Jun 27, 2021 02:14 CET
  • Sinnvolle Wegzeichen der Ahl-ul-Bait (39 – zum Thema  Macht)

Wir möchten weiter über die Standpunkte Imam Alis (F) in Regierungsfragen sprechen.                          

 

Bekanntlich gibt es verschiedene Wege, um an die Macht zu gelangen. Den einen ist jedes Mittel recht. In ihren Augen gibt es keine moralischen Prinzipien in der Politik  und es  geht nur darum Macht über die Gesellschaft auszuüben. Es gibt aber auch die Ansicht, dass ein Politiker die menschlichen Werte achten muss und es nicht gestattet ist, jedes Mittel einzusetzen um an die Macht zu gelangen. Das politische Leben und die Regierungsmethode Imam Alis basierten auf dieser zweiten Ansicht.

Imam Ali war davon überzeugt, dass es Zweck einer Regierung ist, die Menschen nicht nur bei  ihrer materiellen sondern auch bei ihrer spirituellen Weiterentwicklung zu unterstützen und soziale Gerechtigkeit herzustellen. Imam Ali rief jene Politik und jenes Regierungssystem ins Leben zurück, welche der Propheten Jahre zuvor gegründet hatte. Als er über zwei Jahrzehnte nach dem Verscheiden des Propheten das Regierungsamt übernahm, war ihm klar, dass er sich unermüdlich dafür einsetzen muss, die muslimische Gesellschaft wieder auf den Weg des Propheten und des Korans zurückzuholen. In seiner Ansprache 131 laut Nahdsch-ul-Balagha hat er über den Grund, weshalb er die Regentschaft akzeptiert hat, wie folgt gesprochen:

Oh Allah, Du weißt, dass das, was wir taten, nicht aus Konkurrenz um Macht geschah, noch verlangten wir nach den vergänglichen Gütern dieser Welt, doch wollten wir die Wahrzeichen Deiner Religion wieder aufrichten und uns um den Wohlstand Deiner Städte kümmern, damit die Unterdrückten unter Deinen Dienern in Sicherheit sind und Deine fallengelassenen Gesetze und Gebote wieder in Kraft treten. ...

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Zu den Angelegenheiten, für die sich Imam Ali (F) intensiv einsetzte, gehörte die Beachtung der Gesetze Gottes. Wenn jemand gegen diese Gesetze verstieß, hat er ungeachtet dessen, welche Stellung der Übeltäter genoss, dessen Bestrafung vorgesehen. Gemäß seinem Urenkel Imam Baqir (F) hatten  seine Beamten einmal einen Mann vom Stamm der Bani Asad, welcher sich eines  Vergehens schuldig gemacht hatte, festgenommen und ihn vor den Imam gebracht. Einige Verwandten dieses Mannes gingen zu Ali (F) und baten ihn, die Strafe für dieses Mitglied der Bani Asad aufzuheben. Aber Ali (F) führte den Befehl Gottes durch und bestrafte ihn für sein Vergehen. Dann sagte er: „Bei Gott, mir stand es nicht zu über diese Sache zu verfügen  und ihm zu vergeben.“

 Ali (F) betrachtete Gerechtigkeit als ein sehr wichtiges vitales Prinzip der Regierung und hat in Wort und Tat auf diesem Prinzip bestanden. Gerechtigkeit ist für ihn die wichtigste Säule in der Politik. Die Gerechtigkeit ist nicht aus seinen politischen Grundsätzen und aus seinem Vorgehen  wegzudenken.  Er blieb streng dem Prinzip der Gerechtigkeit getreu, auch wenn dies einigen missfiel und obwohl einige deswegen sogar einen Krieg gegen ihn anzettelten – die Kamelschlacht.

                      

Imam Ali achtete sehr darauf, dass die Regierungsangelegenheiten in seinem Staat nur rechtschaffenen Personen anvertraut werden. Er beließ keinen der unwürdigen Verwalter aus der Vorzeit in seinem Amt, welche aufgrund politischer Intrigen oder wegen ihrer aristokratischen Stellung an einen Posten gelangt waren. Ein deutliches Beispiel für solche Leute war Muawiya. Dieser war vom Imam aus dem Gouverneursamt für  Schaam, das damalige Großsyrien,  entlassen worden, doch akzeptierte er diesen Schritt des Imams nicht, sondern zog in den Krieg gegen ihn.

Imam Ali hat über die Wahl einer würdigen Person für die Regierungsangelegenheiten gesagt:

Ihr Menschen, wahrlich, der, der für diese Angelegenheit (des Kalifats) am meisten berechtigt ist, ist der, der am stärksten dafür unter euch (geeignet) ist und der am meisten Wissen über Allahs Befehl diesbezüglich hat. ...

(nachzulesen in 173. Predigt, Nahdsch-ul Balagha)

Obwohl der Imam sehr sorgfältig die Regierungsbeamten  aussuchte, behielt er sie auch danach noch im Auge und achtete auf ihre Vorgehensweise, wobei er bemüht war, sie von Abweichungen abzuhalten.   In einem Schreiben an seinen Gouverneur in Asarbaidschan, Aschath ibn Qais, (welches als Brief 5 im Nahdsch-ul-Balagha erhalten blieb) schrieb er:

 Wahrlich, dein Amt ist kein Leckerbissen für dich, sondern es ist ein auf dir lastendes Anvertrautes, und du wurdest als Hüter eingesetzt von denen, die über dir stehen. Es steht dir nicht zu, dass du willkürlich herrschst, ...

                          

Eine volksfreundliche rechtschaffene Regierung erfordert eine nahe Beziehung zwischen dem Regenten und den Volksmassen. Ein Regent kann nur dann erfolgreich sein, wenn er die Probleme der Bevölkerung und ihre Bedürfnisse kennt  und für ihr Wohl sorgt. Er muss dem Volke die Zuversicht schenken, dass er seine Interessen hütet, damit sie seine Regierung von ganzem Herzen begrüßen.

Die Regierungsmethode von Imam Ali war geprägt von Freundschaft zum Volke und der Bemühung ihm zu dienen und ihr Wohl und ihre Probleme zu beachten.  In seinem Brief an Malik Aschtar, seinen Befehlshaber in Ägypten, hieß es:

Lass dein Herz die Barmherzigkeit gegenüber den Untertanen fühlen sowie die Liebe und Freundlichkeit ihnen gegenüber, und stehe nicht über ihnen wie reißende Raubtiere, die ihre Nahrung erbeuten, denn sie, deine Untertanen,  sind von zweierlei Art: Entweder dein Bruder in der Religion, oder dir in der Schöpfung gleich.

Ihnen unterlaufen Fehler.  Sie werden fehlerhaft handeln, sei es absichtlich oder aus Versehen, so gewähre ihnen deine Verzeihung und Nachsicht wie das, was du dir wünschst, dass Allah dir von Seiner Verzeihung und Nachsicht gewähren möge. 

(aus Brief 53, Nahdsch-ul-Balagha)

                

Die Güte und Freundlichkeit gegenüber dem Volk spielen nach Ansicht des Imams eine wichtige Rolle dabei  die Gunst des Volkes zu gewinnen und die Gesellschaft verwalten zu können. Dies ist ein islamischer Grundsatz, dem der Imam treu war und den er als wichtiges Prinzip für eine Regierung betrachtete.

                    

Aus der Sicht von Imam Ali (F)spielt die Regierung eine direkte  Rolle für die Einmütigkeit und Eintracht der Gemeinde. In der Ansprache 146 (laut Nahdsch-ul-Balagha) verweist er auf diesen Punkt und sagt:

 

Die Funktion dessen, der die Befehlsgewalt innehat, ist wie die einer Schnur, auf der Perlen aufgereiht werden, da er sie sammelt und zusammenhält. Wenn die Schnur reißt, verstreuen sich die Perlen, gehen verloren und werden nie wieder ganz zusammenkommen.“

Mit diesem einfachen Vergleich führt der Imam vor Augen, dass das hohe Ziel der Eintracht unter dem islamischen Volke von einem Fürsorger und Lenker abhängt, der frei von Meinungsstreit und blindem Eifer die Mitglieder der Gesellschaft um einen feste Achse versammelt und sie vor Schaden bringenden  Konflikten und Spaltungen absichert.

Ali (F) spricht deutlich und klar zu den Verantwortungsträgern von der Gerechtigkeit und betont, dass sie diese akzeptieren müssen. Denn wenn jemand das Prinzip der  Gerechtigkeit  nicht verinnerlicht hat, wird es ihm noch schwerer fallen danach zu handeln.  Ali (f) fordert die Bevölkerung auf, dass sie ihn stets an die Gerechtigkeit erinnern und ihn nicht als jemanden betrachten, der keines guten Rates und keiner Mahnung bedürfe.

Der Imam betrachtet also wohlgemeinte Kritik als fruchtbar, aber er warnt auch davor, dass diese Kritik an den Personen, die mit der Verwaltung der Gesellschaft betraut sind,  nicht zur Anfeindung und zum Ungehorsam gegenüber einem berechtigten, gerechten und gottesfürchtigen Regenten führen darf. Denn unbegründete Opposition und eine feindselige Kritik haben  zur Folge, dass die Gesellschaft verdorben wird und der gerechte Herrscher an ihrer Spitze diese nicht mehr richtig leiten und ihr nicht mehr zur Weiterentwicklung verhelfen kann.

               

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass aus der Sicht Imam Alis (F) Macht und Regierung niemals selber das Ziel sind. Daher hat er niemals nach Macht gestrebt.  Ob er kämpfte,  sich still verhielt oder die Regierung in die Hand nahm – immer ging es ihm nur darum, Gottes Zufriedenheit zu finden. Er zeigte weder Interesse an der Macht , noch setzte er irgendein unlauteres  Mittel ein, um an die Macht zu gelangen. Obwohl er rechtmäßigen Anspruch auf das Kalifat – die Statthalterschaft des Propheten - hatte,  hat Imam Ali (F) niemals für dieses Amt und für die Machtübernahme geplant. Erst als  das Volk sich an ihn gewandt und ihn gedrängt hatte, Kalif zu werden, hat er die Regierungsmacht akzeptiert. Das war viele Jahre nach  dem Versterben des Propheten. Das Geheimnis für dieses Verhalten Imam Alis (F) ist in seiner religiösen Einstellung zu suchen. Macht war für ihn nur dann etwas wert, wenn durch sie die Gerechtigkeit hergestellt wird und die Rechte des Volkes beachtet werden

 

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