So wird gesagt- Teil 25
Liebe Hörerfreunde! Wir bringen auch heute eine Fabel aus dem Werk Kalileh wa Demneh. Danach werden wir wieder ein persisches Sprichwort erklären.
Ein Jagdvogel war während der Jagd versehentlich von einem Pfeil getroffen worden. Er sank in der Nähe eines Hühnerstalls zu Boden. Eines der Hühner hörte ihn ächzen und kam herbei: Lieber Falke. Brauchst du Hilfe?
Der Falke aber rief: „Wenn ich mir von jemanden helfen lassen will, dann auf keinen Fall von dir. Geh weg. Ich will nichts mit dir zu tun haben. Du stellst dich nur freundlich!“
Das Huhn fragte verwunderte: „Wie kommst du darauf? Warum magst du mich nicht?“
Der Falke: „Ich möchte mit einem undankbaren Wesen wie dir nichts zutun haben.“
Das Huhn war immer noch nicht schlau: „Wieso undankbar? Was wirfst du mir da vor? Ich bin ein einfaches Haustier und du bist ein wilder Vogel! Wer nicht logisch spricht, ist ungerecht. Wieso nennst du mich undankbar?“
Da krächzte der Falke: „Die Menschen behandeln dich gut, füttern dich und bereiten dir ein gemütliches Lager. Aber du zeigst dich nicht erkenntlich dafür. Und wenn sie dich einfangen wollen, versuchst du ihnen davon zu laufen und führst dich wilder auf als jeder Vogel der in der Wildnis lebt. Aber wir Falken sind da anders. Wir sind wilde Tiere, aber wir bleiben dem Menschen, der uns füttert , treu und gehorchen ihm. Wir fliegen ihm niemals davon und sind besser als Stallhühner.“
Das Huhn verteidigte sich: „Du hast deine Gründe vorgebracht. Jetzt lass mich reden. Manchmal fällen Leute ein falsches Urteil über andere, weil sie nicht gut informiert sind. Sie urteilen, nach dem äußeren Schein. Du hast denselben Fehler gemacht. Du hast nur gesehen, dass ich vor den Menschen geflohen bin, aber du weißt nicht weswegen. Die Menschen geben dir Futter und du fängst für sie Beutetiere . Sie geben mir Wasser und Körrner und ich lege Eier für sie. Bis dahin gibt es also keinen Unterschied zwischen dir und mir. Aber hör zu: Wenn sie dich rufen, hat es einen Grund, dass du ihnen zuhörst, aber ich habe auch meine Gründe wegzulaufen, wenn sie mich rufen.“
Das Huhn fuhr fort: „Du hat niemals einen gerösteten Falken über dem Feuer gesehen, nicht wahr? Deshalb machst du dir auch keine Sorgen. Aber ich habe schon vieles gezupfte Federvieh auf dem Spieß über dem Feuer erblickt. Deshalb fürchte ich um mein Leben und suche das Weite. Du würdest den Menschen nicht mehr nahe kommen, wenn du nur einen der Kameraden auf einem Bratspieß gesehen hättest. Du würdest von einem Berg zum nächsten flüchten, so wie ich von einem Dach zum anderen fliehe.“
Da gab der Falke dem Huhn recht und gestand:
„Ich habe nur den äußeren Schein der Dinge gesehen. Wirklich! Keiner sollte oberflächlich urteilen. Manchmal denken wir, jemand macht etwas falsch, aber wenn wir der Sache nachgehen, sehen wir dass sie im Recht sind.“
Nun sind wir bei unserer zweiten Geschichte, anhand derer wir ein Sprichwort verständlich machen wollen, angelangt. Das Sprichwort lautet: ta bechahi begui char nistam, sad charwar bar be poschtet gozaschtand. Die Übersetzung heben wir uns für den Schluss auf.
Unsere heutige Geschichte stammt aus längst vergangenen Zeiten. Der Gouverneur eines Gebietes wollte gegen den eines anderen in den Krieg ziehen. Er befahl, dass jeder der ein Pferd hat, es herbeibringen soll, damit seine Soldaten in den Kampf ziehen und Proviant und Waffen mitnehmen könnten. Die Untertanen lieferten ihre Pferde nur ungern beim Gouverneur ab. Denn sie brauchten es selber.
Die Zahl der Pferde reichte nicht aus um den Krieg zu ziehen. Da beriet der Gouverneur sich mit seinen Leuten und so ordnete er an, dass auch alle Esel herbeizubringen seien.
Die Leute des Gouverneurs zogen aus und wo immer sie einen Esel antrafen, warfen sie ihm das Zaumzeug um und brachte ihn zum Palast. Sie klopften an alle Häuser an und befahlen jedem der auf einem Esel ritt, sofort abzusteigen.
Jeder versuchte wenigstens einen seiner Eselstiere für sich zu behalten. Aber wenn der Esel dann sein Ia Ia aus dem Versteck ertönen ließ, gab es Ärger.
Die Leute helfen einander beim Eselverstecken und wer sich an jemandem rächen wollte, der verriet, wer wo einen Esel versteckt hielt.
Weit entfernt von diesem Durcheinander passte ein Hund auf eine Schafsherde auf. Er rannte hin und her um rechtzeitig festzustellen, ob sich ein Wolf der Herde näherte. Unterdessen saß der Schäfer im Schatten eines Baumes und war zuversichtlich, dass sein treuer Hund gut auf die Herde achtgibt.
Der Hund ließ seine Augen bis in weite Fernen umherschweifen. Da sah er ein Tier herbei gerannt kommen. War es ein Wolf? Oder vielleicht ein Hund? Oder…? Er ging in Abwehrstellung. Wer dieses Tier auch sein würde, er würde ihm die Zähne zeigen. Da erkannte er in der herannahenden Staubwolke einen Fuchs und atmete auf. Ein Fuchs konnte ja den Schafen nichts antun. Aber den Fuchs konnte er trotzdem nicht leiden. Deshalb wollte er ihn necken. So begrüßte er ihn: „Hallo Herr Fuchs! Was machst du denn hier? Du hast es aber eilig!“
Der Fuchs rief außer Atem: „Hast du denn nicht gehört, was los ist? Die Leute des Gouverneurs sammeln alle Esel ein. Die wollen sie beladen und in den Krieg mitnehmen.“
Der Hund lachte von ganzem Herz: „Die wollen Esel zusammentreiben. Na und? Du bist doch kein Esel, oder? Warum bist du dann weglaufen. Nicht dass auch du ein Esel bist, und ich wusste nichts davon!“
Der Fuchs sagte: „Ich weiß selber. dass ich kein Esel bin. Aber ich dachte , die nehmen so viele Esel gefangen, da habe ich Angst bekommen, Leute die mich nicht mögen, werden mich auch als Esel abstempeln. Bis ich dann nachgewiesen haben, dass ich gar keiner bin, haben sie mir schon hunderte Lasten aufgeladen.“
Der Hund wollte den Fuchs tüchtig aufziehen und sagte:
„Wirklich! Nicht umsonst heißt es dass der Herr Fuchs sehr klug ist. Ich glaube du hast recht. Am besten lass ich mich auch nicht blicken und bleib hier vor der Stadt, sonst könnte es sein, dass sie mich auch für einen Esel halten und mir 100 Lasten auf den Buckel binden.“
Das Sprichwort: „Bis du sagen willst: Ich bin doch kein Esel, haben sie dir schon 100 Lasten aufgeladen!“ verwendet jemand, der übervorsichtig ist, von vorneherein bei einer Sache nicht mitmachen will, und bevor sich die anderen über ihn beschweren, abwehren will.