Aug 22, 2022 14:05 CET

Nasser Chosrau gehört zu den iranischen Berühmtheiten, die besondere Aufmerksamkeit verdienen, und so haben wir ihm mehrere Teile unserer Sendung über historische Persönlichkeiten Irans gewidmet

Nasser Chosrau Qabadiyani hat im 5. Jahrhundert nach der Hidschra gelebt, 11. Jahrhundert nach Christus.  Nachdem er lange Zeit am damaligen Herrscherhof als Schreiber gedient hatte, trat er mit 43 eine siebenjährige Reise an. Nach seiner Rückkehr  legte er sein Amt ab und begann für die ismailitische Lehre, eine schiitische Richtung , zu werben. Auf der Flucht vor seinen zahlreichen Gegnern zog er sich schließlich in das Yomgan-Tal in Badachschan zurück und schrieb in den 15 Jahren, die er dort verbrachte, den größten  Teil seiner Werke. Über seine Prosa-Werke haben wir beim letzten Mal gesprochen. Er hat auch Poesie verfasst. Neben seinem mehrfach  aufgelegten größten Gedichtband (Diwan) hat er noch zwei kleinere (Masnawi)-Gedichtbände, bestehend aus Zweizeilern geschrieben, der erste ist Roschanai nameh und der zweite Saadat nameh. Beide Masnawis wurden ebenso mehrmalig gedruckt.   

Der Diwan des Nasser Chosrau  enthält  etwas mehr als 11 Tausend Beit – Doppelverse - . Es steht aber fest, dass er noch mehr Gedichte verfasst hat. Dafür zeugen manche  Reime, die ihm in verschiedenen Quellen zugeschrieben werden, aber nicht in seinem Diwan stehen. Der Diwan von Nasser Chosrau ist für die Forschung eines der wichtigsten Dokumente,  die Auskunft über sein religiöse und geistige Persönlichkeit geben.

Die beiden Masnawi  Roschanai nameh und Saadat nameh  („Buch der Erleuchtung“ und „Buch des Glücks“) umfassen 592  bzw. 300 Doppelzeiler. Es handelt sich inhaltlich um gute Ratschläge.  Der iranische Dichter Mohammad Taqi Bahar, verstorben 1951 n.Chr. und bekannt als Malik ul Schoara,  Bahar unterstreicht in seinem Buch  sabkschenasi (Stilkunde) dass das Masnawi Saadat nameh von Nasser Chosrau Scharif Isfahani, der circa 300 Jahre später gelebt hat,  stamme. Unterdessen ordnen alle anderen  Forscher dieses Werk dem Nasser Chosrau Qabadiyani zu.   Das Werk Saadat nameh wurde 1880 n. Christus von Madame Fagnan ins Französische übertragen und erschien in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gemeinschaft Deutschlands. Vom Roschanai nameh gibt es eine Übertragung in Prosa, die von dem russischen Orientalist Vladimir Alekseevich Ivanov 1949 in Leyden herausgegeben wurde.

Das literarische Schaffen von Nasser Chosrau bestand weitgehend in der Dichtung, sowohl von der äußeren Form als auch von der innovativen künstlerischen Inhalt her. Seine Poesie stand vollständig im  Dienst seiner Denkweise. Chosrau war ein verantwortungsbewusster Dichter. Er ist die Stimme des Gewissens seines Jahrhunderts, welches in der Zivilisationsgeschichte Irans als Jahrhundert des Konfliktes zwischen den türkischen und iranischen Kräften gilt. Nasser Chosrau ist als der mutigste und deutlichste Vertreter des oppositionellen Denkens in der Farsi-Literatur und ihr Wegbereiter für wissensbasierte und mystische Dichtung  zu betrachten. Dieser Denker achtete  mit großer Sorgfalt darauf, dass sein Handeln mit seinen Aussagen übereinstimmt. Er gehört zu denen, die in der 1000-jährigen Literatur Irans einen unermüdlichen Kampf gegen Heuchelei und List eröffneten.

                         

Inhaltlich sind Weisheit und Mahnung charakteristisch für  die Dichtung von Nasser Chosrau . Sicherlich ist er in dieser Hinsicht dem Beispiel seines  Vorgängers Kasa`i Marwazi , über den wir bereits in einer der vorhergehenden Programmteile gesprochen haben, gefolgt. Nasser Chosrau war noch ein Kind als Kasa`is Leben sich seinem Ende zuneigte. Als Nasser Chosrau in Marw als Schreiber diente, waren die Gedichte von Kasa`i unter den Freunden der Literatur  und des Wissens sehr bekannt. Es liegt daher nahe, dass die poetische Schule des Kasa`i einen Einfluss auf Nasser Chosrau genommen hat, sowohl mit ihrer klaren Sprache, dem Wohlklang der Kassaiden und der präzisen Beschreibung der Natur als auch hinsichtlich der Ratschläge und Kritik an den damaligen Herrschern.

Chosrau dichtete zum Beispiel:

 

گويـی كه از نـژاد بزرگانم// گفتاری آمـدی تو نه كـرداری// بی فضـل كمتری تــو،" زگنجشكی

 

Geburt macht edel, behauptest du! Nur ein Zitat!

Die Tugend adelt mehr als das Geblüt, in der Tat.

Ohne Gelehrsamkeit und edle Taten

Bleibst du schutzlos wie ein Vogel in Not geraten

 

Sowohl hinsichtlich seines philosophischen und asketischen Denkens als auch hinsichtlich Stil und Ausdrucksweise ist Nasser Chosrau zwar daher von der  Dichtung des Kasa`i beeinflusst worden, jedoch liegt qualitativ ein großer Unterschied zwischen den Werken der beiden Dichter vor. Dieser ist so groß, dass Naser Chosrau manchmal stolz seine Poesie einen zarten Vogel und die Dichtung von Kasa`i  einen groben Sack genannt hat. 

Nasser Chosrau war tatsächlich ein sehr begabter Dichter der Farsi-Sprache. Er war sprachgewandt und besaß einen außergewöhnlichen Stil. Forscher sagen, dass seine Sprache der Sprache der Dichter gegen Ende der Samaniden-Herrschaft sehr nahe kommt. Die Samaniden herrschten bis 999 nach Christus und Chosrau wurde erst danach, im Jahre 1003 geboren. Sein Schreibstil wirkt älter als der Stil der zeitgenössischen Dichter zu Beginn der Dynastie Ghaznawiden.  

Der  Diwan von Nasser Chosrau enthält Wörter und Ausdrücke, wie sie Ende des 4. Jahrhunderts nach der Hidschra (10. Jahrhundert nach Christus) üblich waren und dieser begabte Dichter scheint völlig von dem Sprachwandel der Zeit unberührt geblieben zu sein. Dennoch hat Nasser Chosrau immer überall wo es notwendig wurde, mehr als es unter den Samaniden in der Lyrik üblich war,  neue arabische Zusammensetzungen  gebildet und zahlreiche arabische Wörter in seiner Dichtung verwendet.

                  

Nachdem Nasser Chosrau einen inneren Wandel erfahren,  sich zur ismailitischen Strömung bekannt und den Auftrag erhalten hatte, für diese schiitische Rechts- und Denkschule in  Chorasan  zu werben, besaß er neuen Stoff für seine Poesie. Wegen seiner Mission hat er, wenn er über religiöses Denken sprach, auch in seinen Gedichten die Absicht verfolgt, dieses zu verkünden. So kommt es, dass einige seiner Kassaiden mit ihren einleitenden Worten und mit dem Fazit, das er zieht,  wie eine Predigt anmuten.

Nasser Chosrau hat verschiedene Begriffe angeführt um philosophische Fragen zu erklären. Nach Ansicht von Forschern dienten im Wissensthemen in seinen Gedichten als Mittel um seine Überzeugungen verständlich zu machen.  Er hat wichtige philosophische Fragen, die in der Regel Gegenstand von Streitgesprächen waren, in seinen Gedichten dargelegt und mittels der dichterischen Sprache  gelungen das Thema durchdiskutiert und das Schlussresultat gezogen.  Nasser Chosrau dachte wissenschaftlich und deshalb ging er bei seinen Darlegungen logisch vor und führte einleuchtende Argumente an. Dementsprechend kommt in seiner Dichtung weniger dichterische  Leidenschaft und zarte Phantasie vor.

Generell achtete Nasser Chosrau weniger auf das, was für andere Dichter attraktiv ist, wie die äußeren Erscheinungen in seiner Umgebung oder von Personen. Sein Blick war mehr auf die  rationale Wirklichkeit und die Grundlagen und Überzeugungen der Religion gerichtet.  Daher sind für ihn auch die  Beschreibungen der Natur nur eine Einleitung zu religiösen und rationalen Debatte.

Nasser Chosrau ist kein Hofdichter. Sollte er zu der Zeit als er noch ein Amtsträger war, Poesie geschrieben haben,  so liegt uns zumindest heute nichts davon vor.

Er gehört zu den ersten Dichtern, die ihre Masnawis voll und ganz der Weisheit und Mahnung gewidmet haben. Ebensowenig entfernt er sich in seinen Kassaiden von seiner Denkweise.  Nach seinen eigenen Worten hat er „die kostbare Perle der Dari-Sprache nicht vor die Schweine werfen wollen“  und weil er sich von dem Weltlichen und den Weltliebenden abgewandt hatte und bei dem Hause des Propheten des Islams Halt gesucht hatte, interessierte in das Irdische wenig.

 

In der Zeit, in der Nasser Chosrau  lebte, war es weit verbreitet, die Natur zu beschreiben und die Gedichtbände der Poeten  jener Epoche flossen über von der Schilderung des Frühlings und Herbstes, des bewölkten Himmels und der Gärten voller Blumen, der Wiesen und der grünen Berghänge. Meister der Poesie wie Faruchi (von dem wir bereits berichteten)  und Manutschehri  waren berühmt dafür.

Nasser Chosrau aber nimmt auch diesbezüglich einen besonderen Platz ein.  In seinen Beschreibungen  verbirgt sich ein tiefer Sinn und sie sind von einer erstaunlichen künstlerischen Feinheit. Da er gemäß seiner Überzeugung die Welt als niedrig betrachtet, findet er es oberflächlich, den Frühling und Rosen und Narzissen und die Begeisterung für die Natur zu beschreiben. Aber dennoch ist er beeindruckt von der Schönheit der Natur. Er  beschreibt sie auf seine eigene Art. Insbesondere fühlt er sich vom  Himmel, der Sonne und den Gestirnen  angezogen.  Er hat die blaue Himmelskuppel und den leuchtenden Schmuck am nächtlichen Firmament öfters in seiner Poesie erwähnt.

            

Wir schließen für heute mit einem Satz aus dem Divan von Nasser Chosrau  über das unvorstellbare  einzigartige Wesen Gottes:

آفاق و جهان زیر اوست و او خود // بیرون ز جهان نی، نه در جهان است"

“Universum und Welt sind unter ihm, und er selbst nicht fernab, noch in der Welt.“

 

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