Der Letzte Prophet in den Augen von Orientalisten (10 - Iwan Bunin)
Erst in der westlichen Islam-Forschung des 20. Jahrhunderts begann man, den Heiligen Koran als wichtige Religionsschrift und den Propheten (S) als eine religiöse Persönlichkeit zu betrachten.
Als die Welt in das tiefe Dunkel der Unwissenheit und der geistigen Dekadenz verfallen war, trat ein großartiger Mensch in Erscheinung und überbrachte eine neue Lehre. Diese Lehre basierte auf Logik und Weisheit und bekämpfte Unwissenheit und Aberglauben. Ihr Verkünder war eine außergewöhnliche Persönlichkeit, was in seinen Worten und Taten zum Ausdruck kam. Wer dem Propheten des Islams zuhörte, fühlte sich angezogen. Mohammad (S) war wie eine Sonne die über nächtlichem Dunkel aufgeht. Der Koran sagt über ihn im Vers 2 der Sure 62 (Dschum`a):
Er (Gott) ist es , der unter den Schriftunkundigen einen Gesandten von ihnen hat erstehen lassen, der ihnen Seine Zeichen verliest, sie läutert und sie das Buch (Koran) und die Weisheit lehrt, obgleich sie sich ja zuvor in deutlichem Irrtum befanden
Die Feindschaft und das Misstrauen gegenüber dem Islam und seinem Verkünder, Hadhrat-e Mohammad (S), überschatten seit Jahrhunderten wie dunkle Wolken die Wiege der europäischen Zivilisation. Es gibt nach wie vor falsche Einstellungen gegenüber dem Islam, die auf blinden Eifer und Unwissenheit zurückgehen. Das Gespenst der eingefahrenen antiislamischen Propaganda lässt nicht zu, dass die Forscher unvoreingenommen richtig mit der reichen Kultur des Islams Bekanntschaft schließen. In jeder Epoche haben Aversion und Feindschaft gegen den Islam besondere Gestalt angenommen. Es ging im Grunde immer darum ihn zu bekämpfen. Im 20. Jahrhundert artete der Islamhass in Form der Verbreitung von unwahren Behauptungen und der Veröffentlichung von Büchern wie die Satanischen Verse aus. Einerseits halten Angriffe auf den Islam und den Propheten des Islams weiter an, aber andererseits hat auch die Zahl der Forscher und Autoren, die mit Anerkennung über den Propheten des Islams sprechen, zugenommen.
Dank der relativen Freiheit, welche der Wissenschaft eingeräumt wurde, kam im 20. Jahrhundert ein besseres Klima für realistische Informationen über den Islam auf. Die Studien, die Orientalisten über den Propheten und über den Koran betrieben, waren besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr verschieden von den vorherigen. In der neuen westlichen Islam-Forschung wurde der Heilige Koran als wichtige Religionsschrift und der Prophet (S) als eine religiöse Persönlichkeit betrachtet.
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Wir wollen heute von Iwan Alexejewitsch Bunin sprechen. Er wurde 1870 im russischen Woronesch geboren. Iwan Bunin war der erste russische Lyriker und Schriftsteller, dem der Nobelpreis verliehen wurde und zwar im Jahre 1933. Bunin (der 1953 in Paris verstarb) gehört zu den Autoren, die dem islamischen Orient große Aufmerksamkeit gewidmet haben. Er bereiste die Islamische Welt und besuchte Ägypten, Palästina, Jordanien, Syrien, Libanon und Algerien. Diese Reisen und seine Bekanntschaft mit dem Koran sowie der islamischen Kultur und Geschichte fanden in seiner Lyrik Widerhall. Seine Gedichte haben die russische und Weltliteratur bereichert. Aus seiner Poesie ist die Inspiration durch den Koran und seine Schätzung des Korans und des Propheten und der muslimischen Gemeinschaft heraus zu spüren. Bunin hat Gedichte über das Leben des Propheten, die religiösen Sitten wie Hadsch- und Gebetsritual und die heiligen Stätten der Muslime verfasst. Er hat sogar die islamische Gemeinde zum Kampf gegen den inneren Feind (das Ego) und gegen den äußeren Feind angespornt. Bunin fordert die Muslime auf, die menschlichen Tugenden zu pflegen und nicht gegenüber den Fremden kapitulieren, die ihnen in keiner Weise überlegen seien.
Bunin, der im Orient verbracht und ihn kennengelernt hat, widmet eines seiner Gedichte dem Propheten Abraham. In diesem beschreibt er, und zwar eindeutig in Anlehnung an eine Stelle in der Sure 6 (Anam) Verse 75 bis 79, wie Abraham, logisch gegen die Vergötterung der Gestirne argumentiert.
Sein Gedicht Das Geheimnis widmet Bunin den Siglen, d.h. Einzelbuchstaben, zu Anfang einiger Koransuren und für sein Gedicht Wegen Verrat lässt Bunin sich offensichtlich von den Suren al Qiyama und al Insan inspirieren, darunter dem Vers 24 der Sure 75 ( Al-Qiyama):
“Und (die anderen) Gesichter werden an jenem Tag finster sein;
Bunin stützt sich ebenso in seiner Lyrik über den Propheten auf den Koran, zum Beispiel auf den Vers 40 der Sure 9 (Taubah) über die Hidschra – die Auswanderung des Propheten aus Mekka zur Wahrung der Religion. Prophet Mohammad (S) wurde von den Götzendienern von Mekka verfolgt und sie wollten ihn töten, um die Verkündung des Islams zu beenden. Das Gedicht Mohammad im Exil, welches 1903 entstand, spiegelt die Bekümmernis Hadhrat-e Mohammads über die Bekämpfung des Islams wieder: Inspiriert von den Versen 40 und 41 der Sure 9 (Tauba), wo es unter anderem heißt:
Da sandte Allah Seine innere Ruhe auf ihn herab und stärkte ihn mit Heerscharen,
spricht Bunin in dem Gedicht Mohammad im Exil von unsichtbaren Geisteswesen, die den Propheten aufsuchen. Bunin verbildlicht die Stimmung des Propheten wie folgt:
Auf Kieselsteinen und Sand sitzend,
ohne Schuhe an den Füßen und die Brust blank,
klagte er:
Ich habe mich der Wildnis und Wüste zugewandt
fern von allen, die ich liebe.
Doch die Geisteswesen haben ihn gemahnt,
Es gebühre einem Propheten nicht
schwach und müde zu sein.
Da hat der Prophet,
traurig und zugleich bedacht, gesagt:
„Ich trage meine Klage an die Felsen heran“.
Bunin ist der Meinung, dass nur die Natur Freude ins Leben des Menschen bringt. In seiner Lyrik hat er das Liebliche der Naturlandschaften sehr gekonnt beschrieben. In der Erzählung „Der Schatten des Phoenix“ gibt er, wieder gestützt auf den Koran, seine Denkweise über die Welt des Daseins zu erkennen. Inspiriert von der Lyrik des weltberühmten iranischen Dichters Saadi lädt er die Menschen ein, über die Geheimnisse der Schöpfung nachzudenken.
Bunin hat im Gegensatz zu seinen Vorgängern eine neue Sichtweise zum Islam vorgelegt. Kein anderer russischer Dichter hat wie er islamisch-orientalische Lyrik geschrieben. Auf allen seinen Reisen hatte er die russische, 1864 in Moskau erschienene Übersetzung des Korans von Nikolayev dabei. Seine Gemahlin schrieb in ihren Memoiren: „Der Islam war tief in sein Herz eingedrungen".
Seine Geschichte vom Tod des Propheten beginnt Bunin mit den Worten, mit denen 113 der 114 Suren im Koran eingeleitet werden, nämlich bismillahir rahman-ir rahim , was Im Namen Gottes des Allerbarmers, des Gütigen bedeutet. In dieser mit gnostischen und philosophischen Gedanken durchwobenen Erzählung muntert Bunin die Leser zur Gotterkenntnis und Suche nach der Wahrheit des Lebens auf. Er erklärt, der Mensch sei selber schuld daran, wenn er Gott nicht erkennt, und schreibt: „Wir haben Gott nicht gesehen und sehen ihn nicht, aber die Sonne ist nicht daran schuld, wenn die Augen der Fledermaus nicht sehen.“
Bunin verwendet auch in seinem Werk für den Herrn die Worte bismillahir rahman-ir rahim oder auch die darin enthaltenen Namen Gottes Rahman und Rahim, die auf die göttliche Barmherzigkeit hinweisen. In seiner Geschichte vom Tod des Propheten verwendet er bismillahir rahman-ir rahim - Im Namen Gottes des Allerbarmers, des Gütigen - und die Gottesnamen Rahman und Rahim sogar jeweils zweimal.
Die Kenntnis Bunins von den Bräuchen der Muslime verdient Beachtung. In seiner Lyrik verweist er darauf, dass die Farbe Grün für die Muslime eine besondere, eine heilige Farbe ist, weil die grüne Farbe sie an den Propheten und seine Nachkommen erinnert. In dem Gedicht Das Volk des Propheten nennt Bunin daher die Muslime die Grüngekleideten. Und auch in seinem Gedicht Grünes Banner hebt er die symbolische Bedeutung der grünen Farbe für die Muslime hervor.
Auch die Pflicht zur Verrichtung des täglichen Gebets, welche den Muslimen durch den Propheten mitgeteilt wurde, hat Bunins Aufmerksamkeit erregt. Seine Bewunderung für das Gebet der Muslime geht aus folgenden Reimen hervor:
Die Sonne sinkt herab und ihre Glut schwindet
Weit hinten am Rande der grauen fahlen Wüste
Legt sie sich schlafen.
Da beugen sich die Häupter
Es ist an der Zeit
Der Sonne das Geleit
zu geben.
Wir streifen unsere
Schuhe ab
Und verrichten das Gebet
Unter dem freundlichen Himmel der Wüste
Mit den zahllosen Sternen
Blass oder in sattem Gold
Und betend
Fallen wir in den Staub
Wie eine Woge an der Meeresküste.
Der russische Lyriker und Schriftsteller Ivan Bunin hat in seinen verschiedenen Werken seine Besorgnis über das Schicksal der Menschen spürbar werden lassen. Er hat die Anhänger der verschiedenen Religionen eingeladen sich zu vereinigen und ihre religiösen und moralischen Grundsätze zu wahren. Bunin hat nach der Oktoberrevolution bis ans Lebensende fern von der Heimat gelebt. Er hat seine Überzeugungen und seine Bemühungen um menschliche Tugenden nie aufgegeben.