Aug 17, 2022 05:38 CET

Sie haben schon einiges über den iranischen Dichter und Philosophen Nasser Chosrau erfahren.  Wir wollen noch mehr über ihn und seine Werke berichten.

Nasser Chosrau hat im 5. Jahrhundert nach der Hidschra im damaligen Groß-Iran gelebt. Das war das 11. Jahrhundert nach Christus.  Im Alter von 43 verließ er den Herrscherhof der Seldschuken, denen er als Amtsträger gedient hatte und begab sich in Richtung Mekka auf eine 7-jährigen Reise, von der er als Anhänger der Ismailiten zurückkehrte. Wegen seiner Überzeugung musste er sich schließlich in das Yomgantal in Badachschan zurückziehen, wo er im Laufe von 15 Jahren viele seiner Werke schuf.  Letztes Mal haben wir von seinem Reisebericht Safarnameh gesprochen. Nasser Chosrau war ein gebildeter Mensch und besaß umfangreiche Kenntnisse in den damaligen Wissenschaften, sowohl Geisteswissenschaften  als auch Naturwissenschaften . Er war in der Theologie und Scholastik und der griechischen Philosophie bewandert. Seine zahlreichen Werke in der persischen Sprache fußten auf diesem Wissen.  

Nasser Chosrau hat einen großen Teil seines Lebens dem Schreiben gewidmet. Er dichtet:

منگر به این ضعف تنم، چونکه در سخن
زین چرخ پر ستاره فزون‌ است اثر مرا

 

Achte nicht auf meinen geschwächten Körper denn  in den Worten meines Werkes

 ist viel von diesem Himmel voller Sterne 

 

Doch von allen seinen Werken blieben uns nur 9 erhalten. Einige davon sind Prosa- und andere Poesiewerke.  Wir nennen noch einmal die Prosawerke. Es sind:

Safarnameh (Reisebericht)

Goschayesch wa Rahayesch (soviel wie: Wissen und Befreiung)

Chan al Chan (über die ismailitische Philosophie)

Zad- al musafirin –(Nahrung der Reisenden)

Wadschh-i Din (das Gesicht der Religion)

Dschami`al Hikmatayn .

Den Safarnameh haben Sie kennengelernt. Dieser Reisebericht gibt Auskunft über die Geografie, Geschichte und die Bräuche in den Ländern, die Nasser Chosrau auf seiner 7-jährigen Reise , die ihn über Mekka bis nach Ägypten führte, kennengelernt hat. Die anderen Prosawerke widmen sich der Scholastik und der Erklärung der ismailitischen Denk- und Religionsschule  und  beantworten dazu anstehende Fragen.  Die Bücher von Nasser Chosrau sind in einem klaren flüssigen Stil in der klassischen Sprache gehalten und eine gute Quelle für philosophische und theologische Ausdrücke in Farsi – dem Neupersischen.


                     

Das bekannteste der Werke dieses iranischen Denkers über die ismailitische Theologie, deren Studium gewisse Grundkenntnisse in der Philosophie erfordert,   ist Zad al musafirin (Nahrung der Reisenden) . Nasser Chosrau fertigte es 453 an, so um 1060 nach Christus.  Ihm Rahmen von  27 Kapiteln , die er mit Qaul (Wort) betitelt, beschreibt er anschaulich die Überzeugungen der Ismailiten. Daher gilt dieses Buch als eine historische Quelle für die ismailitische Theologie.

Nasser Chosrau war in diesem Werk bestrebt, zwischen Wissenschaft und Religion eine Beziehung herzustellen und Wissenschaft und Philosophie in Übereinstimmung mit der Religion zu bringen.  Er legt in seinem Zad al musafirin  die verschiedenen Arten von Wissen dar und spricht über die Denkweise seiner Glaubensrichtung hinsichtlich  Sinne und Gegenstände, Seele, Ort und Zeit, die Erschaffung der Welt und die Verbindung zwischen der Seele und dem Körper und über das Jenseits. Er lehnt die Wiedergeburt ab und führt den Beweis für Belohnung und Bestrafung im Jenseits.

Das Buch Zad al musafirin (Nahrung der Reisenden) gibt einen Einblick in die offiziellen theologischen Lehren und das Welt- und Menschenbild unter den Fatimiden , die im Zeitraum 909 bis 1171 nach Christus in Nordafrika  und Vorderasien herrschten. Das Werk gehört zu den wichtigen alten philosophischen Texten in Neupersisch (Farsi)  und ist wegen der seltenen Ausdrücke und philosophischen Begriffe von großem Wert.

          

Wie alle anderen philosophischen und scholastischen Werke Nasser Chosraus, der 1003 n. Chr. geboren wurde,  ist auch das Werk Zad al Musafirin  im Prosastil der Zeit der persischstämmigen Samaniden (deren Herrschaft als Fürsten über weiteTeile von Chorasan und Transoxanien im Jahre 1005 n. Chr. zu Ende ging ) gehalten. Seine Texte wirken daher älter als andere seiner Epoche. Es  kommen in seinen Werken jedoch auch hier und da  einige Änderungen, welche unter den türkischenstämmigen Ghaznawiden in der Farsi-Prosa vorgenommen wurden, vor.  

Zad al Musafirin ist wegen der seltenen persischen Wörter, die in anderen alten Texte entweder überhaupt nicht oder kaum vorkommen, von Bedeutung.  Nasser Chosrau  verwendet außerdem sehr gelungene persische Wörter für die philosophischen Ausdrücke im Arabischen. Einige der Wörter in Farsi, die im Zad al Musafirin vorkommen sind in keinem Lexika zu finden.

 

               

Ein anderes wichtiges Buch in Prosa aus der Feder des Nasser Chosrau ist das Buch Wadschh-i Din (das Gesicht der Religion). Es erklärt theologische Fragen der Ismaeliten und deren Interpretationen sowie den verborgenen Sinn gottesdienstlicher Handlungen und die Gebote des Religionsrechtes.  Wann er es genau geschrieben hat steht nicht fest . Aber es muss nach 453 n.d.H.(nach circa 1060 n.Chr. ) gewesen sein, denn er verweist an einigen Stellen auf das Werk Zad- al Musafirin, dass er ja 453 n.d.H. schrieb. Er spielt auch darauf an, dass eine dunkle Nacht des Unheils über  Chorasan  hereingebrochen sei und das Licht des Glaubens in diesem Teil Irans verdrängt hat. Dieses Buch schien eine Zeitlang verloren gegangen zu sein, bis schließlich  der sowjetische Spezialist für iranische Sprachen  Ivan Zarubin,  zwei Exemplare davon unter  den Ismailiten von Schighnan im afghanischen Badachschan entdeckte.  Seyyed Hassan Taqizade hat 1301 nach dem iranischem Sonnenkalender, d.h. 1922 nach Christus  die Abbildung eines der Exemplare, die Zarubin entdeckt hatte, mit nach Berlin genommen und unterstützt von Professor Brown drucken lassen. 

                                      

Das Prosawerk Dschami`al Hikmatayn (Vereinigung der beiden Weisheiten) des iranischen Dichters und Weisen Nasser Chosrau wurde von dem iranischen Professor für Literatur, Dr. Mohammad Mo`in und dem französischen Philosophen Henry Corbin - zusammen mit einem gemeinsamen Vorwort auf Farsi und in Französisch -  im Jahre 1333 nach iranischem Sonnenkalender, gleich 1954 nach christlicher Zeitrechnung in den Druck gegeben.  Dieses Buch ist in  Wahrheit ein Kommentar Nasser Chosraus zu den philosophischen Kassiden in neupersischer Sprache des Chadscheh Abu Heitham Ahmad ibn Hasan Dschordschani, ebenso ein Anhänger der ismailitischen Lehre. Der Befehlshaber von Badachschan, Schamsuddin Abu Maali Ali ibn Asad hatte Nasser Chosrau  im Jahre 463 (10 Jahre nach der Abfassung des Zad al Musafirin) um diesen Kommentar gebeten.  Der ismailitische Philosoph und Dichter Abu Al Heitham hat in einer Kasside mit 82 Doppelversen Fragen aufgeworfen und der Fürst von Badachschan hat Nasser Chosrau, der im Yomgan-Tal von Badachschan lebte, dazu aufgefordert, dass er diese offenen Fragen klärt. Das Werk Dschami al Hikmatain von Nasser Chosrau dient der  Vereinigung der griechischen Philosophie mit den Glaubensprinzipien der Ismailiten.  Nasser Chosrau beantwortet philosophisch  und scholastisch die Fragen in dem Gedichtstück von Dschordschani.  Dieses Werk von Nasser Chosrau verdient wegen der philosophischen und scholastischen Ausdrücke auf Neupersisch und der kurzen und zusammengesetzten Wörter Beachtung.

 

                 

Chan al chan und Goschayesch wa Rahayesch (soviel wie: Wissen und Befreiung)  sind zwei weitere Prosawerke von Nasser Chosrau. Von dem ersten existiert ein Manuskript  in der Bibliothek der Hagia Sophia in Istanbul, und 1940 gab der ägyptischen Übersetzer  Yayah Al Chaschab in Kairo  ein Exemplar in den Druck.

Das zweite Werk wurde nach einer Überarbeitung von dem iranischen Gelehrten und Schriftsteller Said Nafisi 1950 in Bombay verlegt. In beiden Werken geht es um religiöse Fragen. In dem Werk Goschayesch wa Rahayesch beantwortet Nasser Chosrau 30 Fragen eines Mitgläubigen.

Nach Ansicht der Literaturforscher , die sich mit den Werken von Nasser Chosrau auseinandergesetzt haben,  spiegelt das Buch  Goschayesch wa Rahayesch klar die Einstellung Nasser Chosraus  zur ismaelitischen Bewegung in seiner Epoche wieder.  In dieser Abhandlung erklärt er in einer verständlichen Sprache und auf logische Weise dreißig offene Fragen, in der Absicht durch Beantwortung dieser Fragen die Seelen der Gläubigen und Reinen zu befreien und ihre Glaubensprobleme zu beseitigen.

                      

In seinen Werken hat Nasser Chosrau  noch eine Reihe von anderen seiner Werke genannt – wie Bustan- al Uqul (Garten der Vernunftskräfte)  , Miftah wa Misbah (Schlüssel und Leuchte), Dalil al Mutahairin (Lenker der Ratlosen) Adschaib al San`a (die e der Schöpfung) Lisan al Alam (Die Sprache der Symbole), Ichtiar al Imam wa ichtiar al Iman (Befugnisse des Imam und Befugnisse des Glaubens) Al Dalil ( Der Lenker) Gharaib al Hisab wa Adschaib al Hisab  (Das Fremde und das Wunder der Arithmetik). Diese Bücher liegen uns heute nicht mehr vor, es gilt aber als selbstverständlich, dass Nasser Chosrau sie geschrieben hat,  während bei anderen Werken ernsthafte Zweifel daran bestehen, ob sie ihm zugeschrieben werden können, wie das Sirr al Asrar (das Geheimnis der Geheimnisse ) über astrologische Prognosen und Aksir-i Azam (gewaltiges Elixier) über die Logik  und Qanun Azam (das gewaltiges Gesetz )  über wundersames Wissen.

Im nächsten Teil erfahren Sie mehr über die poetischen Werke von Nasser Chosrau.

 

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