So wird gesagt- Teil 42
Liebe Hörerfreunde! Wir laden Sie wieder zu einem Beitrag über iranische Geschichten und Sprichwörter ein. Hier wieder eine Geschichte in Anlehnung an Saadis Werk „Bostan“ .
Ein paar Leute saßen beieinander und unterhielten sich. Einer von ihnen begann plötzlich nachteilig über einen Bekannten zu sprechen, der in ihrer Runde fehlte. Da meldete sich ein weiser Darwisch und sagte: „Darf ich dich etwas fragen?... Hast du schon mal an einem Krieg gegen die Feinde des Islams teilgenommen?“
Der Mann fragte erstaunt: „Wieso?“
Der Darwisch antwortete : „Nun. Ich möchte gerne wissen ob du bislang schon einmal gegen die Feinde in den Krieg gezogen bist oder nicht?“
Da antwortete der andere, der gerade eben über einen abwesenden Freund gelästert hatte: „Nein! Ich habe diese Stadt noch nie verlassen!“
Da sagte der Darwisch: „Ich habe noch niemals jemanden gesehen, der so unglückselig gewesen wäre wie du! “
Der Mann wunderte sich noch mehr. Außerdem ärgerte er sich und er fragte wieder: „Was sollen diese Anspielungen? Ich versteh nicht was du meinst. Ist jemand, der nicht gegen die Feinde des Islams kämpft, ein unglückseliger Mensch?“
Der Darwisch wieder: „Du sagst, du hast nicht an dem Krieg gegen die Feinde des Islams teilgenommen. Diese sind also vor dir sicher! Wer nicht vor dir sicher ist, sind deine muslimischen Brüder. Sie sind nicht sicher vor deiner Zunge!“
Der Mann schwieg und begann nachzudenken. Der Darwisch aber fuhr fort: „Du sollst eines wissen: Wenn ein Bekannter abwesend ist, sind seinen Freunden und Gefährten zwei Dinge aus der Sicht der Religion nicht erlaubt: Zum einen dass sie von seinem Besitz wegnehmen und zum anderen, dass sie schlecht und nachteilig über ihn reden.“
Dann wandte sich der Darwisch auch an die anderen und sagte: „Hört diesem Mann, der über jemanden, der nicht hier ist, übel redet nicht zu und redet nicht mit ihm, denn genauso wie er jetzt über jenen Freund schlecht redet, wird er anderswo über jeden von euch herziehen.“
Der Übeltäter bereute sein Verhalten und schloss sofort mit seinen Freunden das Bündnis, nicht mehr hinter dem Rücken anderer über ihre Nachteile zu reden.
Der Darwisch lobte ihn und sagte weiter: „Ja, denk immer dran niemals Nachteiliges über andere zu berichten, außer in drei Fällen. Wenn du über folgende drei Arten von Menschen Nachteiliges weiter erzählst ist es keine Sünde:
Erstens einen König, der ungerecht ist und die Menschen misshandelt. In einem solchen Fall muss über diese Person gesprochen werden, damit die Menschen über ihn Bescheid wissen und sich vor ihm schützen.
Zweitens: Ein sündiger liederlicher Mensch, der bereits zuvor sein Ansehen verloren hat, bevor du überhaupt etwas über ihn weiter erzählt hast.
Drittens Barzaarleute, die von der verkauften Ware abzwacken oder sie horten oder Waren zu Wucherpreisen verkaufen.
Die anderen Leute müssen unbedingt über sie erfahren und man darf hinter ihrem Rücken darüber berichten.
Da stimmte ihm der andere zu und sagte: „Du hast Recht. Ein Händler der am helllichten Tag betrügt ist schlimmer als ein Dieb, der sich im Dunkeln ans Werk macht.“
Bei unserem Sprichwort handelt es sich in dieser Woche um folgenden Reimspruch Taapesch Pandsch wa Naanesch Tschahar. Man heyranam as in Kaar.
Eine alte Frau war auf beiden Augen blind. Sie hatte auch kein Geld um jemanden einzustellen, der ihr hilft, und war viel zu schwach selber ihre Arbeiten zu erledigen. Sie besaß vieles nicht, aber dafür war sie sehr klug. Wenn jemand von den Nachbarn ein Problem hatte, ging er ratsuchend zu dieser alten blinden Frau . Sie wusste immer eine gute Lösung und machte sich auf diese Weise nützlich. Daher kümmerten sich auch die Nachbarn gerne um sie und halfen ihr ihre Probleme zu beseitigen und ihr das Leben leichter zu machen.
Jemand versorgte sie mit Fleisch, ein anderer mit Mehl. Wieder ein anderer mit Obst. Einer backte für sie mit dem Mehl Brot und ein anderer bereitete eine Speise für sie vor.
Einmal, es war schon Abend und die alte Frau hatte etwas gegessen und ihre Bettlager ausgebreitet, hörte sie plötzlich Geschrei aus dem Nachbarhaus . Das Ehepaar im Nachbarhaus war in Streit geraten. Da stand die alte Frau auf und tastete sich mit ihrem Stock bis zum Haus des Nachbarn vor. Sie klopfte an. Es wurde ihr die Tür geöffnet und sie trat in die Stube ein. Dann rief sie Mann und Frau zu sich, hörte ihnen zu und versöhnte sie schließlich miteinander. Danach kehrte sie wieder nach Hause zurück. Der Nachbar war sehr froh, dass sich die alte Frau eingeschaltet hatte und der Streit zu Ende war, aber der Nachbarin hatte das ganze nicht gefallen. Die alte Frau hatte nämlich ihrem Mann Recht gegeben und nicht ihr.
Am nächsten Tag nahm die alte Frau etwas Mehl und ging zum Nachbarhaus. Sie gab es der Nachbarin und bat: „Wenn du heute Brot bäckst, dann back auch für mich mit diesem Mehl ein paar Fladen. Es sei dir gelohnt!“
Aber die Nachbarin war böse auf die alte Frau und antwortete schnippisch: „Ich habe keine Zeit einen Teig mit deinem Mehl zuzubereiten.“
Da sagte die alte Frau: „Das macht nichts. Den Teig bereite ich selber zu.“ Sie holte ein wenig Wasser und machte sich an die Arbeit. Unterdessen backte die Nachbarin ihr eigenes Brot. Die alte Frau reichte ihr schließlich die Schüssel mit dem Brotteig, damit die Frau ihr Brot backt. Der Nachbarin blieb nichts anderes übrig. Sie formte 5 Fladen breitete sie auf dem Brett aus und klatschte sie nacheinander gegen die heiße Wand des irdenen Backofens. Als die Brotfladen gar waren, gab sie der alten Frau aber nur vier davon und hielt einen für sich zurück. Die alte Frau zählte die Fladen und stellte fest: „Das sind ja nur vier!“
Die Frau sagte: „Zu mehr hat dein Teig nicht gereicht!“ Da sagte ihre blinde Nachbarin: „Fünfmal gab es einen Klatsch und nur viermal Brot. Das wundert mich: Taapesch pandsch wa Naanesch Tschahar. Man heyranam as in Kaar!“
Da begriff die Nachbarin, dass die alte Frau nicht so leicht hinters Licht zu führen war. Sie sagte eilig: „O, ich habe eines von deinen Broten auf die falsche Seite gelegt! Hier nimm es!“
Die alte Frau aber begriff, weshalb ihre Nachbarin nicht gut auf sie zu sprechen war . Daher sagte sie: „Du solltest mir nichts übel nehmen. Wenn zwei sich streiten ist immer nur einer im Recht und der andere nicht. Nie verlassen beide Seiten eines Streites zufrieden den Richter.“
Da schämte sich die Nachbarin über ihr Verhalten und entschuldigte sich bei der alten Frau. Das Sprichwort: „Fünfmal gab es einen Klatsch und nur viermal Brot. Das wundert mich!“ verblieb im Volksmund und wird von jemandem benutzt, der das Gefühl hat, ein anderer will ihn täuschen.