung teilhabe.“