Lotsen zum göttlichen Hafen (und ihre Politik) (48)
Wir sprechen heute über einen weiteren Abschnitt im Leben Imam Sadiqs (F).
Im letzten Programm haben wir auf den Übergang der Macht von den Umayyaden auf die Abbasiden berichtet und Sie haben erfahren, dass einige aus der Nachkommenschaft des Prophetenonkels Abbas mit einem schönen Spruch die Rückgabe des Kalifats an die Nachkommen Mohammads verlangten. Imam Sadiq (F) durchschaute ihre Pläne und beteiligte sich nicht an dem Kampf der Abbasiden gegen die Umayyaden. Einige mögen sich fragen, warum er diese Gelegenheit nicht nutzte. Auf diese Frage sollten wir etwas näher eingehen.
Der wichtigste Grund für dieses Vorgehen Imam Sadiqs (F) ist wahrscheinlich die Tatsache, dass man nach dem Ableben des Propheten Ali außer Acht ließ, obwohl der Prophet ihn in Ghadir vor 120 Tausend Muslimen, auf Befehl Gottes, als seinen Nachfolger vorgestellt hatte. Die meisten hatten den Treueid, den sie Ali in Ghadir geschworen hatten, gebrochen und schlossen sich nach dem Verscheiden des Propheten denen an, die in Saqifa eigenmächtig unter sich einen Kalifen ausgewählt hatten. Sie haben sogar den Kontakt zu Ali (F) abgebrochen. Nachdem sie 25 Jahre lang Ali als den vom Propheten bestimmten Nachfolger ignoriert hatten, drängten sie ihn zur Übernahme des Kalifats, zwangen ihm dann drei Kriege auf (Dschamal, Siffin, und Nahrawan ) und machten ihn schließlich zum Märtyrer.
Ein weiterer Grund waren für Imam Sadiq die bitteren Erfahrungen des Imam Hasan (F). Diesen hatten viele kurz nach Beginn des Krieges gegen Muawiya im Stich gelassen und auch hatten die Kufaner danach Imam Husein (F) verraten und waren sogar auf die Seite von Yazid, Sohn des Muawiya, übergewechselt und hatten auf diese Weise die Herrschaft der Umayyaden gefestigt. Daher hatte Imam Sadiq (F) keine Vertrauensmänner mit deren Hilfe er sich durchsetzen und an das Kalifat gelangen konnte. Dies ist an dem Gespräch, das der Imam mit einem seiner Getreuen führte, zu sehen.
Sudair Ibn Hakim berichtet: „Ich ging zum Imam und fragte ihn: `Warum erhebt ihr euch nicht zum Aufstand? ` Hadhrat sagte: ` Warum sagst du das? ` Ich: `Ihr habt viele Freunde und Anhänger! ` Er sagte: `Was meinst du wie viele es sind? ` Ich: `Hunderttausend! `Hadhrat sagte verwundert: `Hunderttausend?!` Ich: `Ja! Vielleicht auch Zweihunderttausend!` . Er wiederholte meine Worte: „Zweihunderttausend?!`Daraufhin schwieg er.
Wir gingen vor die Stadt (Medina) und begegneten einer Schafsherde. Da sagte Hadhrat-e Imam Sadiq unter Seufzern und mit Bedauern: `Bei Gott! Ich würde mich sofort zum Aufstand erheben, wenn ich nur so viele treue Helfer und wahre Anhänger hätte wie Schafe in dieser Herde sind!`“ Es heißt dass diese Herde aus 17 Tieren bestand.
Wie seine Vorgänger konnte auch Imam Sadiq (F) dennoch nicht gegenüber den Herrschern die zu Unrecht die Stellvertretung des Propheten an sich gerissen hatten, gleichgültig bleiben. Sein erster politischer Schritt bestand darin, dass er die Rechtmäßigkeit der Abbasidenherrscher ablehnte. Imam Sadiq (F) hat gesagt: „Auf jeden, der bei einem ungerechten Richter oder Sultan Schutz sucht und möchte, dass sie Urteile fällen, trifft folgender Koranvers zu:
`Siehst du nicht jene, die behaupten, an das zu glauben, was zu dir (als Offenbarung) herabgesandt worden ist, und was vor dir herabgesandt wurde, während sie sich in Entscheidungsfragen an falsche Götter (die verräterischen Richter und Herrscher) wenden wollen, wo ihnen doch befohlen worden ist, sie zu verleugnen?`“ Damit zitierte der Imam aus dem Vers 60 der Sure 4 (Nisa), der wie folgt zu Ende geht:
„Aber der Satan (agiert hierbei und) will sie weit in die Irre führen (weitab vom Weg Gottes).“
Imam Sadiq (F) rief seine Anhänger auf, dass sie keine Geschäfte mit dem abbasidischen heuchlerischen Herrscherapparat betreiben und nicht mit ihm zusammenarbeiten. Um die Bedürftigen unter den Schiiten finanziell zu unterstützen, ließ sich der Imam gemäß Bericht einer seiner Treuen namens Mualla ibn Hunais die Khums-Steuer von den Gläubigen geben und verwendete sie entsprechend. Er gab auch keine Gelegenheit aus der Hand, um die heuchlerischen Abbasidenkalifen zu bekämpfen, damit keiner von den Gläubigen von ihnen eingenommen wird. Einmal sagte er zu einer Gruppe seiner Schüler: „ Ich bin auf keinen Fall bereit, ein Problem zugunsten der Unterdrücker zu lösen oder ihnen eine Last abzunehmen. Bei Gott! Ich bin auf keinen Fall geneigt, etwas zu ihren Gunsten zu Papier zu bringen, denn am Jüngsten Tag werden die Unterdrücker und ihre Helfer im Feuer brennen.“
Um zu demonstrieren, dass es an erster Stelle die Pflicht der Religionsgelehrten und religiösen Führer ist die unterdrückerischen unrechtmäßigen Regimes zu bekämpfen, hat der Imam wie folgt gesagt:
„Die Religionsgelehrten sind Stellvertreter der Propheten. Wenn ihr einem Rechtsgelehrten begegnet, der der Herrschaft der Unterdrücker zugeneigt ist, dann vertraut ihm nicht, verurteilt seine Haltung zur Religion und sorgt dafür, dass er in der Gesellschaft kein Ansehen mehr genießt.“
Einmal stellte jemand Imam Sadiq (F) folgende Frage: „Die breite Masse der Juden, welche ihre Gelehrten nachahmt, ist von Gott dafür gerügt worden. Aber die Muslime tun doch das gleiche und ahmen auch ihre Gelehrten nach. Worin besteht da der Unterschied zwischen beiden?“
Imam Sadiq (F) antwortete ihm: „Die breite Masse der Juden kannte ihre Gelehrten und wusste, dass sie lügen und sich unrechtmäßigen Besitz einverleiben, Bestechungsgelder annehmen und die Gebote Gottes manipulieren. Wenn sie jemandem feind waren, haben diese Gelehrte seine Rechte verletzt und wenn sie mit jemanden befreundet waren, haben sie ihn verteidigt.“ Der Imam sagte auch: „Die breite Masse der Juden hat, obwohl sie über alle diese Eigenschaften Bescheid wussten, aus blindem Eifer dennoch ihre Gelehrten nachgeahmt. Und gerade deswegen zogen sie den Tadel Gottes auf sich.“ Der Imam fügte hinzu: „Wenn die breite Masse der Muslime ebenso Rechtsgelehrte nachahmt, die mit diesen Eigenschaften behaftet sind, wird sie wie die breite Masse der Juden sein und von Gott getadelt werden.“
Der eine oder andere mag sich an dieser Stelle fragen wie sich die Gläubigen denn angesichts der Pflicht, sich in religionsrechtlichen Fragen nach einem Rechtsgelehrten zu richten, verhalten sollen.
In jeder Angelegenheit ist es selbstverständlich vernünftig, sich nach einem Sachverständigen zu richten. Ist jedoch jeder Sachverständige geeignet? Sollte man nicht erst genau überprüfen, um wen es sich bei dem Experten unserer Wahl handelt und ob wir uns auf seine Weisungen verlassen und ihn nachahmen können?
Imam Sadiq (F) nennt die Eigenschaften, die ein zuverlässiger Rechtsgelehrter, den die Menschen nachahmen können, mitbringen muss. Er sagt: „Wenn einer der Rechtsgelehrten das aufsässige Ego gezügelt hat und die Hoheitssphäre der Religion Gottes bewacht und anstelle der Wünsche des Ichs die göttlichen Befehle befolgt, dann sollen sie (die Menschen) ihn nachahmen und auf ihn hören.“ Der Imam fügte jedoch hinzu: „Nur eine kleine Gruppe unter den Rechtsgelehrten besitzt diese Vorzüge.“
Diese elementare Anweisung war nicht nur für das Zeitalter Imam Sadiqs (F) bestimmt, sondern ist allerorts und jederzeit von den Muslimen zu beachten. Gemessen an diese Richtlinie, die Imam Sadiq (F) beschrieben hat, haben sich nicht nur einige jüdische und christliche sondern auch sunnitische und schiitische Gelehrte wegen persönlicher Interessen in den Dienst der Kapitalisten des internationalen Lagers arroganter Mächte gestellt.
Wie dem auch immer sei: Imam Sadiq (F) hat sich nicht in den Machtkampf, zwischen Umayyaden und den Abbasiden eingemischt und er hat wegen dem Mangel an zuverlässigen Helfern auf einen Aufstand verzichtet. Aber er ist dennoch gegenüber denen, die das Kalifat an sich gerissen hatten, nicht untätig geblieben und hat sie ebenso wie die vorherigen Imame bekämpft.
Einmal schickte Mansur, einer der abbasidischen Kalifen, dessen Regiment zehn Jahre mit dem Imamat von Imam Sadiq (F) zusammenfällt, diesem eine Botschaft und ließ ihn fragen, warum er nicht an seinen Hof komme. Der Imam ließ ihm ausrichten: „Weder bin ich jemand, der die Welt und ihren Prunk liebt, so dass ich geneigt wäre, von dir zu profitieren, noch bist du jemand, der Fürsorge für das Jenseits trifft, so dass ich mir gerne bei dir einen Proviant für mein Jenseits speichern würde.“
Einmal, so berichtet einer vom Hofe Mansur Abbasi, setzte sich eine Fliege auf dessen Gesicht. Mansur versuchte vergeblich sie zu verscheuchen und wurde missmutig. Als Imam Sadiq (F) hinzukam, fragte Mansur ihn: „Warum hat Gott die Fliege erschaffen?“ Da sagte der Imam unumwunden: „Damit er durch sie die Widersacher erniedrigt.“
Die entschiedenen Standpunkte des Imams verärgerten den Diktator Mansur immer mehr und er verschärfte seine einschränkenden Maßnahmen gegen den Imam und seine Anhänger. Er befahl sie zu drangsalieren und ließ sie durch seine Spitzel beobachten. Imam Sadiq (F) wandte eine neue Taktik an, worüber wir im nächsten Teil berichten.