Feb 11, 2017 16:19 CET

Als erstes möchten wir unsere Ausführungen über Tierfabeln fortsetzen und speziell Texte in Persischer Sprache betrachten.

Wissenschaftler haben die Tierfabeln nach verschiedenen Gesichtspunkten untersucht, darunter

der Struktur, den Figuren und ihren Handlungen und den Ereignissen. Der Stil des Autors und seine Motivation sind relevante Aspekte für die Untersuchung der besonderen Struktur dieser Art von Volkserzählungen. Bei einigen Geschichtensammlungen in der Farsi-Sprache bilden die Fabeln den Großteil des Werkes. Zum Beispiel ist dies bei Kalila wa Dimna und dem Marzban-Nameh der Fall. Aber in anderen werden sie eher als Allegorien angeführt und kommen aus dem Munde der menschlichen Heldenfiguren einer Geschichte.

Die meisten Fabeln stehen in Prosawerken, doch treffen wir sie auch in der Dichtung an. In den Werken bekannter iranischen Dichter wie Sanai, Maulavi (Rumi) Nezami und Saadi gibt es zahlreiche Tierfabeln. Die Dichter nutzen solche Erzählungen, um moralische und mystische Inhalte nahe zu bringen.

Die Sprache der Fabeln, die in Prosawerken stehen, ist literarisch anspruchsvoll. Dieses Niveau verleiht diesen Fabeln eine größere Glaubwürdigkeit.

Wenn es in Fabeln um Handlungen geht, die bei Menschen üblich sind, lassen sich die Tierfiguren leicht gegen menschliche Figuren austauschen, ohne dass der Sachverhalt geändert werden müsste.

Als Beispiel kann eine Erzählung dienen, die in Kalila wa Dimna steht und mit „Die Elefanten und die Hasen“ (Pilan wa charguschha) überschrieben ist. Der König der Elefanten ordnet während einer Dürrezeit an, dass die Elefanten sich auf die Suche nach einem wasserreichen Gebiet machen und schickt sie schließlich in das Land der Hasen. Die Elefanten bereiten den Hasen Ärger und Mühe. Diese beraten sich daher, wie Menschen sich beraten würden. Die Geschichte könnte sich streckenweise genauso in der Welt der Menschen abspielen.

In den Tierfabeln gibt es keine Anzeichen einer Groteske, vielmehr haben diejenige, die diese Erzählungen verfassten, ihre Arbeit sehr ernst genommen. Dies sieht man sowohl am Inhalt als auch am Stil und an der Sprache. Die Autoren und Dichter haben ihren weisen Ratschläge fürs Leben in Form von Tierfabeln dargebracht. Da diese Erzählungen von ihnen aus dem Volksmund übernommen wurden, erwartet man eigentlich einen Stil und eine Sprache, die allgemein verständlich ist, und sogar Kinder verstehen. Das ist jedoch nicht der Fall. Die schwierige Ausdrucksweise in solchen Werken hatte zur Folge, dass eigentlich nur die literarisch Bewanderte sie verstanden. Die Erzählungen in diesen Büchern wurden aber noch einmal für die Allgemeinheit in die übliche Prosa umgeschrieben, um sie einem möglichst breites Publikum zugänglich zu machen.

Ein weiteres Merkmal von Erzählbänden mit Tierfabeln besteht darin, dass sich die Sprache und Redensart der Tierfiguren kaum von der Sprache und Redensart der menschlichen Figuren unterscheiden. Dies liegt daran, dass ja diese Geschichten oder Sammlungen oft von einem und demselben Autor verfasst und zusammengestellt wurden und dieser über seine Lebenserfahrung bzw. das Schicksal eines anderen schreibt. Es gibt nur wenige Erzählungen, wo vom Anfang bis zum Ende ein Abenteuer seitens der Erzählfiguren selber oder unter deren Mitbeteiligung geschildert wird.

Doch noch zu unserer dieswöchigen Fabel, die wir bereits oben erwähnten. Die Geschichte von den Elefanten und den Hasen. Sie steht sowohl im Kalila wa Dimna als auch im Mathnawie von Maulawi Rumi.

Vor langer Zeit lebte an einer Quelle eine Elefantenherde. Die Tiere hatten ein gutes Leben aber es kam ein Jahr, in dem kein Regen fiel und die Quelle immer weniger Wasser hatte und schließlich ganz austrocknete. Da überlegten die Elefanten, was sie tun könnten. Der Elefantenkönig ordnete an, dass sich mehrere Untertanen auf die Suche nach Wasser begeben.

Diese Elefanten fanden eine wasserreiche Quelle und alle Elefanten beschlossen zu dieser Quelle mit ihrem klares und kühles Wasser zu ziehen. An dieser Quelle lebten aber auch eine Anzahl von Hasen. Die Elefanten hatten einen großen Durst und als sie das Wasser erblickten, stürmten sie, ohne die Hasen zu beachten, darauf zu und zertrampelten achtlos einige Hasenjungen unter ihren mächtigen Füßen.

Die Hasen aber ergriffen die Flucht.

Die Elefanten kamen nun jeden Tag an die Quelle. Darüber waren die Hasen unglücklich. Es war gefährlich für sie geworden, ans Wasser zu gehen. Stets befanden sich einige Elefanten in der Nähe und die Hasen wagten sich nicht vor. Außerdem hatten die Elefanten das Wasser der Quelle verschmutzt.

Also setzten sich die Hasen zusammen um zu beraten. Unter ihnen war ein alter weiser Hase. Er sagte: „Ich habe einen Lösung gefunden. Ich werde etwas unternehmen, damit die Elefanten nicht mehr in die Nähe der Quelle kommen!“ Die anderen Hasen fragten verwundert: „Wie denn? Du bist ein schwaches Tier und die Elefanten sind stark. Wie kannst du sie verscheuchen?“

Aber der weise alte Hase sagte: „Ihr werdet sehen! Heute Abend werde ich den Felsen besteigen und zu den Elefanten reden. Ich hoffe sie fallen auf meine List herein und werden sich verziehen.“

Es war der 14. des Monats. Der Vollmond erstrahlte am Himmel. Da bestieg der alte Hase den Felsen und rief die Elefanten mit lauter Stimme. Die Elefanten hörten ihn rufen: „ Ihr Elefanten! Hört her! Wisset, ich bin der Bote des Mondes und spreche in seinem Auftrag zu euch. Der Mond beschwert sich, dass ihr einfach an die Quelle gekommen seid, obwohl sie ihm gehört. Wenn ihr an dieser Quelle bleibt, wird sie in einigen Tagen austrocken. Der Mond sagt, ihr sollt so bald wie möglich diese Gegend verlassen. Er ist sehr verärgert über euch.“

Da rief der Anführer der Elefanten: „Der Mond ist verärgert? Wo gibt es denn so etwas! Ich glaube dir nicht!“

Der Hase wieder: „ Wenn du es nicht glaubst, dann lass uns zusammen zur Quelle gehen. Ich werde dir beweisen, dass der Mond verärgert ist.“

Der Elefant war neugierig geworden. Also ging er mit dem Hasen zur Wasserstelle.

Als sie an der Quelle angelangt waren, war das Spiegelbild des Mondes im Wasser zu sehen. „ Da sagte der Hase zum Elefanten:“Siehst du den Mond? Wenn du den Mut hast, dann halte deinen Rüssel ins Wasser hinein, damit du siehst wie verärgert er wird.“

Als der Elefant seinen Rüssel ins Wasser steckte, entstanden kleine Wellen und das Spiegelbild des Mondes im Wasser begann zu zittern. Da dachte der Elefant, dass der Mond wütend ist und vor Wut bebt. Ängstlich gestand der dem Hasen: „Du hast Recht. Der Mond ist wütend! Wir sollten so schnell wie möglich von hier weggehen. Ich hoffe wir werden einen Ort finden, wo es weniger Schwierigkeiten für uns gibt. Jetzt gleich werde ich den anderen Elefanten sagen, dass wir noch heute Abend fortgehen.“

 

Der Elefant wusste weder, dass es nur ein Spiegelbild des Mondes war, was er im Wasser sah, noch war ihm klar, dass durch seinen Rüssel das Spiegelbild verzerrt und das Wasser lehmig geworden war, weil er es betreten hatte. Weil er dachte, der Mond mache ein finsteres Gesicht und zittere vor Wut, kehrte er schnell zu seinen Freunden zurück und sagte: „Der Hase hat Recht. Der Mond ist sehr verärgert. Es ist besser, wenn wir heute Abend noch von hier weggehen und nach einer anderen Quelle suchen.“