Sep 23, 2022 03:40 CET

Zum Abschluss unserer Ausführungen über den iranischen Philosophen und Poeten Nasser Chosrau, der im 11. Jahrhundert nach Christus gelebt hat, ist es angebracht und interessant, die Ansichten einiger Wissenschaftler zu seiner Literatur zu hören. 

 Nasser Chosrau hat durch eine siebenjährige Reise einen inneren Wandel erfahren und wurde Anhänger der ismailitischen Lehre. Wegen seiner Denkweise musste er sich schließlich in das abgelegene Yomgan-Tal im heutigen Afghanistan, wo er später beigesetzt wurde,  zurückziehen. Dort schrieb er die meisten seiner Prosa- und Poesiewerke. Während er zu seiner Zeit vornehmlich auf Ablehnung stieß, nimmt er heute einen besonderen Platz in der Literaturgeschichte ein.   

Der russische Forscher Andre Bertels sagt über die Beachtung, welche die Lyrik von Nasser Chosrau findet:

„Seine Gedichte mit moralischen Ratschlägen sind  in den Lehrstoff an den Schulen im Iran und in Tadschikistan  eingebaut worden, und die Presse im Iran schätzt seine Werke. Die Dichtung und Bücher von Nasser Chosrau  ziehen im Osten und Westen immer mehr Aufmerksamkeit auf sich und es wird immer deutlicher, dass seine Werke näher erforscht werden sollten.“ 

Der britische Orientalist Arthur John Arberry schreibt: „Die Vorgänger von Nasser Chosrau verfassten Kassiden  zur Huldigung der Könige und Prinzen, aber Nasser Chosrau befasst sich thematisch nur mit Reinheit und Anständigkeit, mit  Tugend und guten Eigenschaften  und dem Lob der Wissenschaft.“

Auch der iranische Literatur- und Kulturforscher Allame Qazwini (verst. 1949)   zählt Nasser Chosrau zu den großen moralischen Dichtern deren Werke alle kostbar und tiefsinnig sind.

Der iranische Literaturforscher Dr. Zabihullah Safa (verst. 1999), Professor für Iranistik an der Universität Teheran, äußert sich wie folgt über die Charakteristik der Poesie von Nasser Chosrau:

„Zweifelsohne ist Nasser Chosrau einer der fähigsten Farsi-Dichter.  Er achtet nicht auf das, was andere Dichter anzieht, nämlich das schöne Äußere von Natur und Personen, sondern sein Blick ist mehr auf die inneren Wahrheiten und die Quellen und Überzeugungen der Religion gerichtet.  Daher dienen ihm die Beschreibungen der Natur nur als Einleitung zur rationalen und religiösen Debatte.  Dennoch darf nicht vergessen werden, dass er  eine große Begabung für die Beschreibung der Natur besitzt. Seine Beschreibungen von den Jahreszeiten und der Nacht und dem Himmel und den  Sternen kommen in der Dichtung anderer Farsi-Dichter selten vor.“

Der iranische Literaturprofessor    Dr. Abdul Husain Zarinkub  (verst. 1999)  hat über die literarische Begabung des Nasser Chosrau und seine Kühnheit in der Kritik an den Unterdrückern seiner Zeit gesagt:

„Seine Sprache ist einmalig stark und erhaben. Wie eine kostbare Flut wälzt sie sich von oben nach unten herab. Er spricht mächtig und mit Entschiedenheit und der Leser fühlt sich ihm gegenüber wie jemand, auf den ein großer Riese herabblickt, ein Riese, der zornerfüllt ist aber es nicht böse meint. Dieser zornerfüllte Riese mit gutem Herzen tritt immer noch in seinem Divan in Erscheinung. Er spricht in einem zornerfüllten Ton und stimmt den Leser zornig auf die unwissenden leichtfertigen Leute, die ein Spielzeug ihrer eigenen Gelüsten und ein Werkzeug in der Hand der  bestechlichen Herrscher werden, und schreit laut auf.“

 

 

Über Nasser Chosrau und seine Werke sagt der iranische Professor für Farsi-Literatur, Dr.Gholamhusain Yusefi (verst. 1990):

„Die Dichtung von Nasser Chosrau ist  vom Inhalt und der Form, von der Wortwahl dem Klang und dem Auf und Ab, der Eile und dem Weilen her  das Produkt seines Denkens in der Gestalt von Versmaß und Worten.  Auch in seiner Utopie kommt  diese immer ernste Miene, welche er als Verkünder und „Beweis“ zeigt,  und dieses entschlossene und in etwa grimmige Gesicht ohne keinerlei  Spur von einem Hang  zum Scherzen und zur Fröhlichkeit zum Ausdruck. Die Utopie des Nasser Chosrau ist sowohl von ihrem Inhalt und ihrem Sinn fest und nicht zur Kapitulation bereit, als auch von ihrem Wort und ihrem Streben her wie ein glühendes Stück Eisen, welches sich unter den Hieben des Hammers eines kräftigen Schmiedes auf dem Amboss  aufbäumt;  ein Feuerfunke der Feuerfunken versprüht.  All das ist der Widerhall des verletzten und unermüdlichen Geistes von Nasser Chosrau.“

                      

 

Der iranische Islam- und Literaturwissenschaftler und Philosoph Dr. Mehdi Mohaqeq (geb. 1930)  hat den Divan des Nasser Chosrau überarbeitet. Er  sagt über die Moral dieses Philosophen und Dichters: „ Die eine  Tugend und herausragende Eigenschaft, durch die er sich von  den anderen Dichtern  abhebt, besteht darin, dass er sein Wissen und seine Dichtung   nicht für den weltlichen Genuss eingesetzt und niemals den reichen und mächtigen Herren gedient hat. Außerdem ist  sein Gedichtband (Divan) eine Summe von guten Ratschlägen, Weisheiten und Beispielen und zugleich für die Grundsätze der Menschlichkeit und die Regeln für Menschlichkeit. Er hat das hässliche Tun in seiner Gesellschaft genau erkannt und ganz alleine den Mund zum Protest und zur Kritik geöffnet. Nasser Chosrau hat in der heutigen Sprache ausgedrückt – den Kalten Krieg ins Auge gefasst - und mit seiner Mahnung und seinem guten Rat und der Schmähung der Gebieter und der Rechtsgelehrten seiner Zeit,  deren Palast der Geistigkeit und Spiritualität  als gekünstelt und unbeständig dargestellt. Er tadelt und mokiert sich über die Dichter, welche ihre Poesie der Huldigung widmeten und richtet sich auf die gleiche Weise gegen jene Religionsgelehrten welche - ihres eigenen Vorteils zuliebe -  zu den hässlichen Taten der Mächtigen schweigen und sie zulassen.“

 

                               

Über den Zusammenhang zwischen der Literatur und der Politik in der Dichtung von Nasser Chosrau sagt auch der iranische Literaturkritiker,   Übersetzer  und Dichter Dr. Mohammad Ali Islami Noduschan (verst. 2022):

 „Kein Dichter in der Farsi-Sprache hat sich derartig bitter über eine Regierung geäußert, wie Nasser Chosrau über die Seldschuken. Allerdings wurden auch die Ghaznawiden  nicht von ihm anerkannt.  Bekümmert erinnert er an die Zeit der Samaniden, welche Wert auf die Kultur und das Iranische legten. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes ein politisch engagierter Dichter. Hinter jedem Wort von ihm verbirgt sich eine soziale Absicht.“

                                   

 

Mit seinen Werken hat Nasser Chosrau für das iranische Wesen gewährleistet und sich verewigt. Der Schahnameh von Firdausi hat ihn beeinflusst. Er und Firdausi ähneln einander mehr als alle anderen Dichter in ihrer Liebe zu Iran.  Wir haben in der Farsi-Literatur verschiedene Arten von Lob- und Liebesdichtung, aber Nasser Chosrau ist nicht unter diese einzuordnen.  Sein Gewissen war sehr wach und rührte sich rasch. Man kann es die Unruhe seines Geistes nennen, welches zu seinen literarischen Werken führte.  In einer Zeit, in der es viel Volksverdummung gab, hat Nasser Chosrau sich der Wissenschaft und den Famitiden in Ägypten zugewandt.  Der Grund dafür war das Unrecht, welches damals in Iran herrschte.  Es fragt sich aber, wieso er so sehr von den Fatimiden und den Ismailiten in Ägypten begeistert war, wo er doch ein moralisch geläuterter und freiheitlicher Mensch war. Allerdings waren die Fatimiden in Ägypten trotz der berechtigten Einwände gegen sie, besser als die abbasidischen Kalifen.   

In seinem Vorwort zu dem Reisebericht von Nasser Chosrau, schreibt der iranische Literaturforscher Dr. Mohammad Dabir Siaqi (verst. 2018) über dessen Schriftstellertalent:

„Er ist ein Reisender namens Nasser Chosrau und hat tiefe Kenntnisse von den Wissenschaften seiner Zeit und sein Ohr ist in einer Familie, die traditionell als Schreiber tätig war, mit vielen Ausdrücken und Formulierungen und klarer Rede vertraut geworden. Er selber wurde ebenso für seine Tugend und seine Literatur bekannt. Er kennt die Beziehungen zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen in der Gesellschaft, hat eine weitgespannte  offene Sprache und kann Gehörtes und Gesehenes gut wiedergeben, die Dinge gut darlegen  und in Worte gießen.“ 

 

Auch Dr . Nader Wazinpur (verst. 1996) hat ein Vorwort zu dem Safarnameh, dem Reisebericht von Nasser Chosrau  geschrieben. Er verweist auf den Wahrheitsgehalt dieser Bericht und sagt: „In diesem Buch gibt es keinerlei Übertreibung hinsichtlich der Ereignisse, keine unangemessenen oder haltlosen oder feindseligen Anmerkungen und der Inhalt stützt sich nie auf Aberglauben oder Märchenerzählungen. Denn Nasser Chosrau ist ein Realist und er richtet sich niemals nach verschlissenen Ansichten und haltlosen  Meinungen der Allgemeinheit.

                      

Wir möchten - bevor wir das Kapitel über Nasser Chosrau schließen und uns einer anderen Persönlichkeit aus der iranischen Kulturwelt widmen - noch den Forscher für Farsi-Literatur,  Dr. Ali Rawaqi (geb. 1941) zu Wort kommen lassen. Er sagt:

„Die Dichtung von Nasser Chosrau ist der Widerhall seines großen festen Geistes und hohen Denkens und Fühlens und geht aus seiner wahren inneren Haltung hervor. Wir begegnen bei ihm einigen Gedichten, die in das grobe, raue Tuch religiösen Übereifers gehüllt sind und Nasser Chosrau als einen düsteren unfreundlichen Asketen erscheinen lassen. Ebenso existiert neben all dieser Festigkeit und dem Widerstand, aber auch eine sensible weiche und unruhige Seele.  Seine Unruhe und Empfindsamkeit ließen  ihn die Missstände und das Auf und Ab in seiner Zeit sehen und veranlassten ihn, sich mit dem  schlechten Verhalten und dem Falschen in seiner Gesellschaft   auseinanderzusetzen und seine messerscharfe Zunge gegen die  Rechtsgelehrten, die den Staat unterstützten,  und manchmal gegen die Allgemeinheit und sogar gegen Persönlichkeiten zu richten.“

 

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