Jul 14, 2020 07:44 CET

Die Orientalistik hat im Laufe der Zeit wie viele andere wissenschaftlichen und kulturellen Erscheinungen einen Wandel in Methodik, Zielsetzung und Motivationen erfahren. 

 

 

Wenn wir unser Augenmerk auf die Ansichten zu Beginn der Orientalistik im 8. oder 10. Jahrhundert nach Christus richten, lässt sich sagen, dass die Islamstudien in dieser Zeit und mehreren darauffolgenden Jahrhunderten in der Hauptsache feindselig und von starkem Religionsfanatismus gezeichnet waren. Die meisten Orientalisten waren nämlich christliche Mönche, Scholastiker und Theologie. Einige von ihnen waren so extrem, dass sie nach dem Studium von Manuskripten  diese verbrannten und vernichteten. Unterdessen beruhten im zweiten Abschnitt der Orientalistik, d. h. ungefähr Beginn des 18. bis Mitte des 20. Jahrhundert die Studien des östlichen Kulturerbes auf anderen Motiven und es wurden andere Ziele damit verfolgt. Und zwar lässt sich sagen dass in dieser Zeit  politische und kolonialistische Ziele, der Hauptgrund für die Erforschung des Orients waren, und weniger religiöse Motivationen oder das Interesse an der Kultur eine Rolle spielten. Im dritten Abschnitt der Entwicklung der Orientalistik  welcher Mitte des 20. Jahrhunderts begann, treten mehr Zeichen für eine Veränderung in der Vorgehensweise und sogar bei den Motivationen und Zielen auf und es kann von einem neuen Leben der Orientalistik die Rede sein.

 

Karen Armstrong (geb. 14.11.1944)

 

Die Engländerin Karen Armstrong gehört zu den Orientalisten des 20. Jahrhundert. Sie trat mit 17 in ein Kloster ein, gab das Klosterleben jedoch 7 Jahre später wieder auf, weil sie es als auferlegtes seelisches und körperliches Leid empfunden hatte.  Frau Armstrong begann ein Studium im Fach Literatur an der Universität Oxford. Religiöse Themen interessierten sie aber weiterhin und sie schrieb mehrere Bücher über Religionen und  vergleichende Religionswissenschaften. Von ihr stammt das  berühmte Buch „die  Geschichte von Gott“, welches bisher in 30 Sprachen übersetzt wurde.  Frau Armstrong hat ihr Leben in der auflagenstarken Biografie Through the narrow gate – „Durch das enge Tor“ beschrieben.  Im Jahre 1991 verfasste sie eine Biografie über Prophet Mohammad, die im Deutschen unter dem Titel Muhammad, Religionsstifter und Staatsmann erschien. Auch im Jahre 2006 griff sie das Thema wieder auf und schrieb das Buch „Muhammad - A Prophet for Our Time“ - Muhammad  ein Prophet für unsere Zeit.

                           

Einige würden gerne wissen, welches Motiv der “Biografie des Propheten des Islams“ von Armstrong, das einen Monat nach dem 11. September veröffentlicht und zum Bestseller des Jahres in den USA wurde, zugrunde gelegen hat.

Karen Armstrong gibt selber in der Einleitung zu diesem Buch die Antwort. In dieser Einleitung bedauert sie es, dass die einzige Vorstellung, welche die Menschen im Westen von Prophet Mohammad (S) besitzen, entweder auf das Buch von Salman Roschdi zurückgeht oder eine Vorstellung ist, die noch aus der Zeit der Kreuzzüge stammt.  Armstrong ist der Meinung, dass nach der Explosion der Zwillingstürme des Welthandelszentrums in New York erneut die Welt auf den Islam und die Muslime aufmerksam geworden ist. Die Menschen im Westen würden diesen Vorfall als Beweis für den angeblichen Fanatismus im Islam und ein Zeichen dafür werten, dass der Islam eine Religion des Terrors und Mordes und der Verbreitung von Schrecken sei. Aber die Wahrheit sieht nach Ansicht von Armstrong anders aus.

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Armstrong meint, dass im Westen meistens übergangen wird, dass in der Bibel Sätze vorkommen, die von Gewaltanwendung handeln  In der Thora steht, dass die  Israeliten dazu angehalten wurden, die Tempel anderer Völker zu zerstören ,  sie aus dem Heiligen Land zu vertreiben  und keinerlei Verträge mit ihnen abzuschließen. Eine Gruppe jüdische Fanatiker hat genau diese Stellen in Thora dafür genutzt, um die  Vertreibung der Palästinenser von ihrem Grund und Boden zu rechtfertigen.  Ein ähnliches Urteil fällt  Armstrong über das Christentum.  Sie sagt dass so gut wie alle wissen, dass die Anwendung diese Art von Bibelversen und diese Deutung ein prinzipienloses Vorgehen ist. Während Jesus fast immer als Friedensstifter vorgestellt wird, gibt es in der Bibel Stellen, die zum Angriff und Kampf aufmuntern, aber niemand habe diese Bibelstellen angeführt, als der Mord an 8000 Muslimen in Bosnien durch serbische Christen vonstattenging. 

Karen Armstrong betont, dass es ungerecht sei, das Vorgehen einer Handvoll fanatischer Muslime der Lehre des Propheten des Islams (S) zuzuschreiben und seine Religion eine Religion des Terrors, Mordens und der Verbreitung von Schrecken zu nennen. Während Armstrong  ihr großes Bedauern über die Behauptungen der Urheber der Tragödie des 11. Septembers zum Ausdruck bringt, bezeichnet sie es als ignorant, dem Islam die Schuld an diesem Vorfall zu geben.

Aus der Sicht dieser britischen Forscherin vertreten die großen monotheistischen Religionen und ihre Propheten und Weisen sehr nahe Standpunkte hinsichtlich Gott und nennen ihn ein Hohes Wesen und die Absolute Wahrheit. Auch Mohammad (S) habe einen großen und wertvollen Beitrag zu der spirituellen Erfahrung der Menschheit geleistet. Karen Armstrong  fügt hinzu: „Ich habe es als meine Pflicht betrachtet, dem westlichen Leser, dem sie ständig die Wahrheit verheimlicht und nur  einen Schimmer von einer Erscheinung vermischt mit Rätseln und Volksverdummung vorgesetzt haben, ein klares Bild von einem Mann geben, der ein Prophet war; ein Mensch, der den Verlauf der Menschheitsgeschichte veränderte und bis heute einen großen Teil der Menschheit inspiriert.“

 

Armstrong sagt: „Mohammad hält,  wie ein großes Vorbild, bedeutende Lehren nicht nur für die Muslime sondern auch für die Menschen im Westen bereit ...Er war genau jene  angenehme Brise des Friedens welche über der Arabischen Halbinsel, die Krieg und Konflikte leid geworden war, wehte und wir brauchen in unserer Zeit Menschen, die eine solche Rolle übernehmen. Sein Leben war ein unermüdlicher Kampf gegen Begierden, Ungerechtigkeit und arrogante Machtausübung. Er begriff dass die Arabische Halbinsel am Wendepunkt steht und die traditionelle Denkweise keine Antwort mehr liefern kann... Mohammad (S) hat nicht versucht, seine Religion den Menschen aufzuzwingen, vielmehr wollte er ihr Gemüt und ihr Herz ändern.“ Armstrong fügt hinzu:  „Das Leben des Propheten des Islams gehorchte den Prinzipien der Offenbarung und baute auf der Durchführung der wahren Gebote Gottes zur  Aufstellung einer menschlichen Gesellschaft auf.“ Frau Armstrong sagt, dass der Prophet nicht auf die zurückliegende historische Epoche Bezug nahm, wenn er den Begriff Unwissenheit benutzte, sondern sich damit auf ignorantes Verhalten und Gewalt bezog, die  nach der Hidschra auf der Arabischen Halbinsel vorkamen. Sie ist der Meinung, dass die Unwissenheit im heutigen Westen dem ignoranten Auftreten zu jener Zeit ähnelt.

 

 

Im ersten  Kapitel ihres Buches welches mit Mohammad, der Feind überschrieben ist, strebt Karen Armstrong eine kritische Betrachtung der Porträts an, welches  Europäern, insbesondere der christlichen Gemeinde, von Anfang an bis heute in den verschiedenen Epochen vom Propheten vorgelegt worden ist.  Unter anderem wird dem geehrten Propheten des Islams vorgeworfen, dass er kriegssüchtig gewesen sei.   Hinsichtlich der Kriege zur Zeit des Propheten (S) vertritt Armstrong die Ansicht, dass Mohammad (S) zwar ein Kämpfer gewesen ist, der den Dschihad führte, doch zugleich auch ein wahrer Friedensstifter war. Als Beweis verweist die britische Autorin auf mehrere historische Beispiele. So erinnert sie in  einem Kapitel ihres Buches an die Rückeroberung von Mekka, die bekanntlich völlig friedfertig verlief und erwähnt, dass das Streben nach Frieden ein Hauptmerkmal des Islams ist. „Mohammad (S) hat sein Leben und den Glauben und die Treue seiner treuesten Helfer beim Friedensschluss von Mekka aufs Spiel gesetzt, damit es ohne Blutvergießen zu diesem Zusammenschluss kommt. Dies ist auch klar der Sure Fath (Sure  48 )  zu entnehmen.“ Die britische Autorin unterstreicht, dass Mohammad (S) aufgrund der islamischen Prinzipien ständig an Verhandlungen und Frieden dachte. Sie hebt hervor, dass das Wort „Islam“, welches  soviel bedeutet wie Ergebenheit gegenüber Gott, von dem Wort  „Salam“ stammt,  dessen Bedeutung „Friede“ ist. 

              

Wie andere Forscher, die sich fair mit dem Leben des Propheten auseinandergesetzt haben, hat auch Karen Armstrong gesagt, dass die heutige Welt mehr denn je eine Persönlichkeit wie den Propheten des Islams benötigt. Der gute Rat des Propheten für die heutige Menschheit lautet: Bewusstsein und Wachsamkeit, Suche nach Gerechtigkeit, Moral und Großzügigkeit, Barmherzigkeit und Liebe, Friede und Menschenliebe. Der Prophet ist für die Menschheit Ausgangspunkt der Liebe. In den Augen von Armstrong  geht „ein Teil der Probleme des Westens darauf zurück, dass sie mehrere Jahrhunderte lang (Mohammad (S) als einen Feind der Zivilisation vorgestellt haben, „während wir“, so schreibt Frau Armstrong weiter, “in ihm einen Menschen hätten sehen müssen mit einer sehr hohen Moral. Ein großartiger Mensch der sich große Mühe gegeben hat, Friede und Gerechtigkeit für sein Volk herzustellen. Wenn wir Mohammad aus dem gleichen Blickwinkel  betrachten wie wir das bei bekannten historische Persönlichkeiten tun, werden wir schnell davon überzeugt, dass er die einflussreichste Persönlichkeit in der Geschichte der Menschheit gewesen ist  und wir ihn kennenlernen müssen. Es darf nicht zugelassen werden, dass fanatische und oberflächliche Leute aus der Verfälschung der Biografie des Propheten zu ihren eigenen Gunsten Nutzen ziehen. ...In dieser veränderlichen Welt muss der westliche Mensch aus dem Leben dieses geehrten Menschen Wichtigeres für seine eigene Rechtleitung lernen.

Frau Armstrong schreibt weiter: „Hierzu sollte man am besten bei der Persönlichkeit Mohammads beginnen. Er ist ein vielseitiger Mensch, der in die besten ideologischen Gruppen einzuordnen ist und auf der höchsten Stufe steht und manchmal Dinge vollbracht hat, zu denen wir uns gar nicht oder nur schwerlich hätten bereitfinden können. Er besaß eine hohe Intelligenz und eine geniale Begabung  und hat eine Religion und kulturelle Tradition begründet, die sich nicht auf das Schwert stützte, sondern – wie ihr Name (Islam) sagt- auf Frieden und auf Versöhnung.“

 

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