Oct 25, 2020 12:37 CET

Wie wir schon beim letzten Mal sagten, haben der Prophet und die Imame aus seinem Hause verschiedene Wege genutzt, um die Menschen zur Gotteskunde und zum Glauben an nur den Einen Gott aufzurufen. Manchmal benutzten sie die Logik und manchmal nutzten sie die Gott gegebene Natur des Menschen – seine Fitra.

 

 

Wir öffnen ein weiteres Kapitel über das religiöse Wissen der Ahl-ul-Bait des Propheten und beginnen mit einem Wort von Imam Ali (F) .

Einmal fragte ihn jemand: „Hast du Gott gesehen?“

Da sagte er : „Ich würde niemals einen Gott, den ich nicht gesehen habe, anbeten.“

Da fragte der andere: „Wie hast du ihn gesehen? Beschreib ihn mir!“

Und der Imam (F) antwortete: „Niemand hat ihn mit dem körperlichen Auge gesehen aber die Herzen haben ihn dank der Wahrheit des Glaubens geschaut!“ (Mizan Al Hikma)

Mit diesen Worten hat Imam Ali (F) uns den Weg zum Nachdenken und der logischen Beweisführung gewiesen und uns auf diese Weise aufgerufen, Gott zu erkennen.  Der Eine Gott, zu dessen Anbetung uns die Propheten herbeigerufen haben, ist unsichtbar , aber an jedem Punkt in der Daseinswelt finden wir Manifestationen Seines Willens und  Wissens und Seiner Allmacht vor.  Die Erscheinungen der Natur sprechen alle für Seine Allmacht und Seine Allwissen. 

Die Schöpfung ist der klarste und beste Gottbeweis.  An den Wandlungen der  Erscheinungen in der Daseinswelt zeichnet sich der weise Wille dieser unendlichen Macht ab und erweist es sich, dass Seine Allmacht es ist , die Leben spendet und dass alle Dinge im Dasein ihre Existenz Ihm verdanken. Wie Imam Ali (F) sagt, vermögen die Augen Ihn nicht zu sehen, aber er ist eine Wahrheit, die existiert.

                                  

Manchmal wird die Existenz von etwas, welches keine stofflichen Merkmale aufweist oder nicht in den Rahmen unserer üblichen Erfahrungen und Beobachtungen fällt, geleugnet.  Es fragt sich aber, ob wir, wenn wir die Ursache von etwas aufgrund wissenschaftlicher Erfahrung nicht ausfindig gemacht haben, diese Sache deshalb leugnen können. Ist es nicht vielmehr so, dass wir sagen, dass die Ursache uns nicht bekannt ist?  Kein verständiger Mensch  wird nämlich etwas abstreiten, nur weil er es nicht gesehen und nicht wahrgenommen hat. Dann müsste er sehr viele wissenschaftliche Wahrheiten abstreiten, weil sie außerhalb der Sinneswahrnehmung liegen und nicht durch Sinneswahrnehmung  getestet werden können.

 

 Der Mensch kennt das Wesen der Elektrizität nicht, aber er hat an ihrer Auswirkung erkannt, dass es sie gibt.  Es gibt viele unsichtbare Wesen und Dingen in der Daseinswelt.  Dank des wissenschaftlichen Fortschrittes in unserem Zeitalter hat man über diese Dinge einiges erfahren können, zum Beispiel dass Energie eine Kraftquelle ist. Aber das Wesen der Energie ist nach wie vor ein Rätsel.  Es gibt auch viele Eigenschaften, die die Wissenschaft aufgrund von Versuchen oder durch logische Rückschlüsse bei den natürlichen Phänomenen  festgestellt hat, die aber nicht direkt wahrgenommen werden.

Unsere Augen sind das wichtigste Mittel um Sichtbares wahrzunehmen.  Aber manchmal sind wir nicht in der Lage stoffliche Dinge zu sehen. Die verschiedenen Arten von Licht können wir zum Beispiel nur dann sehen, wenn sie eine bestimmte Wellenlänge aufweisen.  Deshalb ist es uns nicht möglich ultraviolettes oder infrarotes Licht zu sehen, obwohl diese Art von Licht  existiert.

Auch hat die Luft um uns herum ein Gewicht und übt ständig auf unseren Körper Druck aus. Aber weil dieser Druck durch den Druck aus dem Inneren unseres Körpers aufgehoben wird, verspüren wir kein Unbehagen.  Es handelt sich hierbei um eine wissenschaftlich nachgewiesene Tatsache, die außerhalb der Fähigkeit unserer Sinneswahrnehmung liegt. In seinem schönen Gebet 55 in Sahifat-ul Sadschadiyyah , spricht Imam Sadschad  (F) über die Eigenschaften Gottes und verweist auch auf diese Erscheinung, denn er sagt: 

Du bist rein, o Herr,  und du kennst das Gewicht der Himmel und das Gewicht der Erde, du bist rein, der du das Gewicht der Luft kennst.

Sollte der Mensch also durch die Wissenschaft und durch Vergleiche und Instrumente, die er zur Verfügung hat, etwas nicht wahrnehmen können, kann er es deshalb nicht leugnen, es sei denn er hätte Beweise dafür, dass es wirklich nicht möglich ist.

                         

Einmal traf ein materialistisch eingestellter Denker aus Ägypten mit Imam Sadiq (F) zusammen. Zu Beginn der Debatte mit ihm stellte der Imam einige Fragen. So fragte er ihn: „Bist du bislang unter die Erde gegangen?“

Der Mann verneinte es.

Da fragte der Imam: „Weisst du was unter der Erde ist?“

Er: „Nein, ich weiß es nicht, aber ich vermute unter der Erde gibt es nichts.“

Imam Sadiq (F) sagte: „Vermutungen  bedeuten Ratlosigkeit in einer Sache, über  die wir keine Gewissheit besitzen. Nun sag mir: Bist du schon einmal über dem Himmel gewesen?“

Er: „Nein.“

Der Imam: „Weißt du was es in den Himmeln gibt?“

Der Mann aus Ägypten: „Ich weiß es nicht. Mir scheint, dass es  dort nichts gibt.“

Da stellte der Imam fest: „ Es ist erstaunlich! Du bist weder in den Osten gereist noch in den Westen, weder unter die Erde noch zum Himmel. Wie kannst du dann das leugnen was dort ist? Leugnet ein verständiger Mensch etwas, von dem er keine Kenntnis hat?  Wer unwissend und nicht im Bilde ist, hat auch keine Beweise. Nun wisse, dass wir niemals an Gott zweifeln.

  Siehst du nicht die Sonne und den Mond, die Nacht und den Tag, die auf ihrer Bahn wandern und keine andere Bahn beschreiten? Sollten sie selber die Macht besitzen, zu gehen und nicht mehr zurückzukehren, warum tun sie das dann nicht? Bei Gott, sie bestimmen nicht selber über ihre Bewegung , sondern Gott hat diese Erscheinungen auf ihrer Bahn in Gang gesetzt und befiehlt ihnen.  Macht und Größe gehören Ihm!“ (Bihar ul Anwar, Bd. 3, S. 51 und 52)  

                             

Gemäß Imam Sadiq (F) wird den Lebewesen  das Leben von einer Macht,  die  über der Materie steht,  verliehen. Der lenkende Wille des Herrn ist es, der das große Wunder Leben mit allen seinen Merkmalen der leblosen Materie hinzufügt. Der Mensch, der die Wahrheit sieht und Wissen besitzt, erkennt Gott hinter den Manifestationen des Daseins.  Wie Imam Ali sagt: „Zwar können die Augen Gott nicht sehen, aber die Erkenntnisse des Verstandes eilen den begrenzten Sinnen des Menschen zur Hilfe und machen ihn mit der Wahrheit Gottes vertraut.“ Mit anderen Worten: Ohne Lenkung des Verstandes kann der Mensch nicht die Wahrheit der Schöpfungswelt erkennen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in der Materie eingepfercht sind und nicht mit unseren gewöhnlichen Vorstellungen die absolute Existenz Gottes erfassen können. Was in der Naturwissenschaft der Erkenntnis und Forschung dient, sind Versuche und Erfahrung  und was der Erkundung und Erforschung metaphysischer Dinge dient, so ist das Nachdenken das Mittel zur Erkenntnis der Wahrheiten.

 

Ein Helfer des Imam Sadiq (F) schrieb an ihn: „Im Irak sind Leute aufgetaucht, die sagen Gott, habe eine Gestalt und eine Form. Wenn du es für richtig hältst, schreib mir die richtige Denkweise über die Einheit Gottes (Tauhid). Imam Sadiq antwortete ihm: „Gott erbarme dich deiner: Groß ist der Gott, dem nichts gleicht. Er hört und sieht. Er ist rein von dem, was die Beschreibenden ihm zuschreiben.  Die richtige Ansicht über die Wahrheit des Tauhids entspricht den Eigenschaften Gottes, die im Koran genannt werden. Daher lehne Vergleiche Gottes, des Allerhöchsten, mit anderem ab.“ ( Kitab-e Tauhid- Schahid Saduq, Kapitel 30, S.253).

 

Gemäß den Ahl-ul-Bait des Propheten ist die Meinung, dass Gott einen Körper habe und sich mit anderen und anderem vergleichen  ließe, nicht zulässig  und die Gläubigen sollen sich von den Verfechtern dieser Ansicht distanzieren.  Gemäß der Religion und der Denk- und Rechtsschule der Ahl-ul-Bait des Propheten ist Gott nicht stofflich und nicht mit den Sinnen zu erfassen. Weder ist er auf eine Zeit noch auf einen Ort beschränkt.  Zeitliche und örtliche Bedingungen schränken Ihn nicht ein. Er ist absolut unabhängig von ihnen und vom Wesen her auf nichts angewiesen. Gott kennt alles auf der Welt, auch das Verborgene. Seiner sind  die höchsten Stufen jeglicher Vollkommenheit und er steht über all dem, was der Mensch gedanklich erfassen kann. Es ist dem Menschen nicht möglich die Essenz Seines Wesens zu erfassen und dies liegt an der Unzulänglichkeit der Kräfte und der Mittel des Menschen für den Wissenserwerb. Das Wissen über die Materie wirft Licht auf  einen kleinen Teil der vielen Rätsel aber es kann nicht jedes Geheimnis beleuchten.

 

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