Jul 31, 2022 04:40 CET

Wir berichten auch heute aus dem Leben des  iranischen Dichters und Weisen Nasser Chosrau , der im 11. Jahrhundert nach Christus im damaligen Groß-Iran gelebt hat und zur Kulturgeschichte Irans gehört.

Beim letzten Mal haben sie erfahren, dass der große iranische Dichter Nasser Chosrau  schon als junger Mann als Hofschreiber diente aber mit 43 Jahren in Folge eines Traumes einen geistigen Wandel erfuhr, sich nach Mekka zum Hause Gottes begab und sieben Jahre der Heimat fernbleibt. Nach seiner Rückkehr diente er nicht mehr den Seldschukenherrschern sondern widmete sich der Gottesanbetung , lehrte  islamische Weisheit und führte ein asketisches Leben. 

Er dichtete:


نکوهش مکن چرخ نیلوفری را
برون کن زسر باد خیره سری را
چو تو خود کنی اختر خویش را بد

Beschwer dich nicht übers Schicksal , über Himmel und Gestirn

Entferne lieber den Rauschtrunk „Eigensinn“ aus dem Gehirn

Denn du selber verdirbst dir das Schicksal und machst es zum Unstern

 

Zu Beginn seines Reiseberichtes Safarnameh, welcher eines der von ihm erhalten gebliebenen wertvollen Büchern ist, schildert Nasser Chosrau den Traum, der sein Leben veränderte wie folgt:

„Ich träumte in einer Nacht, dass einer zu mir sagte: „Wie lange willst du noch diesen Wein trinken, der den Menschen  den Verstand raubt. Es ist besser, wenn du bei Verstand bist.“

 Ich antwortete: „Die Hakim (Weisen) können nichts anderes fabrizieren, was den Kummer der Welt vermindert.“

 Die Antwort war: „In der Sinnlosigkeit und der Benommenheit ist keine Erleichterung. Keiner kann ein Hakim (Weiser) genannt werden, der den Menschen den Weg zur Benommenheit zeigt, sondern man muss etwas verlangen, welches den Verstand und die Wachsamkeit vergrößert.“

 Ich sagte: „Woher soll ich das bekommen?“

 Jener sagte: „Wer suchtet der findet“, und dann zeige er in die Gebetsrichtung (zur Kaaba in Mekka) und sagte danach nichts mehr. Ich bin aus dem gestrigen Schlaf aufgewacht, und nun muss ich aus dem 40-jährigen Schlaf aufwachen.“

Nasser Chosrau fasste den Entschluss  all sein Tun und Verhalten zu ändern und weil ihm im Traum die Gebetsrichtung gezeigt worden war, begab er sich auf die Reise nach Mekka. Er trat im Jahre 437 nach der Hidschra – 1045 oder 1046 nach Christus – in Marw (Nordost-Iran) in Begleitung seines Bruders Abu Said und eines indischen Dieners seine Reise an. Über die die nördlichen Gebiete Irans zog er nach Syrien und Kleinasien, suchte Palästina auf und zog weiter nach Mekka. Dann begab er sich nach Ägypten. Später reiste er erneut nach Medina und Mekka und nach dem Pilgerbesuch zum Hause Gottes, der Kaaba, kehrte er über die südlichen Regionen Irans in die Heimat zurück und ging schließlich nach Balch. Diese Reise dauerte ungefähr 7 Jahre und er legte eine Strecke von 3 tausend Farsang zurück. Wenn man davon ausgeht, dass damals ein Farsang ungefähr 6 km entsprach, war dies eine Strecke von  18 Tausend Kilometern.  Seine  siebenjährige weite Reise  bescherte Nasser Chosrau seine geistige und seelische Veränderung und uns seinen Reisebericht.

 

                   

Nasser Chosrau blieb drei Jahre lang in Ägypten und dort lernte er die ismailitische Rechtsschule kennen und wurde ihr Anhänger.  Die Anhänger dieser Rechts- und Denkschule sind der Meinung, dass nach Imam Dschafar Sadiq (Friede sei mit ihm), dem 6. Imam der Schiiten, einer seiner Nachkommen namens Mohammad Ibn Ismael der Vorsteher der Muslime sein soll und dass dieser im Verborgenen weiterlebt. Da die Ismailiten großen Wert auf Denken und Einsatz der Vernunft legten, fühlte Nasser Chosrau sich von dieser Rechtsschule angezogen. Er erreichte eine solche Stufe, dass ihn der fatimidische Kalif in Ägypten, al Mustansir bi-llah Abu Tamim Maad ibn az Zahir (der von 1035-1085 regierte) zum Vertreter der Ismailiten in Chorasan - zum Hodschat-i Chorasan -bestimmte.

Bei seiner Rückkehr nach Chorasan im Jahre 1052 n.Chr. war Nasser Chosrau 50 Jahre alt und es herrschten die Seldschuken. Der Dichter begab sich nach Balch und begann dort Anhänger für die ismailitische  Richtung zu gewinnen und sie in die verschiedenen Orte zu schicken, damit auch sie die Überzeugungen dieser schiitischen Schule verbreiten. Zugleich nahm er Diskussionen mit den Gelehrten der sunnitischen Schule auf. Mit der Zeit  mehrten sich jedoch seine Gegner und bereiteten ihm zusehends Schwierigkeiten. Anscheinend hatten einige sogar in einer Fitwa erklärt, dass er zu töten sei.
 

Es kam zu einem heftigen Streit zwischen Nasser Chosrau und den damaligen Gelehrten, der bis ans Lebensende in seinen Werken Widerhall fand. In seinem Gedichtband beklagt er sich über seine Zeitgenossen und die seldschukischen Herrscher und sunnitischen Gelehrten in Chorasan. In den  meisten seiner Kassiden spiegelt sich der harte Kampf gegen seine Gegner wieder.

Zum Beispiel dichtete er :

در بلخ ایمن‌اند ز هر شرى
میخوار و دزد و لوطى و زن‌باره
ور دوستدار آل رسولى تو
چون من ز خان و مان شوى آواره

 

In Balch sind sie sicher vor jedem Ungemach:

Säufer, Diebe, Schürzenjäger und Leute wie das Volk von Lot

Doch die Freunde der Familie deines Propheten

Werden wie ich obdachlos.

 Nachdem er immer mehr Ablehnung und Feindschaft begegnete ,verließ Nasser Chosrau Balch und ging in andere Städte von Chorasan. Er setzte dort und in einigen Städten von Mazanderan am Kaspischen Meer seine Werbung für die ismailitische Schule fort. Es versammelten sich anscheinend in Mazanderan auch einige Anhänger um ihn, aber insgesamt gesehen stieß er auf Ablehnung und wurde allerorts mit Knüppeln und Steinwürfen begrüßt. Schließlich zog  er sich nach Yomgan in der Gebirgslandschaft von Badachschan (heutiges Afghanistan) zurück . Dort blieb er  15 Jahre lang und schrieb Bücher. Die meisten seiner Werke sind in dieser einsamen Gebirgsgegend entstanden. In jenen Jahren wurde er von dem Ismailiten Ali ibn Asad ibn Harith unterstützt. Auf dessen Wunsch schrieb er sein Buch Dschami`al Hikmatayn über die ismailitische Lehre.

                                 

Nasser Chosrau blieb bis an sein Lebensende in Yomgan und wurde dort beigesetzt. Es heißt, dass sein Grab einige Zeit später  Pilgerstätte der Ismailiten wurde. Dawlatschah Samarqandi , ein Dichter und Biograph, der im 15. Jahrhundert nach Christus lebte, berichtet in seinem Tazkirat al Schuara - einem biografischen Nachschlagewerk  über Poeten:

„Das Heilige Grab des Weisen Nasser  Chosrau liegt im Yomgan-Tal, und dieser Ort gehört zu Badachschan. Die Reisenden haben danach das Grab des Dichters in diesem Tal gesehen und es existiert heute auch noch und es kursieren darüber Erzählungen unter den Bewohnern der Gegend.“

Der lange Verbleib von Nasser Chosrau in Yomgan führe zur Etablierung und Verbreitung der ismailitischen Überzeugung in einem weiten Teil von Badachschan und benachbarten Gebieten bis nach Kokand  und Buchara (heutiges Usbekistan). Es gibt heute noch in diesen Gebieten Ismailiten.  

Nasser Chosrau hat wertvolle Werke sowohl in Poesie als auch in Prosa hinterlassen.  Seine Prosawerke sind:

Safarnameh (Reisebericht)

Goschayesch wa Rahayesch (soviel wie: Wissen und Befreiung)

Chan al Chan (über die ismailitische Philosophie)

Zad- al musafirin –Nahrung der Reisenden

Wadschh-i Din (das Gesicht der Religion)

Dschami`al Hikmatayn .

                        

In seinem Safarnameh beschreibt Nasser Chosrau ausführlich seine siebenjährige Reise in einem einfachen Stil mit genauen Angaben zur Geographie und über die Geschichte und Bräuche der Völker, die er unterwegs kennenlernte.

Die anderen Büchern in Prosa handeln über die Argumentation und die Erklärung von verschiedenen Themen der Lehre der Ismailiten und erwidern Fragen  zu der Glaubenslehre dieser Rechtsschule.  Das wichtigste dieser Werke ist das Zad al Musafirin . Es gehört zu den sehr berühmten Werken über die Theologie der Ismailiten. Nasser Chosrau schrieb dieses Werk 453 nach der Hidschra (um 1060 n.Chr. ). Das Buch umfasst 27 Kapitel und Nasser Chosrau untersucht in ihm die Positionen klassischer Philosophen  wie Platon und Aristoteles und argumentiert gegen einige der Ansichten früher islamischer Philosophie. Er diskutiert in diesem Buch die Verbindung zwischen Seele und Körper und die Auferstehung von den Toten,  lehnt den Glauben an eine Reinkarnation (Wiedergeburt) ab   und führt den Beweis für Belohnung und Bestrafung im Jenseits.

Auch das Buch Wadschh-i Din ist ein bedeutendes Werk Nasser Chosraus . In diesem Buch erläutert er bündig theologische Themen und Deutungen,  das Wesen der gottesdienstlichen Handlungen und die religionsgesetzlichen Regeln gemäß der Schule der Ismailiten.

Die Prosa-Werke von Nasser Chosrau weisen alle einen einfachen und flüssigen Stil auf und sind eine ausgezeichnete Quelle für philosophische und scholastische Begriffe in Persisch. Um seine scholastischen Werke zu verstehen, werden Grundkenntnisse der Philosophie erforderlich. Alle Werke Nasser Chosraus blieben uns erhalten und wurden neu aufgelegt.  Wir werden im nächsten Teil weiter über diese historische iranische Persönlichkeit berichten.

 

 

 

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