Iranisches Kunsthandwerk (29 - Glasfenster, Hinterglasmalerei)
In der internationalen Glasindustrie werden über 2500 verschiedene Glassorten angefertigt, die jede ihre spezifischen Eigenschaften hat, und auch im Glas-Kunsthandwerk begegnen wir einer Vielfalt von Kunststilen. Im Iran genießt die Provinz West-Aserbaidschan einen guten Ruf für schöne Glaskunst.
Seit circa Tausend Jahren gibt es im Iran farbige Fenster. Für den Bau eines bunten Fensters werden erst auf einem Entwurf Gestaltung und Farben festgelegt. Das Papier wird auf das bunte Glas mit der entsprechenden Farbe aufgelegt und eine Glasscheibe in entsprechender Form gemäß dem Entwurf herausgeschnitten. Jede Scheibe wird eingerahmt. Die einzelnen Scheiben werden zusammengelegt und miteinander verlötet. Das Ganze wird daraufhin im Fensterrahmen angebracht. Im Abgineh-Museum in Teheran werden schöne Exemplare von alten bunten Fenstern aufbewahrt.
Buntes Fensterglas spielt eine wichtige Rolle in der iranischen Architektur. Nicht nur an bekannten Gebäuden sondern auch in den Häusern der normalen Bevölkerung hat man einmal Buntgläser an den Fenstern verwendet, insbesondere in den Gebieten nahe der Wüste. Denn dort gibt es erstens eine sehr intensive Sonnenbestrahlung und außerdem ist die Farbenvielfalt in der Natur sehr gering, so dass man auf diesen Weise einen Ausgleich schafft.
Bei der Schaffung von bunten Fenstern geht es natürlich nicht nur um das schöne Aussehen, sondern buntes Fensterglas schützt auch die Bewohner eines Hauses vor zu starkem Licht und der Wärme sowie vor fremden Blicken in die Privaträume .
Bunte Fenster haben auch eine wohltuende Wirkung auf die Seele. Als Beispiel können wir das Spiel von Licht in Farbe im Haus der Tabatabais, eines der historischen Bauwerke in der für ihr Rosenwasser bekannten Stadt Kaschan, in der Provinz Isfahan, nennen. Dieses Gebäude ist über 100 Jahre alt und weist eine besondere traditionelle Architektonik auf. Dazu gehört auch die Verwendung von buntem Fensterglas. Je nach dem Zeitpunkt und dem Winkel, mit dem das Sonnenlicht durch die bunten Fenster einfällt, dominiert einer der Farben im Raum. Zum Beispiel mittags die Farbe Rot, welche den Appetit anregt und nachmittags die Farbe Violett, welche die Insekten aus dem Zimmer verjagt, damit sie die Bewohner nicht beim Mittagsschlaf stören.
Bunte Fenstergläser erzeugen eine ruhige, friedliche Stimmung unter den Bewohnern eines Hauses. Das Licht- und Farbenspiel sorgt von Stunde zu Stunde für Abwechslung und neue Frische.
Im modernen Leben spielt buntes Glas auch noch eine wichtige Rolle. Es wird gerne für die Werbung benutzt oder für Innendekor – zum Beispiel bei Trennwänden für die Aufteilung von Räumen und zur abwechslungsreichen Gestaltung von öffentlichen Stätten wie U-Bahn-Stationen, Flughäfen usw.
Die Glaskunst ist aber nicht nur mit der Architektur verknüpft sondern auch mit der Malerei. Die Bemalung von Glasgefäßen ist seit Jahrhunderten bei allen Völkern beliebt und in den Museen gibt es eine Vielfalt von Ausstellungsexemplaren.
Glas eignete sich gut als Untergrund für die Malerei, denn dieses Material gibt auf beste Weise das große Spektrum der Farben wieder. Ein einfaches Glasgefäß wird schon durch ein paar einfache Malstriche schöner und erst recht wenn es kunstvoll bemalt und fein zurechtgeschliffen wurde.
Die Bemalung von Glas (welche auch als Naqaschi poscht-e Schischeh – Hinterglasmalerei bekannt wurde) haben die Iraner wahrscheinlich bei den Deutschen übernommen.
Wie der Geschichte zu entnehmen ist wurde bemaltes Glas zuerst vom italienischen Venedig aus in andere Länder ausgeführt. So gelangte auch in die iranischen Häfen am Persischen Golf und fand bei der Bevölkerung Gefallen.
Wer sich ein wenig mit der Geschichte der iranischen Kunst auskennt, weiß, dass das 10. Jahrhundert nach der Hidschra, d.h. das 16. Jahrhundert nach Christus für die iranische Kunst den Beginn einer goldenen Ära brachte. Dies ist der Gründung der Dynastie der Saffawiden , die Isfahan zur Hauptstadt wählten, zu verdanken . Aus dieser Zeit sind sehr schöne Exemplare iranischer Glaskunst erhalten geblieben. Während der Zand-Dynastie (1750- 1779) errichtete der Herrscher Karim Chan Zand auch in Schiras zahlreiche Glaswerkstätten. Die Schiraser Glaskünstler wurden für ihre schön verzierten Glasgefäße in grellem Blau, dunklen Grün, Gelb und Dattelfarbe bekannt.
Unter den Qadscharen, die danach bis 1925 herrschten, haben Premierminister wie Qaim Maqam Farahani und der berühmte Amir Kabir wesentlich zur Gründung von neuen Glaswerkstätten in verschiedenen Teilen Irans beigetragen. Diese fertigten auch Flachglas an, welches für die Bemalung gut geeignet war. Von da an wurde die Hinterglasmalerei beliebt und viele Kunstmaler wandten sich diesem Kunstzweig zu.
Die iranische Hinterglasmalerei kann thematisch unterschieden werden. Einige dieser Kunstwerke sind Kalligrafie oder Kalligrafie-Malerei mit religiösen Inhalt. Andere sind Illustrationen zu bekannten Erzählungen oder Nachbildungen traditioneller Kaffeestuben-Malerei. In einigen Hinterglasmalereien wird nicht nur Farbe sondern auch anderes Material zur Verzierung hinzugenommen. Für die Gewänder auf Abbildungen von Persönlichkeiten der Religionsgeschichte wurden auf alten Hinterglasmalereien Seidenfäden in das Gemälde eingearbeitet. Oder man verwendete auch goldenes oder silbernes Glanzpapier aus Europa. Zur Zeit der Qadscharen war jahrelang das Vogel-Blume-Motiv dominierend bis die Künstler sich anderen Motiven zuwandten wie die Gebäudefassaden von Kirchen in Europa oder Landschaftsidyllen. Die meisten dieser Werke entstanden in Isfahan.
Heute stehen für die Hinterglasmalerei spezielle Farben zur Verfügung. Sie werden unterschieden nach
- Farben, die mit Wasser vermischt sind und nicht im Ofen gebrannt werden müssen –
- besondere Glasfarben, die einen Brennprozess im Ofen erfordern
- Und Farben mit Universalverdünnung, die meistens transparent sind, und ein Brennen im Ofen erübrigen. Man muss bei letzteren nur beim Abwaschen der bemalten Gefäße vorsichtig sein.
Heutzutage sind im Iran vor allen Dingen kleine Hinterglasmalereien gefragt, zum Beispiel im Format 35 mal 45 cm. Die Hinterglasmalerei wird auch für Spiegel und für Raumausschmückung verwendet.