Sep 04, 2022 03:28 CET

Wir untersuchen weiter das Wesen und die Werke des bekannten iranischen Dichters und Philosophen Nasser Chosrau.

Nasser Chasrau lebte im 5. Jahrhundert nach der Hidschra, d.h. 11. Jahrhundert nach Christus. Sie erinnern sich: Nachdem er Anhänger der ismailitischen Lehre geworden war, legte er sein Amt beim Herrscherhofe ab und widmete den Rest seines Lebens der Verbreitung dieser Überzeugung durch Lyrik und Prosa.  Wir haben die Werke, die von ihm erhalten geblieben sind, genannt. Sie gelten wegen ihres geistigen Inhaltes und ihres literarischen Stils als etwas Außergewöhnliches.   

Nasser Chosrau ist einer der Dichter und  Meister der Farsi-Sprache, die über Philosophie und Weisheit gesprochen haben. Sein gesamtes Werk gilt als Literatur- und Kulturschatz des Neupersischen (Farsi). In seinen Schriften treten sein starkes Selbstvertrauen, sein  starker Glaube und Wille und seine Wahrhaftigkeit zum Vorschein.

Nasser Chosrau hatte einen festen Charakter und war bescheiden. Er übte sich in Geduld gegenüber den Härten des Lebens und verfolgte beharrlich den Weg zu seinem Ziel. Nasser Chosrau forderte eine Gesellschaft, die rein ist von moralischer Verdorbenheit, Heuchelei, List und Korruption.  Er ist davon überzeugt, dass eine solche Gesellschaft nur verwirklicht werden kann, wenn Religion und Vernunft in ihr herrschen. In seinen Gedichten beruft er sich auf den Inhalt des Korans und oftmals garantiert er für Verse aus dem Himmelsbuch. Er hat eine eigene Art sich auszudrücken und kann als anschauliches Beispiel für den so genannten Chorasaner Stil angeführt werden, für den auch Dichter wie Rudaki, Firdausi und Unsuri bekannt sind. Allerdings entfernt sich Nasser Chosrau  von dem Üblichen  und seine Rede entspricht nicht mehr sonderlich dem Zeitgeschmack. Das liegt daran, dass die Poesie für ihn ein Mittel zur Darlegung von religiösen Überzeugungen ist und dass sie das Gewand ist, in die  er Mahnung und guten Rat kleidet.  Hinter seinen dichterischen teilweise innovativen Beschreibungen  von Himmel, Frühling und Herbst verbirgt sich das höhere Ziel guten Rat zu geben und Wissen und Vernunft zu loben.


Nasser Chosrau ist ein Dichter, der Verantwortung verspürt und nachdenkt und innere Freiheit besitzt und zugleich  weist seine Dichtung auch Phantasieelemente auf. In der Poesie, die von ihm erhalten geblieben ist, ist keine Lobdichtung auf Herrscher zu finden und wenn er jemanden gelobt hat dann diejenigen, die nach seiner Ansicht von Gott dazu berufen wurden, die Menschen anzuführen. Er schreibt 
 

 من آنم که در پای خوکان نریزم
مر این قیمتی درٌ لفظ دری را
کسی را کند سجده دانا که یزدان
گزیدستش از خلق مر رهبری را

 

Ich werde niemals die kostbaren Perlen des Dari(persisch)

Vor die Schweine werfen

Der Wissende ist jemandem untertan, den Gott

Zum Führer der Menschen bestimmte.

 

Nasser Chosrau empfiehlt , dass der Mensch sich Wissen zulegt. Er sagt dass die Lobdichter übertreiben und lügen und deshalb erklärt er, dass er keine Perlen vor die Fürsten und Könige werfen wird und ihnen nicht huldigen will. Er sagt: Verbeug dich nicht vor ihnen. Ein wissender Mensch  neigt den Kopf nur vor denen, die Gott auserwählt hat für die Führung. Diejenigen,  welche Gerechtigkeit herstellen und die Unterdrückung auf der Erde beseitigen.  Für Nasser Chasrau ist dies kein anderer als der Fatimidische Kalif Al-Mustansir, der in den Augen dieses Dichters der Imam der Zeit ist.

Die Poesie von Nasser Chasrau klingt kräftig, ernst  und erhaben. Er achtet sehr sorgfältig auf den Klang und dies verleiht seinen Kassaiden unter anderem ihre Anziehungskraft.  Er verwendet edle Wörter des Dari-Persisch und angenehme Verbindungen und seine Rede gibt einen Eindruck von seinem großen Wissen und seinem tiefen, geordneten Denken.  Er wählt Wörter mit tiefgehender Bedeutung zur Darlegung außergewöhnlicher Themen. In seiner Zeit in der das Neupersische noch nicht von gekünstelter Ausdrucksweise befallen  war, nimmt er einen besonderen Platz ein, so dass seine Werke zu den privilegierten der Farsi-Literatur zählen.  Sein Wortschatz  ist groß  und er ordnet die Wörter meisterhaft an und liefert  mit Hilfe seiner geistigen Vertiefung  großartige Lehren. Ein berühmtes  Gedicht beginnt

mit den  Versen
"روزی ز سر سنگ عقابی به هوا خواست
از بهر طمع بال و پر خویش بیاراست "

In die Lüfte erhob sich einmal ein Adler von einem Steine

Er erhob sich zum Beutefang

 mit Hilfe seiner Schwingen und des Federkleides

 

Dieses Gedicht handelt von einem stolzen Adler, der sich etwas auf seinen Flug einbildete, jedoch von einem Pfeil getroffen auf die Erde fiel und ab da unfähig war zu fliegen.  

                      

Eine gewisse Kritik an Nasser Chosrau scheint  jedoch angemessen: 

Wie alle die sich auf eine  bestimmte  Ansicht versteift haben, ist auch Nasser Chosrau nicht frei davon naiv zu werden, obwohl er Wissen und Vernunft liebt.  Dies führt dazu, dass in seinen Aussagen und seinem Denken teilweise Widersprüchlichkeit auftritt.  Von einem Intellektuellen wie ihm wird zum Beispiel kein solcher Optimismus gegenüber  dem Sultan und seinem Herrscherapparat erwartet, wie er ihn an den Tag legt. Nasser Chosrau begeht mit seinem Vertrauen und seiner Überzeugung von den Fatimiden eine Übertreibung und legt einen Starrsinn an den Tag, vor denen er die anderen warnt.

 

Trotz der Festigkeit und Erhabenheit seiner Poesie  ist diese nicht frei von Mängeln und der größte davon sind Wiederholung und Langatmigkeit.  Wiederholungen nimmt er bewusst vor, um auf diese Weise den Sinn dem Leser sozusagen einzuverleiben. Seine Langatmigkeit hat damit zu tun, dass er in seiner Dichtung Erklärungen  und Beweise anführt.

 

Inhaltlich gesehen ist zu sagen, dass in der Dichtung von Nasser  Chosrau keine Huldigung und Liebesbezeugungen vorkommen. Vielmehr ist alles Erklärung, Mahnung, Debatte und Kritik.  Er ist darum bemüht, dem Leser  in seinen Reimen die von ihm anerkannten philosophischen und moralischen  Endergebnisse einzugeben. Dass in seiner Dichtung nicht von Liebesbezeugungen die Rede ist, liegt an seinen intensiven religiösen Tendenzen insbesondere zu der ismailitischen Lehre.  Als der Hodschat (Beweis) von Chorasan – ein Titel dem ihn der Fatimidenkalif verlieh führt Nasser Chosrau ein Leben in Selbstbeherrschung. Er spricht nicht vom „Wein“ und vom „Geliebten“ und bezeichnet es sogar als hässlich zu lachen.

Literaturkritiker sehen gerade in seiner Enthaltung von Huldigungen eine außergewöhnliche und hohe Tugend bei seinem dichterischen Wirken.  Nasser Chosrau verabscheut Huldigung und mag Könige und Fürsten nicht.  In zahlreichen Versen bezeichnet er sie als schlecht und macht sich über sie lustig und vielleicht ist er daher der einzige unter den Dichtern, der auf diese Weise laufend Könige und Befehlshaber heftig kritisiert.  Diese durchgehend revolutionären Inhalte in den Gedichten von Naser Chosrau sind bei kaum einem anderen Dichter seiner Zeit in dieser Intensität  vorzufinden.  Jedoch  nicht immer sind seine  Mahnungen gemäß der progressiven heutigen Weltanschauung positiv. Es sind auch negative darunter. Positiv zu bewerten ist sein großes Lob für Wissenschaft und Vernunft und negativ zu bewerten ist die asketische Verurteilung des Diesseits und des Leiblichen.  Wissenschaft und Vernunft verdienen in der Tat Lob und sie sollen als Mittel dienen, um Leib und Seele zu schmücken und in dieser Welt richtig zu leben.  Aber Nasser Chosrau betrachtet Wissen und Vernunft ausschließlich als Reiseproviant  für das Jenseits , welches zur dortigen Rettung führt  und über das Diesseits und das leibliche Wohl verliert er nur hin und wieder ein paar asketische  Worte.

 

Es gibt ein Sprichwort das wie folgt lautet:


درخت تو گر بار دانش بگیرد
به زیر آوری چرخ نیلوفری را

Wenn auf deinem Baum Wissen wächst

Dann kannst du den Himmel auf die Erde holen.

 Dieses Sprichwort geht auf ein Gedicht von Nasser Chosrau Qabadiyani zurück, in dem er unterstreicht wie wichtig der Erwerb von Wissen ist um Herr über das Weltliche zu werden.  

 

                             


Wenn Literaturkritiker  das literarische Erbe von Nasser Chosrau zu den kostbaren Schätzen der menschenfreundlichen und progressiven Persischen Literatur zählen, so hat dies mehrere Gründe und zwar sind dies: Die Verurteilung von Königen und Befehlshabern, die Kritik an Gelehrten und Heuchlern, sein Loblied auf Wissen und Vernunft, seine Ablehnung von Aberglauben, seine Liebe zur Gerechtigkeit und seine Verabscheuung von Unterdrückung und Unrecht sowie seine Liebe zu dem Schönen in der Natur.    

In der Weltanschauung von Nasser Chosrau gilt der Verstand als Mittel, um die Wahrheit zu erkennen und um die gegenläufigen Behauptungen  zu widerlegen. Die Ismailiten haben sich, um die Gegner ihres Kalifats zu überzeugen als Anhänger der griechischen Philosophie , der rationalistischen Denkschule der Mutazila vorgestellt. Sie vermischten Religion mit Logik und  Glauben mit Philosophie,  zogen die Auslegung der Koranverse und Überlieferungen heran und begründeten eine Bewegung, die mit den Worten von Nasser Chosrau die reine Aussage durch den rationalen Beweis ersetzte.

Insgesamt spiegelt die ismailitische Weltanschauung die geistige Reaktion und den Widerstand der Iraner gegenüber dem Kalifat der Araber  wider, im engeren Sinne ist es die Bewegung der Mittelschicht und der unteren Schichten gegen die türkischstämmigen Fürsten und die iranischen Aristokraten, die diesen Kalifen dienten. Diese konfessionelle Ideologie rief zusammen mit der iranischen Nationalbewegung  Schuubiya , welche die arabische Überlegenheit in Frage stellte, einen breiten geistigen Widerstand gegen die fremden Herrscher unter der iranischen Bevölkerung hervor. In dem Vernunftdenken und Widerstandsgeist dieser Strömungen ist der Grund dafür zu sehen, dass sich die ismailitische Denkschule ab dem 9. Jahrhundert nach Christus im Iran verbreiten und Intellektuelle wie Nasser Chosrau für sich gewinnen konnte. 

                   

In den Werken von Nasser Chosrau insbesondere in seinen Gedichten gibt es Anhaltspunkte dafür, dass sich hinter seinen ismailitischen Argumenten noch eine andere Persönlichkeit verbirgt, die tiefer und höher denkt. Forscher sind der Ansicht dass diese bei einer näheren Analyse insbesondere seines großen Gedichtbandes offengelegt werden kann. In dieser eigentlichen Persönlichkeit werden wir einem Denken begegnen, welches ihn zum Vertreter der kritischen und revolutionären Vernunft seines Zeitalter und ihn als Menschen, Denker, und Kämpfer für die Sache Gottes zu einem Vorbild werden lässt , als einen Gläubigen, der trotz aller Probleme, denen er begegnete, bis zum Schluss gekämpft hat.