In Iran gerühmt, in der Welt berühmt ( 14- Al-Biruni 2)
Wir haben beim letzten Mal schon über den iranischen Denker Abu Rayhan Biruni gesprochen und möchten diesmal mit seinem Werk vertraut machen.
Gegenüber dem Sitz der UNO in der österreichischen Hauptstadt Wien steht das Denkmal von vier historischen Persönlichkeiten der Wissenschaft: Die eine Statue stellt Avicenna dar (Abu Ali Sina). Er war ein iranischer Philosoph und Gelehrter und hat das Werk Schafa geschrieben, welches ein umfassendes wissenschaftliches und philosophisches Werk ist. Auch stammt das Buch Qanun über die Medizin von ihm. Es ist eines der bekanntesten Werke in der internationalen Geschichte der Medizin. Die zweite Statue bildet Abu Rayhan Biruni ab, den bekannten iranischen Gelehrten, Mathematiker, Astronomen und Historiker des 4. Und 5. Jahrhunderts nach der Hidschra, also 10. bis 11. Jahrhundert nach Christus. Die dritte Figur ist Hakim Umar Khayyam Neyschaburi, iranischer Philosoph, Mathematiker, Astronom und Dichter aus der Zeit der Seldschuken (11. bis Ende 12. Jahrhundert nach Christus). Der dritte Gelehrte ist Zakariya Razi, ebenso Iraner und Mediziner, Philosoph und Chemiker. Im Westen wurde er als Rhazes und für die Gewinnung des reinen Alkohols und der Schwefelsäure bekannt. Alle vier Gelehrten sind im Iran groß geworden und ihr Wissen ging in alle Welt. Die Denkmäler für diese vier Größen der Wissenschaft erinnern an den Beitrag der Iraner zum wissenschaftlichen Fortschritt der Menschheit.
Wir sagten bereits, dass Abu Rayhan Mohammad ibn Ahmad Biruni ein Universalgelehrter und mit seinem Wissen seinen Zeitgenossen voraus war. Er war Mathematiker, Geograf, Geologe, Anthropologe, Physiker und Astronom. Geboren wurde er in Chorezm und gestorben ist er in Ghazna. Diese beiden Städte gehörten damals zum Reich iranischer Herrscher. Al Biruni verewigte seinen Namen, weil er die Dichte von 18 Metallen und Edelsteinen ebenso wie den Erddurchmesser und Erdumfang feststellte. Er entwickelte eine neue Methode für die Anfertigung geografischer Karten, maß die Entfernung zwischen Städten und untersuchte die Ansichten und die Geschichte der Bevölkerung von Indien. Gemäß europäischer Al-Biruni-Forscher wie dem Deutschen Eilhard Wiedeman und dem Schweizer Heinrich Suter beträgt die Zahl der Werke und Abhandlungen, die Al Biruni zu bestimmten Themen schrieb, insgesamt 180, davon 115 über Mathematik, Astronomie und relevante Themen, wobei nur 28 Werke bis heute erhalten blieben.
In den Augen des deutschen Orientalisten Eduard Sachau ist Biruni das größte Genie der Geschichte gewesen. Er beherrschte deutlich viele Wissensgebiete, die heute an den Universitäten gelehrt werden wie Geschichte, Literatur, Philosophie, Naturwissenschaft, Mathematik, Geometrie und Astronomie.
Dennoch ist während der Übersetzungswelle im 12. und 13. Jahrhundert, bei der wissenschaftliche Werke aus dem Arabischen ins Lateinische übertragen wurden, kein einziges Werk von Biruni ins Lateinische übersetzt worden. Möglicherweise haben die Biographen in der Islamischen Ära sein Werk außer Acht gelassen. Ibn Abi Usaibi`a widmet ihm im 13. Jahrhundert nur ein paar Zeilen und der Ägypter Ali Qifti hat ihn gar nicht erwähnt, ebensowenig wie der Syrer Ibn Challikan. Auch blieb von Al-Biruni keine schriftliche Kritik an der astronomischen Lehre des griechischen Gelehrten Ptolemäus erhalten, wie sie seitens seiner Zeitgenossen wie Ibn Heytham und Abu Ubayd al Dschuzdschani und ihrer Nachfolger wie Urzi , Nasiruddin Tusi, Qutbuddin Schirazi und Ibn Schatir hinterlassen wurden. Diese kritischen Stellungnahmen gehören zu den sehr wichtigen Aspekten der Astronomie in der islamischen Zivilisationsära des 13. und 14. Jahrhunderts nach Christus (7.und 8. Jahrhundert nach dem Mondkalender). Mit ihrer Kritik an dem astronomischen Weltbild von Ptolemäus, bei dem die Erde den Mittelpunkt bilden soll und die Sonne sich um die Erde dreht, nahmen diese Gelehrten Einfluss auf das Werk von Kopernikus.
Al Biruni hat jedoch ein Werk verfasst, in dem er die Hypothese Ptolemäus über die Mächtigkeit der Planeten verwirft. Dieses Werk trug den Titel ابطال البهتان بایراد البرهان . Es ging aber leider verloren.
Al Biruni war der Überzeugung, dass jede wissenschaftliche Beweisführung mit Versuchen einhergehen muss, damit die Richtigkeit von Aussagen, Deutungen und Argumenten bewiesen wird. Der Einsatz von Versuchsmethoden in der Wissenschaft gehörte zu den Innovationen Abu Rayhan Birunis, während diese Vorgehensweise erst mehrere Jahrhunderte später in Europa von Gelehrten wie Francis Bacon und dem Franzosen René Descartes vorgeschlagen wurde. Heute bildet sie eine klare Ausgangsbasis in den Naturwissenschaften. In seiner wertvollen Forschungsarbeit namens Lama´at befasst sich Al-Biruni mit der Optik. Abu Rayhan vertritt die gleiche Ansicht wie Ibn Heytham in Bezug auf die Frage, wie das menschliche Auge Gegenstände sieht, nämlich dass das Licht, welches auf einen Gegenstand fällt ins Auge reflektiert wird. Interessant ist, dass Al-Biruni erkannte, dass die Lichtgeschwindigkeit größer als die Schallgeschwindigkeit ist; eine Tatsache, welche im Westen erst einige Jahrhunderte nach ihm festgestellt wurde.
Al Biruni beschrieb wie das Wasser aus Fontänen und Quellen hochquillt und erklärte wie man Wasser aus der Tiefe von Brunnen und aus Quellen auf einer hochgelegenen Burg oder auf einem Minarett zum Fließen bringen kann.
Abu Rayhan Biruni hat die Abmessungen der Erde gewonnen. Zum Schluss seines Werkes Usturlabat – Sternhöhenmesser - bringt er unter anderem Gleichungen für die Messung der Erdhalbkugel. Diese Gleichungen haben die westlichen Gelehrten unter seinem Namen angeführt. Biruni berichtete über die Zeitrechnungen der verschiedenen Völker und Kulturen und über die Geschichte vieler Länder.
Al-Biruni war der erste, der die Geografie auf Erfahrung und Untersuchung und die Naturwissenschaften auf der Mathematik aufbaute. Er entwickelte neue Methoden für die Anfertigung von geografischen Karten, die auf einer Kombination von Mathematik und Geometrie fußten. Die geografische Breite, die Al-Biruni für die Stadt Balch feststellte, kommt den heutigen Messungen erstaunlich nahe. Al Biruni hat auch den Meridian der Erde mit 11062.4 km. beziffert und kam dem heutigen Wert von 11110 Kilometern damit außerordentlich nahe.
Biruni entwickelte als erster für die Entfernungsmessung eine Methode, die auf der Feststellung der Horizontsenkung beruhte. Bevor man im Westen wusste, dass diese Methode von ihm stammt, hat man sie einem englischen Kartograf namens Wright, der im 16. bis 17. Jahrhundert lebte, zugeschrieben. Ein Jahrtausend bevor Albert Einstein seine Lichtquantenhypothese aufstellte und davon ausging, dass Licht aus Photonen besteht, hat Abu Rayhan bereits genau diese Ansicht geäußert. Er nannte die Photonen Adschza`Latifah – feinste Teilchen.
Der iranische Wissenschaftler Professor Abdul Hamid Nayernuri schreibt:
„Abu Rayhan hat völlig frei davon gesprochen dass die Erde möglicherweise die Sonne umkreist und denjenigen, die ihn daraufhin fragten, warum denn dann die Dinge auf der Erde nicht in die Luft geschleudert werden, geantwortet: `Diejenigen, die annehmen, dass sich die Erde im Raum bewegt und die Sonne fix ist, sagen, der Grund dafür, dass die Dinge auf der Erdoberfläche nicht ins All geschleudert werden besteht darin, dass im Erdkern eine Kraft ist, die sie anziehen und während der Erdbewegung verhindern, dass sie ins All geschleudert werden ...`. Diese Aussage liegt mehrere Jahrhunderte vor der Geschichte mit Newton und dem Apfel, der vom Baum fällt und seiner Entdeckung der Erdanziehungskraft. Außerdem ist zu sehen, dass Jahrhunderte vor Kopernikus und Galilei der Umlauf der Erde um die Sonne frei und ohne auf irgendwelchen Widerstand zu stoßen, seitens islamischer Gelehrter wie Al Biruni untersucht und diskutiert wurde.“
Die Verbesserungen, die Abu Rayhan am Kalender vornahm, sind präziser als diejenigen, die sechs Jahrhunderte nach ihm von Papst Gregor durchgeführt wurden.
Abu Rayhan Al-Biruni begründete das Gesetz für spezifische Gewichte und stellte bei 18 verschiedenen Edelsteinen das spezifische Gewicht fest und in diesem Zusammenhang eine Tabelle auf. Er verfasste ein großes Lexikon für Astronomie, Sternkunde und Mathematik, das sich die europäische Wissenschaft zu Nutzen machte. Diese Universalgelehrte erfand die Methode für die Feststellung der Summe geometrischer Folgen und untersuchte die Arbeitsweise von artesischen Brunnen. Er stellte ohne die heutigen Präzisionsgeräte zu besitzen, die äquatoriale Bahnneigung der Erde zur Sonne mit 23 Grad und 35 Minuten fest, was dem in unserer Zeit mit modernen Geräten festgestellten Wert von 23 Grad und 27 Minuten sehr nahe kommt. Forscher verschiedener wissenschaftlicher Gebiete haben nach dem Studium der von Al Biruni hinterlassenen Werke in ihm einen modernen Menschen gesehen.