So wird gesagt- Teil 1
Liebe Freunde! Wir beginnen heute eine neue Serie unter dem Titel „So wird gesagt“ In dieser neuen Beitragsserie wollen wir sie in die Welt der iranischen Erzählungen, Sprichwörter und Weisheiten mitnehmen.
Wir setzen uns bei jedem Treffen zusammen mit ihnen zu den iranischen Erzählern, hören ihre Weisheiten und erfahren über die Herkunft iranischer Sprichwörter .
Es war einmal ein König, der hatte zwei Wesire. Der eine war gütig und fromm, der andere ein schlechter Mensch. Er war ein Neider, mochte den guten „Amtskollegen“ nicht und hielt nach einer Gelegenheit Ausschau, ihn beim König schlecht zu machen. Der gütige Wesir durchschaute ihn, verlor aber kein Wort darüber.
Eines Tages wurde ein Mann mit gefesselten Händen vor den König geschleppt. Der Anführer der Soldaten berichtete, dieser Mann habe den König in der ganzen Stadt beschimpft und ihm Ungerechtigkeit vorgeworfen.
Der König wurde zornig und befahl, man solle den Henker holen.
Die beiden Wesire standen neben dem armen Wicht. Sie hörten wie er wieder leise vor sich hin den König zu beschimpfen begann.
Der König verstand nicht was er sagte, sah aber wie der Todeskandidat die Lippen bewegte und so fragte er den einen Wesir, der ein guter Mensch war: „Was sagt dieser Kerl? Beschimpft er mich etwa immer noch?“
Der Wesir warf einen Blick auf das Gesicht des Mannes und sagte:
„O du gerechter König! Dieser Mann betet für euch und sagt: Gott liebt jemanden, der seinen Zorn herunterschluckt und den anderen ihre Fehler verzeiht.“
Als der König dies hörte, war sein Zorn schnell verflogen und er verzieh dem Schuldigen.
Der bösartige Wesir, dieser neidische, schlechte Mensch, hatte genau gehört, dass der Todgeweihte in Wirklichkeit erneut heftig den König beschimpfte und der andere Wesir dem König genau das Gegenteil berichtet hatte. Da dachte er bei sich: "Nun ist die beste Gelegenheit mich an diesem Wesir, der mir immer in die Quere kommt, zu rächen. Wenn ich sage, dass er gelogen hat, dann wird er vor dem König dumm da stehen. Vielleicht wird der König ihn sogar bestrafen! Das wäre doch fabelhaft!"
Deshalb sprach er zum König : „Es ist nicht richtig, dass jemand vor dem König etwas anderes sagt als die Wahrheit. Majestät! Dieser Mann da hat euch beschimpft! Er hat das und das gesagt..."
Der König wurde sehr verärgert. Wütend schaute er den Wesir an, und zwar nicht den guten sondern den bösen. Der dachte, der König sei wütend, weil der andere Wesir ihn belogen hat. Aber da irrte er sich.
Der König sagte nach einigen Augenblicken Schweigen zu diesem Bösewicht:
„Hör! Die Lüge hat mir besser gefallen als die Wahrheit aus deinem Munde. Denn dieser Wesir hier hat in guter Absicht gesprochen aber du aus Bosheit. Hast du denn nicht das weise Wort gehört: Eine wohl gemeinte Lüge ist besser als eine Wahrheit, die Unheil stiftet?"
Der gescholtene Wesir schaute beschämt zu Boden. Der König aber fuhr fort, indem er auf den anderen Wesir wies: "Er hat aus Menschenliebe und um das Leben dieses armen Wichts zu retten, die Unwahrheit gesagt. Er hat sowohl diesen Mann vor dem Tod gerettet, als auch mein Ansehen bewahrt. Aber du hattest böse Absichten im Herzen gehegt. Du wolltest dass dieser arme Kerl getötet wird und hast auch mich respektlos behandelt, indem du die Schimpfworte dieses Mannes wiederholtest und mein Ansehen verletzt hast.“
Der König befahl, den Mann freizulassen.. Er belohnte den menschenfreundlichen Wesir und enthob den neidischen seines Amtes. Wie heißt es noch so schön: Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Das sagt man auch in unserem Lande.
Übrigens diese Geschichte wurde frei nach einer Geschichte aus dem Golestan des iranischen Dichters Saadi erzählt.
Das iranische Sprichwort, das wir heute bringen lautet wörtlich:
„Er sitzt auf dem Ast und sägt ihn selber ab“
Es heißt, dass dieses Sprichwort auf folgende Geschichte zurückgeht.
Ein Dieb schlich sich in einen Garten. Er bestieg einen Baum und begann Früchte zu pflücken. Da kam der Besitzer des Gartens durchs Tor und entdeckte den Dieb in der Baumkrone. Schnell lief er herbei und rief : Was machst du da oben, du Bösewicht?
Der Dieb wusste nicht, dass er den Gartenbesitzer vor sich hat und sagte: "Hast du keine Augen im Kopf. Ich arbeite! Das ist doch mein Garten!"
Kaum hatte er zu Ende gesprochen, da packte sich der andere einen Stock und versetzte dem Dieb auf dem Ast ein paar kräftige Hiebe auf die herabhängenden Beine. Dabei rief er aufgeregt: "Seit wann gehört dieser Garten dir?"
Der Dieb dachte bei sich: "Nicht dass diesem Mann wirklich der Garten gehört! Vielleicht ist es auch der Besitzer vom Garten nebenan!" Jedenfalls zog er schnell die Beine hoch. Dann angelte er ein Messer aus der Hosentasche, schnitt mit der Klinge eine Kerbe in den Ast, auf dem er saß und begann zu sägen. Dem Mann aber rief er zu: "Lass mich gefälligst in Ruhe. Der Besitzer dieses Gartens hat mir gesagt, dass ich die überflüssigen Zweige absägen soll."
Da musste der Gärtner lachen. Er sagte: "Schäm dich und lüg nicht so viel. Ich bin doch der Besitzer des Gartens. Wann habe ich dir gesagt, dass du die überflüssigen Zweige an meinen Bäumen absägen sollst?"
Nun hatte sich der Dieb also noch mehr verstrickt. Er wollte schnell die nächste Lüge aushecken, als der Gartenbesitzer im friedfertig sagte:
"Komm, steig endlich herunter. Vernunft ist doch etwas Schönes. Du sägst genau den Ast durch, auf dem du sitzt. Es fehlt nicht mehr viel, dann bricht er ab und du fällst von da oben herunter."
Der Dieb stieg beschämt vom Baum herab. Würde ihn der Besitzer dieses Gartens jetzt bestrafen und zum Kadi bringen?
Der Gartenbesitzer aber hatte sich beruhigt und so machte sich der Obstdieb schnell aus dem Staub.
Aus dieser Episode entstand das Sprichwort: "Er sitzt auf dem Ast und sägt ihn selber ab." Diese sprichwörtliche Redewendung wird im Volksmund auf jemanden verwendet, der etwas tut, was zu seinem eigenen Nachteil ist.
Zum Abschluss noch ein weises Wort von Saadi:
Wer mit jemanden, der mehr weiß, einen Wortstreit führt, um feststellen ob er weise ist, der sollte wisse, dass er selber nicht weise ist.