Islam richtig kennenlernen (153 - Imam Kadhim (F))
Auch in diesem Teil verfolgen wir weiter die Linie des Imamats und beschäftigen uns mit der Zeit, in der Imam Kadhim (F) die muslimische Gemeinde anführte.
Nach dem Märtyrertod von Imam Sadiq übernahm sein Sohn Imam Musa Kadhim (Friede sei mit ihm) - die Führung der Muslime. An dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen, dass jeder Imam zu Lebzeiten seinen Nachfolger vorgestellt hat. Nach seinem Vater Imam Sadiq (f) war Imam Kadhim der Mensch mit den größten Tugenden. Imam Sadiq (F) hat über seinen Sohn gesagt: "Mein Sohn, Musa Kadhim, bringt vom Wissen her derartig große Voraussetzungen mit, dass er dank seiner Kenntnisse auf alle Fragen über den gesamten Inhalt des Korans überzeugend antworten kann. Er ist das Herz der Weisheit, Klugheit und Erkenntnis."
Imam Kadhim (F) war ungefähr 35 Jahre das Oberhaupt der muslimischen Gemeinschaft. In dieser Zeit hatten vier verschiedene Kalifen der Abbasiden nacheinander die Macht in der Hand. Es waren Mansur, Mehdi, Hadi und schließlich Harun Ar Raschid. In dieser dunklen Zeit voller Unfreiheit hatte Imam Kadhim (F) es schwer. Die letzten 14 Jahre seines Lebens fallen in die Zeit, in der Harun Ar Raschid herrschte. Einen Teil dieser Zeit musste Imam Kadhim in verschiedenen Gefängnissen verbringen.
Imam Kadhim (F) setzte sich wie sein Vater für die Verbreitung von Wissen und Erkenntnis ein. Er widmete sich dieser Aufgabe ungeachtet der Repressalien der Abbasiden. Imam Kadhim (F) teilte der Bevölkerung wertvolle Überlieferungen mit und es gab eine Schar von Gelehrten, die aus seiner Weisheit schöpften. Mohammad Ibn Nu`man, der ein großer Denker in der Zeit Imam Kadhims (F) war, sagt: „Musa ibn Dschafar (F) – gemeint ist Imam Kadhim - ist ein endloses Meer des Wissens, welche sprudelt und wallt und die Saat des Wissens in alle Richtungen streut.“
Die Abbasiden führten eine Erbdynastie ein. Sie waren gewaltsame und korrupte Herrscher, die das Volk unterdrückten. Ihre Paläste waren Vergnügungsstätten, und sie hatten viele Reichtümer angehäuft, welche ihre Agenten aus fern und nah an sich gerissen hatten. Unter der Bevölkerung waren zugunsten ihrer Herrscherinteressen abwegige Ansichten und ein falsches Religionsverständnis verbreitet worden und zugleich litten viele unter Armut. Beides bedrückte Imam Kadhim (F) sehr und er beschloss angesichts der unheilvollen Machtstrukturen das Unrecht der Abbasidenherrscher zu bekämpfen.
Imam Kadhims Kampf bestand darin, dass er die Legalität der Abbasidenregierung in Frage stellte, damit sich die Allgemeinheit von diesem Regime distanziert. Um die tyrannische Regierung zu schwächen, erklärte er jegliche Zusammenarbeit mit ihr als verboten. Er sagte seinen Anhänger, dass sie nicht den Abbasiden dienen oder mit ihnen Handel betreiben dürfen, weil jegliche Zusammenarbeit dieses ungerechte System festigen würde. Es gab aber Leute, die bereits in dem Regierungsapparat tätig waren und die mit dem Imam in Kontakt standen und ihm dabei Hilfe leisteten, die Ziele seiner Bewegung voranzutreiben. Diese Leute im System konnten dazu beitragen, dass der Druck auf die Schiiten und auf die Anhänger des Imams reduziert wurde.
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Imam Kadhim (F) musste aufgrund des Druckes seitens der Abbasidenherrscher von Medina nach Bagdad, dem Sitz der Regierung, umsiedeln. Unter dem Abbasidenkalifen Harun Ar Raschid, wurde Imam Kadhim besonders schwer unterdrückt und in seiner Freiheit eingeschränkt. Harun tat nach außen hin so, als ob er die Religion unterstützt, aber in Wahrheit war sein Verhalten ein Hohn auf die Werte des Islams. Er betrieb eine listige Regierungspolitik und eine ganze Reihe von Leuten ließ sich von ihm einschüchtern oder durch Versprechungen zu Diensten verleiten. Imam Kadhim (F) aber versuchte das wahre Gesicht der Abbasidenherrscher insbesondere des Harun zu enthüllen.
Die Agenten der Regierung überbrachten Harun die Nachricht, dass jeden Tag Leute den Imam in seinem Haus aufsuchen. Harun und die anderen Mächtigen waren darüber beunruhigt, dass viele im Haus des Imams ein- und ausgingen. Sie vermuteten zu Recht besondere Ziele dahinter. So kam es, dass Harun sehr hart gegen den Imam und die Anhänger der Prophetenfamilie vorging. Er scheute sich nicht die Schiiten einzukerkern und umzubringen.
Imam Kadhim (F) hat lange Zeit in den Gefängnissen und Folterstätten des Harun ar Radschid verbracht. Aber dennoch ließ er nicht davon ab, über die Korruption und das Unheil der Herrscher aufzuklären. Wenn immer sich eine Gelegenheit bot gab er den autoritären Herrschern seine Meinung zu verstehen. Vom Gefängnis aus warnte er Harun in einem Schreiben wie folgt: „An jedem dieser schweren Tage, die ich erlebe, vergeht auch einer deiner guten Tagen, bis der Tag kommt, an dem du und ich an einem Ort uns begegnen. Das ist dort, wo die Unrechttuenden begreifen werden, dass sie den Schaden haben.“
Das Verhalten Imam Kadhims (F) war wie das seines Vaters Imam Sadiq (F) in jeder Hinsicht ausgezeichnet. Er übertraf alle anderen mit seinem Wissen, seiner Wohltätigkeit und Rechtschaffenheit. Dieser Imam hat mehr als tausend Sklaven gekauft und dann Gott zuliebe freigelassen. Er hatte ein Herz für die Entbehrenden. Abends ging er unerkannt an deren Haustür und brachte ihnen Mehl und Datteln oder Geld. Imam Kadhim liebte das Gebet und das vertrauliche Gespräch zu Gott. Sein Koranvortrag war faszinierend. Über seine großen Tugenden hat Ibn Hadaschr Al-Haithami, ein sunnitischer Gelehrte gesagt: „Musa Kadhim hat von seinem Vater Wissen Gotterkenntnis und Vollkommenheit und seine Vorzüge geerbt. Er ist gottesfürchtiger, wissender und großzügiger als jeder anderer.“
Imam Kadhim blieb geduldig wenn jemand schlecht über ihn dachte oder ihn schlecht behandelte und beherrschte sich. Er schluckte seinen Zorn hinunter und vergab anderen schnell, daher erhielt er auch den Beinamen Kadhim. Kadhim ist jemand, der seinen Zorn herunterschluckt.
Mit seinem Verhalten beeindruckte Imam Kadhim (F) sogar seine Gefängniswärter, die rohe gefühllose Burschen waren. Ein Gefängniswärter in Basra namens Isa ibn Dschafar berichtet:
„Ich war dauernd danach bestrebt, Musa Kadhim im Auge zu behalten, und belauschte ihn sogar während seiner Bittgebete. Er war gegenüber allen Härten im Gefängnis sehr geduldig und betete zu Gott um Gnade und Vergebung.“
Imam Kadhim (F) übte sich in Geduld und Selbstbeherrschung, weil für ihn die Rechtleitung der Menschen und die Verbreitung moralischer Tugenden den Vorrang hatten. Er war davon überzeugt, dass durch Güte und Milde das Leben schöner wird und die zwischenmenschlichen Beziehungen gefestigt und die Herzen hoffnungsfroh werden.
Zu den Menschen war Imam Kadhim freundlich und bescheiden aber gegenüber den Tyrannen wie Harun war er unnachgiebig und nicht bereit zurückzustecken. Harun war sehr hochmütig. Er hielt sich für den Besten von allen und bildete sich etwas darauf ein, über das weite Islamische Reich zu herrschen. Zum Beispiel stammt dieser Spruch von ihm: „Ihr Wolken! Werft Regen ab, denn überall wo eure Regentropfen herabfallen, ob im Osten oder im Westen , kommen sie auf ein Land herab, wo ich herrsche und die Grundsteuer und Steuern von diesem Land werden sie zu mir bringen.“ Harun sagte dies in Gegenwart von Imam Kadhim und fragte den Imam: „Was ist diese Welt?“ Der Imam antwortete: „Diese Welt ist die Wohnstätte der Gott- Ungehorsamen“ (d.h. die angenehme Bleibe für die Gott Ungehorsamen, welche das Diesseits vergöttern). Dann zitierte er aus der Sure 7 (Araf) den Vers 146, nämlich:
„Ich (Gott) werde von meinen Zeichen diejenigen abwenden, die auf der Erde ohne Recht hochmütig sind. Wenn sie auch jedes Zeichen sehen, glauben sie nicht daran. Und wenn sie den Weg der Besonnenheit sehen, nehmen sie ihn sich nicht zum Weg. Wenn sie aber den Weg der Verirrung sehen, nehmen sie ihn sich zum Weg. …“
Einmal begegnete Harun Ar Raschid dem Imam bei der Kaaba. Er sagte zu ihm: „Bist du der, dem die Leute heimlich die Treue geschworen haben? Haben sie dich zu ihrem Oberhaupt gewählt?“ Imam Kadhim antwortete dem Kalifen kühn: Ich regiere über die Herzen der Menschen und du über ihre Körper!“
Mit diesem Satz wollte der Imam dem Harun klarmachen, dass nur die Imame aus dem Hause des Propheten für die Führung der Bevölkerung und ihre Verwaltung geeignet sind. In der Tat was es Imam Kadhim, den die Menschen tief in ihren Herzen als ihr Oberhaupt anerkannten.
Die Gläubigen liebten und schätzten Imam Kadhim, weil er ein Nachfahre des Propheten Gottes war. Außerdem war er eine Schatzkammer des Wissens und der Erkenntnis und kannte besser als alle seine Zeitgenossen den Inhalt und die Bedeutung der Koranverse. Dies stärkte zusehends seine Position und Beliebtheit unter der Bevölkerung.
Der Koran lehrt, dass ein Mensch der nach Recht und Wahrheit sucht den stärksten Halt bei seinem Herrn findet. Imam Kadhim hat gestützt auf dieser Empfehlung des Korans, beim Kampf gegen die abwegigen und falschen Strömungen nur bei Gott Beistand gesucht und sich nicht vor der Scheinmacht der Tyrannen gefürchtet. Wir werden das Thema im nächsten Teil wieder aufnehmen.