Aug 05, 2023 06:54 CET

Heute wird es in der Hauptsache um den Diwan-e Schamsi von Maulawi (Rumi) gehen.

Das iranische Dichtertalent Maulana Dschalal ad din Mohammad Maulawi ist weltberühmt geworden. Die Werke dieses Dichters, der im Westen Rumi genannt wird,  liegen in vielen Sprachen vor und haben zahlreiche Denker und Schriftsteller angeregt. Er hat im 13. Jahrhundert nach Christus gelebt. Zusammen mit ihnen, liebe Hörer, möchten wir seine dichterische Tätigkeit etwas  näher betrachten. Ihre Wirkung ist auch jetzt, Jahrhunderte nach seinem Tod, nicht verloren gegangen. 

 

Die Gedichte von Maulawi haben viele Freunde gewonnen. Sein großer Gedichtband – Diwan-e Kabir – dient den Maulawi-Forschern als wichtige Quelle, die ihnen Auskunft über die Denkweise dieses iranischen Dichters gibt.

Der Diwan-e Kabir umfasst 36 Tausend Doppelverse in verschiedener poetischer Gestalt wie  Ghaselen und Rab`ai  und Tardschi-Bandi (Gedichte mit Refrain). Das Buch wurde auch als Diwan-e Schams Tabrizi bekannt – Gedichtband des Schams-e Tabrizi - obwohl es nicht von dem Mystiker Schams sondern von Maulawi stammt. Hinsichtlich der Begründung dieses Titels gibt es mehrere Geschichten. Es heißt, dass Maulawi, – bevor er dem Schams begegnet ist, keine Gedichte verfasste  und er den großen Gedichtband und sein dichterisches Gesamtwerk von über 70 Tausend Doppelversen (Beit) im letzten Abschnitt seines Lebens schrieb. Das war nachdem er Schams kennengelernt hatte und nachdem dieser verschollen blieb. In den meisten seiner Ghaselen wird Schams-e Tabrizi von Maulawi erwähnt.

Der zeitgenössische iranische Literaturforscher Dr. Schafii Kadkani  sagt über den Diwan-e Kabir von  Maulawi:

„In der Farsi-Literatur und der islamischen Kultur und darüber hinaus in der Kultur der Menschheit  gibt es keine Gedichtsammlung aus der so viel Dynamik, Leben und Liebe hervorsprudelt wie es beim Diwan-e Schams der Fall ist. Wenn wir Poesie als eine Vereinigung von Gefühl und Phantasie umschreiben, so bilden Gefühl, Phantasie, Sprache, Melodie, Inhalt und Harmonie die Elemente, die sie entstehen lassen. Die Ghaselen Maulawis besitzen alle diese Elemente auf optimaler Ebene.“

Die Literaturforscher sehen in der Poesie eines Dichters die Widerspiegelung seines Denkens.  Je weiter sich der gedankliche Horizont eines Dichters  im Bereich der Kultur und der Wahrnehmung des Daseins spannt,  desto höher ist das Niveau seiner Gedichte. Die Poesie des Dichters entspringt seinen Emotionen. Die Gefühle in der Dichtung von Maulawi reichen von dem was ewig war bis zu dem was ewig sein wird, denn mit den Worten von Dr. Schafii Kadkani spannt sich  sein gedanklicher Horizont   über das gesamte Dasein und hält er sich in seiner Dichtung nicht an Kleinigkeiten und Durchschnittlichem auf. Dies hat damit zu tun, dass Maulawi sowohl in den humanen Geisteswissenschaften und der menschlichen Wissenschaft auf hoher Stufe bewandert ist, als auch in der spirituellen Erkenntnis hohe Stufen erreicht hat.  Dank dieses Wissens hat Maulawi seine Gegenwart in dieser Welt als ein Mensch erlebt, der mit einem tiefen Blick  die Welt in seiner Umgebung betrachtet und verbildlicht.

Die wichtigsten Grundgedanken  und Grundgefühle, welche die Dichtung von Maulawi prägen, sind die Weite des Daseins, Beginn und Ende der Welt, die Beziehung zwischen Gott und der Welt, die Einheit Gottes und schließlich der Mensch und was ihn betrifft, wie Liebe, Freiheit, Vollkommenheit und  die Wege der Verbindung des Menschen zu Gott.  Ein Gedicht von ihm lautet:

به مقام خاک بودی؛ سفر نهان نمودی

چو به آدمی رسیدی، هله تا به این نپایی

Vielleicht kann man es so interpretieren und übersetzen:

 

Auf der Stufe der Erde warst du, und tratest dann

 eine geheimnisvolle Reise an

Und da du nun den Rang

 des Menschen erreicht hast, gib

 bis du dies fest begriffen hast,

gut Acht

Ein Kerngedanke in den Ghaselen von Maulawi ist der Gedanke an die eigentliche Heimat des Menschen. Maulawi schildert die Sehnsucht des Menschen zur Rückkehr in diese Heimat. Eine Heimat, die natürlich nicht auf dieser Welt ist und die zu erreichen,  Anstrengungen erfordert.  Die Phantasie Maulawis und seine Perspektiven gehen so weit, dass er das Ewig-Gewesene und Ewig-Seiende miteinander verknüpft und ein Bild schafft, so groß wie alles Sein. Diese Bilder betrachten die meisten Literaturkritiker als innovativ und herausragend. Maulawi sucht Schönheit in der Herrlichkeit und Unendlichkeit  und zu ihrer Beschreibung setzt er alte und neue Sinnbilder ein. Früheren literarischen Sinnbildern verleiht er eine neue Bedeutung

Dr. Schafii Kandani sagt darüber: „Die Sinnbilder, die er aufgreift und wiederholt,  erhalten  in seiner Dichtung  größere Bewegung und mehr Leben. Die Narzisse, die in der persischen Dichtung ein Sinnbild für das Auge darstellt und das Veilchen , welches die  Trauer symbolisiert, nehmen bei Maulawi eine neue Bedeutung an, und der Leser hat nicht das Gefühl, dass diese die Narzisse und das Veilchen aus der Dichtung von Rudaki und Farochi und Manutschehri sind. Während diesen Sinnbildern bei diesen Dichtern noch äußerlichen Charakter anhaftet, wird ihnen in der Poesie von Maulawi ein Aspekt verliehen, der sich auf das Innere bezieht. Hinter der Narzisse und dem Veilchen, welche Maulawi abbildet, verbirgt sich der Mensch und verbergen sich die Probleme im Leben des Menschen mit allen ihren Ausmaßen.“

Die Ghazelendichtung von Maulawi enthält viele erstaunliche und erfolgreiche Beispiele dafür, wie  er Augenblicke seines Lebens gelungen festzuhalten vermag. Maulawi hat in seiner Dichtung viele Erfahrungen wiedergegeben. Auch wenn diese Gedichte hinsichtlich Satzmelodie, Sprache und Verbildlichung viel Abwechslung besitzen, weisen sie dennoch eine innere Einheitlichkeit auf. Diese rührt von seiner Weltanschauung und seinem festen tiefen Blick her.

 

باز آمدم چون عید نو، تا قفل زندان بشکنم

وین چرخ مردمخوار را چنگال و دندان بشکنم

 

Wieder bin ich gekommen wie das Neujahrsfest (im Frühling), zu zerbrechen das Schloss vor dem dunklen Verlies 

Und diesem menschenfressenden Rad (der Zeit) zu brechen die Klauen und das (Raubtier)gebiss.

 

Der verstorbene iranische Maulawi-Experte Badiozzam Foruzanfar sagt:

„Die Kunst der Rede und wahre Dichtung bestehen darin, dass sie eine Wirkung auf den Leser haben und ihn in das Reich der Poesie mitnehmen. Bei der Dichtung von Maulana (Maulawi) ist diese Wirkung entschieden vorhanden und besonders häufig gegeben. Das heißt keiner unserer Dichter hat so viel Freude und Stimmung und Regung im Leser hervorrufen können wie Maulana.“ 

Foruzanfar ist der Überzeugung, dass einer  der Gründe für den Erfolg der Poesie von Maulawi (Rumi) in der Anwendung verschiedener Versmaße, die den Satzrythmus bestimmen,  und verschiedener Satzmelodien liegt. Foruzanfar sagt: „Die Bekanntschaft Maulawis mit der Musik, welche in Wahrheit den Grundstoff für das Versmaß liefert, hat ihm zu einem Kapital verholfen, durch das in seiner Dichtung die Vielfalt der Versmaße im Vergleich zu anderen Dichtern wächst und seine Dichtung in Wahrheit von sich aus melodisch wird.“

Die Dichtung Maulawis ist dank des Versmaßes, des Reimes und der üblichen Elemente der Poesie klangvoll und sie besitzt ebenso wegen der Freude, Begeisterung und der Stimmung des Dichters auch einen inneren Klang. Dr. Sirus Schimai  sagt, dass die Ghaselen von Maulawi von Musik erfüllt sind, während dieses Merkmal in den Werken anderer Dichter entweder gar nicht und kaum festzustellen ist.

Viele Forscher sind der Meinung, dass – selbst wenn  Maulawi seine Gedanken und Gefühle nicht im Rahmen der traditionellen Dichtung ausgedrückt hätte,  seine Poesie dennoch – gerade wegen der natürlichen Musik, von der sie durchwogt wird, eine besondere Leidenschaft und Stimmung ausstrahlen würde.

Wir werden beim nächsten Mal wieder auf die Werke von Maulawi zurückkommen.