Jul 21, 2022 08:05 CET
  • Im Iran gerühmt, in der Welt berühmt (35 – Farruchi)

Auch heute geht es wie beim letzten Mal um einen iranischen Vertreter der Farsi-Literatur des 10./11. Jahrhunderts nach Christus.  

                             

 

Abu l-Hasan Ali ibn Dschulugh Farruchi Sistani  oder kurz: Farruchi ist ein iranischer Panegyriker gewesen, der  gemäß dem islamischen Mondkalender Ende des 4. Jahrhunderts bis  Anfang des 5. Jahrhunderts nach der Hidschra  und nach christlicher Zeitrechnung bis um 1037 gelebt hat. Er gilt als einer der größten Dichter seiner Zeit und aller Literaturepochen Irans.

Über Kindheit und Jugend dieses Dichters weiß man nichts und sein Geburtsdatum lässt sich nur ungefähr vermuten. Gemäß historischen Anhaltspunkten muss er einige Jahre nach der Ermordung des Poeten Daqiqi Balchi  schon als Jüngling am Hofe des Emirs von Tschaghaniyan eingestellt worden sein und nach Angaben des zeitgenössischen Dichters Labibi  ist er bereits in jungen Jahren gestorben. Daher ist anzunehmen, dass er ungefähr im letzten Viertel des vierten Jahrhunderts nach der Hidschra auf die Welt gekommen ist.

Von seiner dichterischen Tätigkeit wissen wir nur so viel, dass er laut Nizami Aruzi  sehr melodische Gedichte verfasste und auf der Harfe  spielte.  Es ist auch nicht klar, wann Farruchi gestorben ist. Einige vermuten, dass es 429 nach der Hidschra, 1039 nach christlicher Zeitrechnung  war und er in Ghazni (heutiges Afghanistan) verstorben ist. Sie begründen dies damit dass er einer der Hofdichter der Ghaznawiden war und ihnen huldigte und nach  Sultan Mas`ud, der 432 nach der Hidschra verstarb, im Gedichtband von Farruchi keiner seiner Nachfolger mehr von ihm gepriesen wird. Dieser Gedichtband enthält nur 11 Kassiden zur Huldigung des Mas`ud . Es wird anhand von diesen vermutet, dass er vor  dem Tod dieses Sultans verstorben sei.

 

                 

Der Vater von Farruchi war einer der Militärsklaven des Chalaf ibn Ahmad, dem letzten Emir der Saffariden  im ostiranischen Sistan. Farruchi erwarb Kenntnisse in verschiedenen Wissenschaften und lernte Instrumente zu spielen.   Seine finanziellen Mittel waren  zu Beginn seiner Tätigkeit als Dichter sehr knapp und aufgrund von Armut verließ er Sistan. In jenen Tagen holte der Emir von  Tschaghaniyan, der von den Samaniden zum Gouverneur über dieses Gebiet ernannt worden war, Literaten und Dichter an seinen Hof und erwies ihnen seine Gunst.   Farruchi, der von der Liebe des Emirs zur Literatur gehört hatte, machte sich auch zu ihm auf den Weg. So kam es, dass er einen Teil seines Dichterlebens der Huldigung dieses Emirs widmete.  Zwei Jahre später wechselte Farruchi an den Hof des Ghaznawidenherschers Mahmud und verfasste für diesen Lobgedichte. Farruchi galt als besonderer Hofdichter dieses Ghaznawiden und dank seiner flüssigen Poesie und seines Instrumentalspiels gelangte er am Hofe des Mahmud Ghaznawi zu Reichtum und Ruhm.

 

Farruchi begleitete den Sultan sogar auf Reisen. Er war nicht nur ein  guter Dichter sondern auch ein guter Musiker und hatte eine schöne Stimme. Seine Dichtung erfreute sich einer schönen Satzmelodie. Farruchis Talente bescherten ihm ein legendäres Leben. Er ehrte in seinen Gedichten außer dem Sultan jeden, der eine höhere Position besaß – von den Ministern bis zu Emir Yusuf, den Bruder von Sultan Mahmud sowie einigen Heeresführern. Farruchi hat für an die 25 Könige, Fürsten, Minister und einflussreiche Persönlichkeiten seiner Epoche Lobgedichte verfasst und wurde entsprechend dafür belohnt. 45 der vielstrophigen Kassiden in seinem Gedichtband sind den Großen der Ghaznawiden gewidmet.

                       

 

Farruchi hat – im Gegensatz zu Firdausi und anderen großen iranischen Dichter wie Nasser Chosrau , Sana`i, Attar, Maulana (Rumi) und Saadi kein besonderes gesellschaftsbezogenes Ziel im Leben verfolgt. Er zeigte kein Interesse für die Situation des Volkes zu seiner Zeit.  Wir wissen aus der Geschichte, dass die Mehrheit der  Bevölkerung  im Iran, nämlich Handwerker und Bauern,  in der Zeit , in der Farruchi lebte und die Ghaznawiden herrschten,  wegen der hohen Steuern, die von ihnen verlangt wurden, Not litten. Der Ghaznawide Sultan Mahmud gab die Steuergelder entweder für seine Heereszüge in benachbarte Länder aus, oder er häufte sie in der Schatzkammer der Regierung an und  verschenkte sie an schmeichlerische Dichter.   Farruchi wusste um dieses Unrecht, aber leider verliert er in seinen Gedichten kein Wort über die Probleme der Bevölkerung.

 

Es sei aber auch erwähnt, dass zur Zeit der Ghaznawiden  überhaupt viele Dichter davon lebten, dass sie den Herrschern poetisch huldigten und daher ist auf der einen Seite in der Dichtung dieser Epoche weniger von ethischen und sozialen Fragen die Rede.  Auf der anderen Seite ist  diese Dichtung der Geschichtsforschung zugutegekommen, denn   aus den Gedichtbänden dieser Epoche ist viel über die Zustände am Hofe der  Ghaznawiden zu erfahren. Zu den Quellen der Forschung über die Herrschaft dieser Dynastie gehört daher auch der Diwan (Gedichtband) von  Farruchi. Denn er hat die ganze Zeit mit den Sultanen verbracht und sein Werk, das 9 tausend 500 Doppelverse umfasst,  nichts anderem gewidmet als deren Beschreibung und Huldigung.

 

Trotz der Kritik an Farruchi wegen  seiner Beziehung zu dem  ghaznawidischen Herrscherhof muss er literarisch gesehen zu den besten Kassiden-Dichtern Irans gezählt werden. Sein Gedichtband enthält neben Gedichten in Form der Kassiden auch Poesie in Form von Ghazelen, Tarkib-bandi, Qet`eh  und Vierzeilern (Ruba`i).

Der Großteil der Kassiden sind Lobdichtung auf die Ghaznawiden.  Seine Kassiden-Dichtung sticht durch ihren flüssigen Stil und ihre Einfachheit und Ausgewogenheit hervor. Er kleidet so gekonnt gewöhnliche Gedanken und Gefühle in eine klare, einfache und flüssige Sprache, dass manche Sachkundigen ihn sogar auf die Stufe von Saadi,  den bekannten Dichters des 7. Jahrhunderts nach der Hidschra (13. Jahrhundert nach Christus) stellen.  Sie sagen, dass Farruchi sich unter allen Kassiden-Dichtern durch die  schöne Wiedergabe von Gefühlen hervorhebt, ähnlich wie Saadi sich mit dieser literarischen Fertigkeit unter den Ghazelen-Dichtern einen Namen gemacht hat.

 

Der zeitgenössische Literaturkenner Dr. Abdul Husain Zarinkub nimmt in seinem literaturkritischem Werk Ba Karawane Holleh wie folgt zu der Dichtung von Farruchi Stellung:

„Was den alten Freunden an seiner Dichtung mehr oder weniger gefiel, war der flüssige Stil und die Schönheit seiner einfachen und abwechslungsreichen Ausdrucksweise. Es war schöne wohlklingende Musik, welche einhergehend mit der Schlichtheit der Poesie und der Schönheit der Bedeutung, seine Worte zu etwas besonderem werden ließ. Die angenehm klingenden Schattierungen, machten seine Rede wie ein Stück Seide, weich und  elegant …“
Auch die Ghazelen von Farruchi sind von besonderer Grazie. Sie sind von Frohsinn und von einem jungen und glücklichen Geist geprägt und in einer wohlklingenden Sprache gestaltet. In ihnen spiegelt sich seine Umgebung wieder. Wer die Gedichte des Farruchi liest, wird auch dann, wenn ihm seine Übertreibungen und seine Huldigungen missfallen, ohne es zu wollen, Bewunderung für seine Ausdruckskraft und seine bildhaften Darstellungen  empfinden. 

 

زباغ ای باغبان ما را همی بوی بهار آید

کلید باغ ما را ده که فردامان به کار آید

 

Aus dem Garten – o Gärtner

- steigt der Duft des Frühlings für uns auf

Gib uns den Schlüssel zum Garten, wir können ihn für unser Morgen gut gebrauchen

                           

 

Zusammengefasst lässt sich über den dichterischen Stil Farruchi Sistanis sagen, dass er wie bei Rudaki und Schahid Balchi flüssig und einfach war. Dr. Abdul Hasan Zarinkub ist hinsichtlich des poetischen Stils und der Beeinflussung Farruchis durch seine Vorgänger folgender Überzeugung:

„Farruchi gefiel die Art des Rudaki und Schahid Balchi .Es scheint, dass er bei den Kassiden in gewissem Umfang den Stil von Rudaki und bei den Ghazelen den Stil von Balchi im Auge hatte…Doch erreicht die Fertigkeit Farruchis bei der Verfassung von Gedichten dieser Art eine so hohe Stufe, dass sich beim Lesen seiner Poesie nicht mehr feststellen lässt, inwieweit er von seinen Vorgängern, insbesondere Rudaki und Schahid Balchi beeinflusst wurde.“  

 

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