May 05, 2020 02:41 CET
  • Islam richtig kennenlernen (214 -  Dschahannam, Dschahim, Saqir, Sa`ir,  Nar)

Gemäß dem Koran erwartet alle Menschen eine Bleibe im Jenseits: die Rechtschaffenen dürfen im Paradies leben und die anderen müssen in der schlimmsten Behausung zubringen.

 

 

Bevor wir mehr über die Hölle sagen, sollten wir noch auf den Zustand der Übeltäter auf dem Schauplatz des Jüngsten Tages hinweisen. Dieser Hinweis enthält eine wichtige Lehre. Zum Beispiel sind die Sünder am Jüngsten Tag blind. Wir lesen nämlich in der Sure 20 (Ta-Ha) in den Versen 124 und 126:

 

Wer sich aber von Meiner Ermahnung abwendet, der wird ein beengtes Leben führen, und Wir werden ihn am Tag der Auferstehung blind (zu den anderen) versammeln.

Er wird sagen: „Mein Herr, warum hast Du mich blind (zu den anderen) versammelt, wo ich doch (auf Erden)  sehen konnte?“

Er sagt: „So sind auch zu dir Unsere Zeichen gekommen, und doch hast du sie vergessen. Ebenso wirst du heute vergessen.“

                                     

 

Das Jenseits ist wie gesagt ein Abbild der Diesseits und eine Verkörperung und Widerspiegelung der diesseitigen Realitäten. Wenn jemand in dieser Welt auf dem inneren Auge blind ist und die Wahrheit nicht sieht, dann wird er in jener Welt auch auf dem körperlichen Auge blind sei. Wenn jemand wie er also am Jüngsten Tag fragt: „wieso bin ich jetzt blind, obwohl ich doch vorher sehen konnte“, wird er die Antwort erhalten: „Weil du die Zeichen Gottes vergessen hast“.

 

Zweifelsohne gibt sich die Wahrheit überall im Diesseits zu erkennen. Der Mensch muss natürlich mit offenen Augen durch die Welt gehen, damit er überall im Daseinsreich die Zeichen Gottes wahrnimmt,  aus der Geschichte eine Lehre zieht und über das Schicksal der Übeltäter nachdenkt. Allerdings ist der Mensch nicht in der Lage die Wahrheit zu sehen, solange sein inneres Auge von Unwissenheit, Stolz, blindem Eifer und Begierde verschleiert ist.

 

Imam Baqir (Friede sei mit ihm) sagt über die Blindheit am Jüngsten Tag:

„Jemand, der angesichts der  Erschaffung der Himmel und  Erde und des Wechsels von Tag und Nacht und der Wanderung der Sterne,  der Sonne und des Mondes sowie der erstaunlichen Zeichen sich nicht der Existenz einer größeren Wahrheit, die jenseits davon steht, bewusst wird, ist im Jenseits von noch größerer Blindheit und Verirrung gezeichnet.“

Auch wer sich gegenüber den göttlichen Zeichen bewusst blind stellt,  um auf niedriger Stufe sein Leben fortzusetzen, wird nach der Auferstehung von den Toten blind sein.

Die   Blindheit an jenem Tag ist  die Folge der diesseitigen Blindheit des Herzens. 

                                        

 

Die Höllenkandidaten sind zudem am Jüngsten Tag sehr beschämt. Darüber heißt es im Vers 12 der Sure 32 (Sadschda):

Könntest du nur sehen, wenn die Übeltäter vor ihrem Herrn die Köpfe hängenlassen: „Unser Herr, jetzt haben wir gesehen und gehört (was du verheißen hast). Bringe uns zurück, so wollen wir rechtschaffen handeln. Gewiss, wir sind nun überzeugt“!

 

Aus der Vorstellung, wie beschämt  die Übeltäter am Jüngsten Tag sind, lässt sich eine wertvolle Lehre ziehen. Dieselben Leute, die sich im Diesseits hochmütig und eigensinnig gegenüber der Wahrheit verhalten haben, lassen in dem Moment, wo sie Zeuge des Jüngsten Tages werden, beschämt den Kopf hängen und   sehen endlich ein, dass sie Sünder waren.  Daher bitten sie Gott, dass sie ins Diesseits zurückkehren dürfen, um ihre hässlichen Taten wieder gut zu machen.  Weil sie das Ergebnis ihrer schlechten Taten nun vor Augen haben, ist ihnen klar geworden, dass sie im Diesseits die Chance, ein Bündel für das Jenseits zu schnüren, vergeben haben. Doch eine Rückkehr ins Diesseits ist genauso wenig möglich wie  die Rückkehr eines Neugeborenen in den Mutterleib.

                                        

Ein anderer Aspekt am Jüngsten Tag ist das Aussehen der Gesichter. Im Vers 26 der Sure 10 Yunus, heißt es über die Gesichter der Paradieskandidaten:

 

Für diejenigen, die Gutes tun, gibt es das Beste (an Lohn) und noch mehr. Ihre Gesichter werden weder von Dunkelheit noch Erniedrigung bedeckt. Das sind die Bewohner des (Paradies)gartens; ewig werden sie darin bleiben

 

 

Wie die Gesichter der unglückseligen Höllenkandidaten aussehen werden, entnehmen wir dem nächsten Vers dieser Sure, Vers 27:

 

Für diejenigen aber, die böse Taten erwerben, ist der Lohn einer (jeden) bösen Tat ein Gleiches, und Staub der Erniedrigung wird sie bedecken – sie haben vor Allah nichts, das sie schützen könnte –, (es ist) als ob ihre Gesichter von Stücken finsterer Nacht überdeckt wären (so dunkel sind sie). Das sind die Insassen des (Höllen)feuers; ewig werden sie darin bleiben.

 

Das jenseitige düstere Gesicht der Übeltäter resultiert aus ihrer Schlechtigkeit. An jenem Tag wird ihr schlechtes Wesen auf diese Weise nach außen hin  sichtbar werden.                            

 

             

Der Koran und die überlieferten Aussprüche des Propheten und der Edlen aus seinem Hause sind die beste Quelle, um über Paradies und Hölle zu erfahren. Dabei kommen allerdings auch Wörter und Aussagen vor, die uns kein Begriff sind. Denn die jenseitige Welt übersteigt die Wahrnehmungen, die uns im Diesseits möglich sind.

 

Die Hölle verbildlicht den Zorn Gottes und ist ein Ort der Pein und Entbehrung. Sündige Menschen erhalten dort die Strafe für ihre hässlichen Taten. Pein und Strafe sind in der Verdammnis nicht von vorübergehender Natur. Die Strafen im Leben können aufgehoben werden, aber in der Hölle wird die Strafe nicht mehr aufgehoben, denn sie ist das wahre Gesicht der bösen Taten, welche die Sünder im Leben begangen haben. Mit anderen Worten: Die bösen Taten kehren in der Hölle in Form einer peinigenden Verkörperung zum Sünder  zurück.

 

Zur Verdeutlichung sei erwähnt, dass jeder Schritt des Menschen, ob gut oder schlecht, sowohl  eine äußere, sichtbare als auch eine innere, unsichtbare Gestalt hat.  Das  innere Gesicht tritt erst am Tag des Jüngsten Gerichtes verkörpert in Erscheinung. Die verkörperte vormals unsichtbare Gestalt der Taten wird dort dem Menschen entweder, wenn es gute Taten gut waren, Genuss oder aber, wenn es böse waren, Pein bereiten.

 

Wir haben schon einmal in dieser Sendereihe darüber gesprochen, was im Koran über die verborgene Gestalt der Taten steht. Im Vers 10 der Sure 4 (Nisa) heißt es zum Beispiel:

 

Diejenigen, die den Besitz der Waisen ungerechterweise verschlingen, verzehren in ihren Bäuchen nur Feuer; und sie werden bald der Feuerglut ausgesetzt sein.

 

Aus diesem Vers erfahren wir über das verborgene Gesicht der Bereicherung am Besitz von Waisen: Wer diese Sünde begeht  verschlingt nicht nur im Diesseits Feuer sondern wird auch im Jenseits im Feuer brennen.

   

Jemand der sich von dem ernährt, was einem Waisenkind gehört, der mag nach außen hin sogar die Speisen genießen, die er auf Kosten des Waisenkindes zu sich nimmt. Aber in Wahrheit ist diese Nahrung schon im Diesseits ein Feuer. Der Übeltäter wird es jedoch nicht gewahr.

 

Ganz allgemein sind der jenseitige Lohn bzw. die jenseitige Strafe die eigentliche Gestalt der diesseitigen Taten. Die würdigen Taten der Glückseligen werden in den Freuden und beglückenden Paradiesgaben verkörpert werden und das Unrecht der Unglückseligen wird in der kommenden Welt in der Gestalt peinvoller Strafen zu Tage treten.

                                 

Im Koran wird die Hölle nicht nur mit Dschahannam  (جهنم)benannt, sondern auch mit Dschahim(  جَحیم)  – einem riesigen sehr heißen Feuer - oder Saqar (سَقَر ) im Sinne von einem starken brennenden Feuer, welches alles verändert, oder Sa`ir (سَعیر) - einem lodernden Feuer -. Gott verwendet im Koran zur Bezeichnung der Hölle ebenso das  Wort Nar (نار) im Sinne von Feuer.  Weil im Koran das Feuer der Hölle auf besondere Weise benannt wird wie: Feuer, das alles verändert oder überdecktes Feuer und ähnlich, muss es ein besonderes Feuer sein, anders als das Feuer, das wir aus dem Diesseits kennen. 

                                                    

Die Hölle hat verschiedene Tore. Darüber heißt es in den Versen 43 und 44 der Sure 15 (Hidschr):

 

Und die Hölle ist wahrlich ihrer aller Verabredung(sort).

Sie hat sieben Tore, und jedem Tor wird ein Teil von ihnen zugewiesen.

 

Auch das Paradies hat verschiedene Tore. Es hängt von der Qualität der guten und schlechten Handlungen ab, durch welches Tor der Mensch in das Paradies einkehrt bzw. in die Hölle geschickt wird. Außerdem sind Paradies und Hölle in Stockwerke gegliedert.

In der Hölle erhält jeder entsprechend seiner Taten seine Strafe und seinen Platz zugewiesen. Von den Munafiqin – den Heuchlern – heißt es, dass sie in den untersten und schlimmsten Stockwerken der Hölle hausen müssen.

 

Die Hölle hat nicht deshalb so viele Tore, weil die Menschenmenge, die  sie betreten muss, groß ist. Vielmehr ist aus den verschiedenen Toren darauf zu schließen, dass es unterschiedliche Faktoren sind,  welche die Schlechten in die Hölle befördern. Es lässt sich sagen, dass die Tore zur Hölle die verschiedenen Sünden betreffen, welche das Höllenschicksal der Unglückseligen besiegeln.  Jede Schar betritt wegen einer bestimmten Art von Vergehen durch ein bestimmtes Tor die Verdammnis.

                          

Wir werden beim nächsten Mal das Thema Hölle wieder aufnehmen.

 

 

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