Islam richtig kennenlernen (151 - Imam Baqir (F) )
Wir möchten uns weiter mit der Geschichte der Führung der Imame aus dem Hause des Propheten beschäftigen. In diesem und dem darauffolgenden Teil wird es um das Imamat von Imam Baqir (F) und Imam Sadiq (F) gehen.
Die Imame aus dem Hause des Propheten sind zum Schutz des Islams, der Rechtleitung der Muslime und dem Kampf gegen Verdorbenheit und Ungerechtigkeit je nach den Erfordernissen ihrer Zeit unterschiedlich vorgegangen. Sie gingen ihrer Aufgabe manchmal durch eine geschlossene Bewegung und den direkten Aufstand oder auch durch einen intensiven Kampf auf geistiger und kultureller Ebene nach. Vorgehen und Stellungnahmen der Makellosen Imame hingen also von den zeitlichen Bedingungen ab. Ein kurzer Blick auf die Bedingungen, die zur Zeit jedes dieser Imame jeweils herrschten, genügt um festzustellen, dass keinerlei Widerspruch zwischen ihren gedanklichen Grundlagen und Grundsätzen vorliegt und alle dasselbe Ziel verfolgten, obwohl sie zur Erreichung dieses Ziels unterschiedliche Strategien einsetzten.
Imam Mohammad Baqir (F) ist der Sohn von Imam Sadschad (F) und Imam Sadiq (F) der Sohn von Mohammad Baqir. Ihr Imamat erstreckt sich auf den Zeitraum 95 bis 148 nach der Hidschra (von 713 bis 765 nach Christus) und umfasst fast 53 Jahre. In dieser Zeit kam es zu zwei wichtigen Geschehen in der Islamischen Geschichte: zum einen den Machtverlust und schließlich Untergang des umayyadischen Herrscherapparats und der Machtübernahme der Abbasiden und zum anderen der ungehinderte Ansturm der griechischer Philosophie und Anschauungen auf die Islamische Gesellschaft und im Gefolge die Zunahme des theologischen und Glaubensdiskurses.
Das Eindringen des griechischen Gedankengutes barg die Gefahr der Verfälschung des Islamischen Denkens und Glaubens in sich. Imam Baqir (F) und Imam Sadiq (F) haben sich daher intensiv der Verbreitung der islamischen Lehre und dem Schutz des Islams gewidmet.
Die Menschen fühlten sich mehr als zuvor von den Nachkommen des Propheten - den Ahl-e Bait angezogen, denn die Ahl-e Bait des Propheten (S) zeichneten sich durch ihre Spiritualität und ihr Wissen aus und zudem hatte auch die Tragödie von Aschura und der Märtyrertod von Imam Husain (F) nicht seine Wirkung verfehlt. Dies alles ließ die Zahl der Freunde des Prophetenhauses immer zahlreicher werden. Zur Zeit des Imamats von Imam Mohammad Baqir (F) hegten die Gläubigen immer mehr den Wunsch, in den Genuss des Islamischen Wissens zu gelangen. Wenn Imam Baqir (F) die Moschee des Propheten in Medina betrat, versammelten sich viele Menschen um ihn, befragten ihn über Angelegenheiten des Religionsrechtes und stellten im Wissens- und Glaubensfragen. Auch nichtschiitische Gelehrte wie Abu Hanifa suchten den Imam auf, um aus seinem Wissen zu schöpfen.
Jahrelang hatten die Geistlichen, die für die Umayyadenkalifen arbeiteten, in deren Interesse Prophetenzitate erfunden oder verfälscht. Die Lehrzirkel Imam Baqirs (F) und Imam Sadiqs (F) boten die kostbare Gelegenheit, dieser Verfälschung von Überlieferungen entgegenzuwirken und die wahren Ahadith von den erlogenen zu trennen. Diese beiden Imame haben die Abweichungen von der Religion, welche die Umayyaden ein Jahrhundert lang hervorgerufen hatten, bekämpft und zeigten, welcher der wahre Weg ist.

Das hohe Wissen Imam Baqirs (F) hat Freund und Feind in Erstaunen versetzt. Ihm wurde der Beiname Baqir ul Ulum verliehen. Baqir ul Ulum steht für jemanden der das Wissen aufspaltet. Allerdings hat schon der Prophet (S) auf diese hervorragende Eigenschaft von Imam Mohammad Baqir (F) hingewiesen. Er hat zu seinem nahen Helfer Dschabir Ibn Abdullah Ansari gesagt: "Du wirst (mich überleben und) einem Mann aus meiner Familie begegnen, dessen Name meine Name ist und dessen Verhalten und Handeln wie mein Verhalten und Handeln sein wird. Er wird das Wissen spalten und in seine Tiefen vordringen..."
Imam Baqir (F) verdiente in der Tat diesen Titel, denn er enthüllte Geheimnisse und Wahrheiten des Korans und überwand die bestehenden Grenzen des Wissens.
Imam Baqir (F) gelang es in einer Zeit, in der ein Klima der Unfreiheit und Repressalien in der Gesellschaft herrschte, weitgehende Reformen in der Kultur und in der Wissenschaft in der Islamischen Welt in die Wege zu leiten, deren Früchte in den darauffolgenden Epochen zum Vorschein traten.
Seine Strategie bestand darin, Zentren für Wissenschaft und Lehre zu bilden, um wahres Wissen und den wahren Islam vorzustellen. Er wehrte sich fest gegen die Einflussnahme von unwahren und irreführenden Ansichten und setzte sich dafür ein, den wahren Islam von den Verfälschungen und von der Vermischung mit anderen nicht-islamischen Gedanken freizumachen.
Es ist zu erwähnen, dass nicht nur griechisches Denken in die Islamische Welt eingedrungen war, sondern dass es auch in den Gebieten mit muslimischer Bevölkerung selber zur Verbreitung von abweichlerischen Denkweisen gekommen war, welche von den umayyadischen Herrschern unterstützt wurden. Aber Imam Baqir hat mit festen Argumenten und mit Hilfe des Koraninhalts diese abwegigen Ansichten und Gedanken bekämpft.
Die Verdienste Imam Baqirs (F) bestehen besonders darin, dass er viele Glaubens- und Denkgrundlagen, denen von den Umayyaden Schäden zugefügt worden waren, wieder rekonstruiert hat und auf diese Weise den wahren Islam vor der Gefahr der endgültigen Entstellung bewahrte. Der Imam hat im Laufe seiner wissenschaftlichen und kulturellen Bewegung das schlummernde Potential im Herzen der Islamischen Glaubensgemeinde zur Entfaltung gebracht. Seine Zeitgenossen unter den Gelehrten haben ihn als den besten Denker und Gelehrten seiner Zeit anerkannt. Imam Baqir (F) hat eine wichtige Rolle für die Weiterentwicklung des Fiqh - der Religionsrechtes - gespielt und quasi für die muslimischen Gelehrten die Tore zum Idschtihad - der selbständigen Rechtsfindung - geöffnet. Während die tyrannischen Herrscher der Umayyadendynastie jegliches tieferes Denken über religiöse Fragen verhinderten, hat Imam Baqir (F) in seinen Lehrzirkeln und Diskussionskreisen die Menschen gerade dazu aufgefordert, tief nachzudenken und er hat die Vernunft als eine wichtige Quelle für die Ableitung der religiösen Bestimmungen unterstrichen.
Um das religiöse Wissen von Zweifelsfragen und Abweichungen zu befreien, hat Imam Baqir (F) sich auf die beiden elementaren Quellen dieses Wissens, nämlich der Koran und die Sunna - die Vorgehensweise des Propheten - gestützt . Diese waren für ihn die Kriterien, mit Hilfe derer sich Denkweisen und Lehren beurteilen lassen. Der Imam hob die Bedeutung des Korans als Maßstab und als Mittel zur Unterscheidung von Recht und Unrecht hervor. Imam Baqir unterbreitete der Bevölkerung klare Erläuterungen zum Koran.

Das zweite Kriterium zur Unterscheidung des Rechten vom Unrechten ist gemäß Imam Baqir (F)die Sunna – die Vorgehensweise des Propheten und seines Hauses (seiner Ahl-e Bait). Der Imam hat die Ahl-e Bait aus einzige zuverlässige Instanz vorgestellt, an die die Gläubigen nach dem Propheten Gottes ihre Fragen über die Standpunkte des Islams stellen können. Dies, weil sie unfehlbar sind, sicheres Wissen besitzen und den Koran richtig deuten können. Imam Baqir hat über die Ahl-e Bait gesagt:
„Die Nachkommen des Propheten Gottes sind die Tore zu den Religionswissenschaften, durch die man an die Zufriedenheit Gottes gelangt und sie rufen zum Paradies herbei.“
Wegen der tiefen Islamkenntnisse Imam Baqirs (F), kamen viele auf der Suche nach Wissen von fern und nah nach Medina und versammelten sich in der Moschee um Imam Baqir (F). Unter ihnen waren bekannte Denker und Gelehrte, Hadithkundige, Prediger und Dichter. Die Lehrstätte Imam Baqirs (F) war ein Ort, an dem die Menschen sich Wissen und Tugenden aneignen konnten. Einige der Schüler Imam Baqirs (F) haben erheblich zur Weiterentwicklung von Wissensgebieten wir Koranauslegung (Tafsir) Religionsrecht (Fiqh), Überlieferung (Hadith), Kalam (theologisches Streitgespräch) und weiteren Zweigen der Islamischen Wissenschaften beigetragen. Besonders bekannt wurden Aban ibn Taqlib, Zurara ibn Ay`an und Muhammad ibn Muslim.
Imam Baqir (F) der alle dieser Vorzüge und dieses hohe Wissen besaß, war ein sehr bescheidener Mensch und bekannt für seine Großherzigkeit. Er beteiligte sich an harten Arbeiten und er arbeitete bei der sommerlichen Hitze auf dem Feld und in der Dattelplantage. Den Ertrag spendete er an die Bedürftigen und Notleidenden.
Angesichts des freundlichen Wesens Imam Baqirs (F) und seiner Rechtschaffenheit und Milde wuchs die Liebe zu den Nachkommen des Propheten und zum Islam unter der Bevölkerung. Sein würdiges Verhalten beeindruckte auch Andersdenkende. Ein Mann aus Schaam, der wiederholt den Imam aufsuchte, obwohl er anders dachte als dieser, wurde gefragt, warum er das tue. Er begründete seine häufigen Treffen mit dem Imam mit dem guten Wesen und der guten Art Imam Baqirs (F). Dieser Mann sagte zu Imam Baqir (F): „Ihr legt die Dinge gut verständlich und klar dar. Ihr benutzt immer gute Worte. Und deshalb genieße ich es in eurer Gesellschaft zu sein.“
Während des Imamats Imam Baqir (F) waren verschiedene umayyadische Herrscher an der Macht, zuletzt Hischam Ibn Abdul Malik. Hischam galt als Geizhals, Grobian und Tyrann. Er unterdrückte das Volk und deshalb fühlte sich das Volk immer mehr Imam Baqir (F) zugeneigt.

zweiter Grabstein von rechts der vier Grabsteine vorne ihm Bild. Links neben ihm sein Vater Imam Sadschad (F) und daneben dessen Onkel Imam Hasan (F) rechts von ihm das Grab von Imam Sadiq (F)
Hischam bereitete es Sorge, dass Imam Baqir (F) immer beliebter unter dem Volke wurde. Mit verschiedenen Methoden versuchte er den Einfluss dieses Imams einzudämmen. Doch das gelang ihm nicht. Also beschloss er ihn zu ermorden. Schließlich wurde Imam Baqir (F) im Alter von 57 Märtyrer. Hischam ibn Abdul Malik ließ ihn vergiften.