Jun 07, 2016 02:59 CET

Wir haben letztes Mal gesagt, dass der Barzach das erste Reich ist, das der Mensch nach seinem Tod betritt. Er betritt dieses Reich wie jemand, der aus dem Schlaf erwacht und die Wahrheit der Welt erkennt. 

 

 

Wir brachten das Hadith des Propheten: „Die Menschen schlummern und wenn sie sterben, wachen sie auf.“ (Mohdschat al Beyza  von Feyz Kaschani  Band 7)

Heute wollen wir über die Grabwelt sprechen.

Der stoffliche Körper wird nach dem Tod, d.h. nachdem sich die Seele von ihm getrennt und das Reich der Seelen betreten hat, ins Grab gelegt.   Nach  der Trennung von Körper und Seele, die im Leben zusammen  waren, bleibt noch eine sehr zarte Verbindung zwischen ihnen bestehen.  Wegen der Zugehörigkeit der Seele zum Körper fühlt sie sich  zu ihm  hingezogen und wegen dieser Verbundenheit werden in der islamischen Scharia auch besondere Regeln für den Verstorbenen vorgesehen – zum Beispiel für sein letztes Geleit, die  Verhüllung mit dem Leichentuch und die Beisetzung. So  gibt es Gebote über  die  Achtung von Gräbern und der Besuch am Grab, für  dortige Gebete und Bitte um Verzeihung für die Toten usw.  Es sei auch erwähnt, dass die Beziehungen zwischen der Seele des Menschen im Barzach und dem stofflichen Körper im Grab besonders in den ersten Tagen nach dem Tod intensiver sind und zwar wegen der starken Gewöhnung, welche die Seele auf der Welt zu dem stofflichen Körper hatte.  Allerdings klingt die Beziehung der  Seele in der Zwischenwelt zu ihrem irdischen Körper allmählich immer mehr ab. 

 

Die Seele des Menschen ist niemals alleine, sondern immer zusammen mit einem Körper, welcher der Welt, in der sie sich aufhält, angepasst ist.  Der stoffliche Körper des Diesseits ist für die Zwischenwelt Barzach nicht geeignet und daher besitzt die Seele dort einen anderen angemessenen Körper.  Einige sind der Ansicht, dass Gott extra von neuem einen Barzach-Körper erschafft,  in den  die Seele des Verstorbenen einkehrt. Diese Vorstellung leuchtet jedoch nicht ein.   Die Hülle der Seele im Barzach  muss nicht getrennt und zusätzlich von dem, was auf Erden die Wahrheit des Menschen ausmachte, von Gott erschaffen werden.

Wiederum  andere meinen, ein Barzach-Körper für die Seele  sei nicht nötig, weil es im stofflichen Körper Teilchen gäbe, welche die Verwesung überdauern. Durch diese Teilchen würde dann die Seele in der Zwischenwelt Strafe oder Lohn erfahren.    Auch diese Hypothese  kann nicht stimmen, denn alle Teilchen des Körpers, so winzig sie auch immer sein mögen, sind vergängliche Materie und gehören daher zum diesseitigen Leben und nicht zur Zwischenwelt.

In Wahrheit verhält es sich so, dass  die Hülle unserer Seele in der Zwischenwelt – der Barzach-Körper –aus  unseren diesseitigen  guten und schlechten Taten  hervorgeht. Das bedeutet also nichts anderes, als dass der Mensch im Leben selber den Körper fürs Jenseits heranformt.  Was er tut und vollbringt, was er sagt und sogar was er sich denkt – alles aber auch alles  baut sein verborgenes Inneres,  seinen Barzach-Körper, auf.  Dieser Körper existiert also bereits im gegenwärtigen Moment. Jedoch liegt er hintern den Schleiern der Materie verborgen und ist nicht mit dem materiellen Sehorgan wahrnehmbar.    Allerdings gibt es Gläubige, für die die Schleier beiseite weichen. Sie können den verborgenen Barzach-Körper mit ihrem geistigen Auge dank ihres aufrichtigen Gott-Dienens und religionsrechtlich erlaubter freiwilliger Entbehrungen sehen.

Der Barzach-Körper der Gläubigen   ähnelt seinem  diesseitigen Körper sehr. Imam Sadiq (gegrüßet  sei er) hat  gesagt:  „Die Seelen der Gläubigen befinden sich (in der Zwischenwelt Barzach) in Körpern, die ihren Körpern im Diesseits sehr ähnlich sind.“ (Bihar al Anwar, Bd.6, riwayat-e 119).  Der Barzach-Körper und der weltliche Körper ähneln sich in der Form und der Größe und den Körpermaßen so sehr, dass sich die Barzach-Bewohner gegenseitig sofort erkennen.

Gemäß den Überlieferungen entspricht die Situation des Menschen im  Barzach seinen guten und schlechten Taten im Leben. Imam Sadschad (gegrüßet sei er) sagt: „Das Grab ist ein Garten von den Gärten des Paradieses oder eine Grube von den Gruben der Hölle.“

Das Grab gehört also zur Zwischenwelt Barzach und ist Ort für die Folgen menschlichen Handelns vor dem Jüngsten Tag. Daher wird das Grab auch Barzach genannt.  Gemäß mehreren Überlieferungen hat Imam Sadiq (a) auf die Frage, was Barzach sei, geantwortet. „Barzach ist das Grab – vom Tod bis zur Auferstehung von den Toten am  Jüngsten Tag“ (Usul-e Kafi, Bd. 3)

Ein Grab hat also in Wahrheit zwei Bedeutungen – zum einen  ist es die Grube auf dem Friedhof und der Ort, an dem der stoffliche Körper des Menschen ruht, und zum anderen die Welt des Barzach –.  Wenn also vom  Druck des Grabes, der Befragung im Grab und den Schrecknissen des Barzach die Rede ist, dann ist mit  Grab nicht die Stelle in der Erde gemeint, wo der Mensch beigesetzt wurde,  sondern das Grab im Sinne von Barzach ist gemeint. Anderenfalls  würde es ja bedeuten, dass jemand der nicht in der Erde beigesetzt worden ist , der im Meer ertrinkt und am Meeresboden liegt oder jemand dessen Leiche verbrannt wird und dessen Asche vom Winde verstreut wird, von der Befragung und dem Druck und den Schrecknissen nach dem Tod unberührt bliebe. Aber das ist nicht der Fall, denn jeder erlebt diese Befragung und die Drangsal.  Im Vers 25 der Sure Nuh (Sure 71) heißt es zum Beispiel über diejenigen, die nicht dem Aufruf des Propheten Noahs zur Besteigung der rettenden Arche folgten und ertranken: „Ihrer Sünden wegen ließen wir sie ertrinken und sie wurden danach  in ein Feuer gebracht.“

 

Dieses Feuer ist offensichtlich das Feuer des Barzach – der Zwischenwelt  und gemeint ist nicht das Grab im Erdreich.

 

 Einigen stellt sich die Frage wie die Strafen bzw. die Segnungen im Grab, von denen in den Koranversen und Überlieferungen  gesprochen wird, denn sein werden. Sie sagen, wenn wir nach einer Weile ein Grab öffnen, so können wir  doch keinerlei Spuren von einem Feuer und Verbrennen des Körpers  ebensowenig wie eine Reinigung des Körpers feststellen.  Wir sehen die Leiche, welche in die Erdgrube gelegt und dann mit Erde überdeckt wurde, vor uns, ohne dass eine Spur von Schrecknissen oder auch  schönen Erlebnissen im Grab an ihr zu sehen wäre.

Wer diesbezüglich Zweifel hegt, der kann mit Hilfe der Erscheinung des Schlafes eine Erklärung finden.  Jemand der einen Schlafenden, der gerade etwas Schreckliches träumt, beobachtet, merkt nichts davon, denn er sieht   seinen Körper ruhig auf dem Bett liegen. Wenn der Schlafende ihm nach dem Aufwachen nichts erzählt, so wird er gar nichts  über die Qualen  während dessen Alptraumes erfahren. 

In den ersten Stunden nach dem Tod bleibt die Seele, trotz der Trennung vom stofflichen Körper wegen ihrer Verbundenheit und Vertrautheit an seiner Seite.  Sie folgt  ihm, wenn er zum Friedhof gebracht wird und ist bei der Totenwaschung zugegen.  Da der Seele einige Wahrheiten der Zwischenwelt offenbar geworden sind, spricht sie entsprechend ihrer Lage mit den Anwesenden. Aber die anderen bemerken es nicht. Die Seele erfasst eine besondere Furcht, wenn sie sieht, wie  ihr stofflicher Körper in das irdische Grab gelegt und mit Erde zugedeckt wird. Es überkommt sie große Unruhe und Besorgnis. Deshalb empfiehlt Imam Sadiq (a.): „Wenn ihr einen Toten zum Grab gebracht habt, dann begrabt ihn nicht sofort, sondern legt ihn ein wenig vom Grab entfernt  auf die Erde, damit er für das Grab vorbereitet wird. Dann trägt ihn wieder ein Stück näher heran und legt ihn wieder zu Boden und wartet ein wenig, damit er auf die Einkehr ins Grab vorbereitet wird. Schließlich hebt ihn zum dritten Mal auf und legt ihn neben das Grab und dann legt ihn beim vierten Mal langsam  hinein.“

Zwischen  Barzach-Körper und  irdischen Leben bleibt eine gewisse Beziehung bestehen. Diese ist meistens stark genug, dass  die Verstorbenen gewahr werden, was sich unter den Lebenden ereignet. Sie besuchen die  Hinterbliebenen und können sie  sehen.  Dies ist jederzeit möglich, besonders aber geschieht es am Freitag.

Ein Mann namens Ishaq Ibn Ammar fragte Imam Kadhim (gegrüßet sei er), ob die  Gläubigen ihre  Familien nach dem Tod besuchen. Der Imam bejahte es und Ishaq fragte ihn: „Wie oft?“

Der Imam antwortete: „Das hängt von ihren Tugenden ab. Einige besuchen jeden Tag ihre Familie  und andere alle drei Tage.  Und die gewöhnlichsten  von ihnen (besuchen) jeden Freitag (ihre Familie).“

Ishaq Ibn Ammar fragte um welche Uhrzeit ein  Gläubiger denn freitags seine  Familie besucht. Der Imam sagte: „Wenn die Sonne untergeht. Dann schickt ihm Gott einen Engel  mit, damit er ihm das zeigt, was ihn erfreut und für  ihn das verdeckt, was ihn bekümmert.“ (Usul-e Kafi, Bd.3).

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