Oct 18, 2022 02:20 CET
  • Moral islamisch gesehen (48 – politische Ethik)

Wir möchten in diesem Teil über die Wirkung politischer Unabhängigkeit sprechen.

 

 

                         

Wie gesagt, verleiht die politische Unabhängigkeit der islamischen Weltgemeinde den Geist der Freiheit und motiviert sie zur Erstarkung  gegenüber fremden Mächten. Die Forderung nach Unabhängigkeit  belebt in ihr die Moral des Widerstandes gegenüber Aggressoren.

Eine weitere Errungenschaft, welche die politische Unabhängigkeit mit sich bringt, ist die Forderung nach Größe und Ehre und das Verhindern von  Erniedrigung und Schmach. Um stark zu werden und sich Respekt zu verschaffen, wird ein fester Wille ebenso erforderlich wie die Ausdauer gegenüber Härten, Drohungen und Engpässen, welche zweifelsohne die Anführer des internationalen Unglaubens den Völkern aufzwingen, die nach Freiheit, Erstarkung und Würde streben. In diesem Zusammenhang kann man abgesehen von deutlichen historischen auch auf aktuelle Beispiele für solche Völker hinweisen, wie auf das heldenhafte palästinensische Volk ebenso wie auf die jemenitische Nation  und die syrische Bevölkerung, die gegenüber allen Übergriffen und militärischen Angriffen, Massakern und Verbrechen der ausländischen Mächte standhaft geblieben sind und sich nicht auf erniedrigende Kompromisse und die Vergabe von ungerechte Konzessionen eingelassen haben. Sie liefern allen unterdrückten Nationen auf der Welt und den kommenden Generationen der Menschheit ein stolzes Beispiel für das Streben nach Ansehen und Ehre.

                            

Zweifellos bildet das auf dem Prinzip der Einheit Gottes (Tauhid) beruhende Moraldenken, welches aus dem wahren Islam hervorgeht, eine der wichtigsten Stützen für das Streben nach Stärke und Ansehen. Den Befolgern des geraden Weges Gottes versichert der Koran in der Sure  63, im Vers 8 im zweiten Abschnitt:  

Doch Allah gehört die (wahre und beständige) Macht, und auch Seinem Gesandten und den Gläubigen. Aber die Heuchler wissen nicht.

In Wahrheit unterscheiden sich die wahren Gläubigen von den Heuchlern, die ja lediglich den Islam vortäuschen, durch das Prinzip des Glaubens an den Einen Gott, der das absolute Sinnbild für Macht und Größe ist.

Mit anderen Worten lässt sich sagen, dass Größe und Stärke der Mächtigen vergänglich sind und irgendwann  in einer politischen und gesellschaftlichen Krise zu Ende gehen, während die Macht und Größe Gottes beständig ist und kein Ereignis und kein Faktor sie irgendwie beeinträchtigen könnte. Immer wenn der Allmächtige es will, führt er vor Augen, wie schwach die Grundlagen von menschlichen Mächten sind und beendet ihre Herrschaft oft mit einem unscheinbaren Mittel.  In diesem Zusammenhang lässt sich auf den Tod des Nimrod hinweisen, eines Diktators, der zur Zeit von Abraham gelebt hat. Gott tötete ihn  mittels einer Mücke, die in sein Gehirn gelangte. Es lässt sich auch auf den Pharao hinweisen, den gewaltsamen Herrscher von Ägypten. Der Pharao rief – wie der Koran berichtet – auf dem Gipfel seiner Macht dem Volke zu: Ich bin euer höchster Herr und außer mir gibt es keinen anderen Gott. Aber Gott der Allmächtige, ertränkte ihn im Nil und ließ seine Leiche  ans Land treiben, damit sein Schicksal den falschen Mächten in der Geschichte eine Lehre sei.

Ein weiteres anschauliches Beispiel bringt der Koran in der kleinen Sure „Fil“, Sure 105; und zwar war das mächtige Heer des Abraha mit einem Elefanten herangerückt, um die Kaaba in Mekka zu zerstören. Sie dachten, sie könnten auf diese Weise das Wahrzeichen des Glaubens an den Einen Gott auslöschen. Aber Gott der Allmächtige und Unbesiegbare hat das Heer  Abrahas durch eine Vogelschar töten lassen.  Diese Vögel, die im Koran Ababil genannt werden, warfen feste Lehmklümpchen über dem Heer des Abraha ab und vernichteten es.

Zum Schluss der Sure „Fil“ (Elefant) beschreibt der Koran das Ende der Angreifer mit: „und sie waren wie abgefressene Halme.“

In den Korankommentaren steht, dass Gott einen von den Angreifern am Leben ließ. Dieser floh entsetzt und eilte an den Hof von Abraha, um ihm von der vollständigen Vernichtung seines Heeres zu berichten. Der machttrunkene Abraha wollte dies nicht glauben. Aber im gleichen Augenblick ließ einer der Vögel Ababil, der  dem einzigen Überlebenden des Heeres gefolgt war,  einen kleinen Stein auf den Kopf des Abraha herabsausen. Der Stein bohrte sich in seinen Schädel und bereitete seinem Leben vor den erstaunten Blicken der anderen  ein Ende. Auf diese Weise demonstrierte Gott, wie unbeständig die Macht dieses ungerechten Herrschers war.

                                

Wenn Gott von dem Untergang von Scheinmächten der Menschen berichtet, so geht es Ihm darum, dass sowohl die Regierungen als auch die Völker eine Lehre daraus ziehen und einsehen,, dass keinerlei menschliche Macht gegenüber dem Willen Gottes standhalten kann, sondern die Säulen ihres Machtbaus einstürzen werden. 

 Die Überzeugung davon, dass der Wille Gottes geschieht, soll natürlich nicht dazu führen, dass die Völker sich nicht mehr um Unabhängigkeit und Größe bemühen und diesbezüglich keine Verantwortung mehr tragen. Es soll mit anderen Worten nicht bedeuten, dass die Völker untätig darauf hoffen, dass Gott mit Seiner Allmacht die Unterdrücker stürzt und vernichtet. Wäre dem so, hätte Gott nicht in zahlreichen Koranversen den Dschihad – den Kampf auf dem Wege Gottes - gefordert und dazu angewiesen, dass die Muslime ihre militärischen Möglichkeiten für die Bekämpfung von unterdrückerischen Herrschern stärken. Er hätte auch Seinen Propheten nicht befohlen, die unterdrückerischen Systeme und ihre Anführer zu bekämpfen.  Parallel zu dem Beistand Gottes müssen sich also die Völker selber erheben, um an Unabhängigkeit und ein würdiges Leben zu gelangen, und sie müssen nach besten Kräften ihre Stärke und Größe bewahren.       

                                        

 

Neben den Bewegungen des Propheten Gottes und des werten Propheten des Islams, über dessen Kampf gegen die Vielgötterei und die Heuchelei in zuverlässigen Texten geschrieben steht,  und neben den historischen Kämpfen, die Imam Ali (Friede sei ihm) während seiner Zeit als  Kalif gegen die Feinde des Islams geführt hat, beweist auch der unvergessliche Kampf des Fürsten der Märtyrer Imam Husain, Sohn des Alis )(F) , dass der Dschihad und das Martyrium und die Erduldung von Härten und Leid notwendig sind, um die Gipfel von Größe, Macht und Ansehen zu erreichen. Daher versuchen die arroganten und verbrecherischen Systeme unter Einsatz jeglicher Mittel und Finten gegen den Geist der Forderung nach Größe und der Verhinderung der Erniedrigung vorzugehen. Dabei ist ihr wichtigstes Instrument die Drohung.

 

Yazid der Sohn des Muawiya hat diesen Hebel eingesetzt, um die schicksalhafte Revolution von Aschura niederzuschlagen. Aber Imam Husain, der von diesem Umayyaden bedroht wurde, erklärte: 

Wisset dass dieser Uneheliche, Sohn eines Unehelichen, verlangt,  dass wir zwischen dem (Tod durch das) Schwert und der Schmach (in Form des Treueeids für ihn) entscheiden. Aber jegliche  Erniedrigung und Schmach liegt uns fern. Wir werden nie in eine Erniedrigung einwilligen!  Gott, Sein Prophet und die Gläubigen und unsere edlen Frauen und unsere edle Familie würden es niemals akzeptieren, dass wir die Befolgung der  Niederträchtigen über den ehrenhaften Kampf stellen.“  Sayyid ibn Tawus, Luhuf, S. 59.

Die Unabhängigkeit, der Wunsch nach Größe und die Ablehnung von Erniedrigung sind also Grundlagen der politischen Kultur des Islams. Unter keinen Umständen dürfen diese Grundlagen bei den internationalen Beziehungen angetastet werden.

 

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